„Ich bin draußen“, ruft Johannes Strauß und ballt die Faust. Für Geld muss er nicht mehr arbeiten. Noch ist es nur Spielgeld, das soll sich aber bald ändern. Durch das Brettspiel Cashflow will er lernen, wie man Privatier wird und Geld für sich arbeiten lässt.
Einmal im Monat treffen sich in Würzburg knapp 30 Menschen, um „Cashflow 101“ zu spielen. Das Brettspiel soll finanzielle Bildung vermitteln. „Je öfter du dieses Spiel spielst, desto reicher wirst du“, verspricht die Spielanleitung.
Aufstehen, zur Arbeit gehen, Rechnungen bezahlen, aufstehen, zu Arbeit gehen, Rechnungen bezahlen: Das bezeichnet Robert Kiyosaki als ein Hamsterrad, in dem sich der Großteil der Bevölkerung befinde. Der Multimillionär will den Menschen beibringen, wie man durch passives Einkommen aus diesem Kreislauf entkommt. Ende der 1990er-Jahre schrieb der US-Amerikaner das Buch „Rich Dad Poor Dad“ und erfand das zugehörige Brettspiel. Der 72-Jährige wurde laut eigenen Schilderungen durch Investments in Aktien und Immobilen reich.
"Um Herr des Geldes zu sein, müssen Sie gescheiter sein als das Geld", rät er in seinem Selbsthilfebuch. Dann werde das Geld tun, was man ihm sagt. Und weiter: "Statt Sklave des Geldes zu sein, werden Sie sein Meister sein. Das ist finanzielle Intelligenz." Mit 47 Jahren habe er sich aus dem Berufsleben zurückgezogen und sich nur noch dem Investieren gewidmet.
Eigenen Angaben zufolge verkauft er bisher 40 Millionen Exemplare der dreiteiligen „Rich Dad Poor Dad“-Buchserie. Auch zusammen mit Donald Trump veröffentlichte er einen Bestseller. Das Brettspiel wird in der deutschen Version nicht mehr produziert und im Internet mit 100 bis 150 Euro gehandelt.
Das Spiel beginnt. Johannes Strauß und drei anderen Spielern werden Berufe zugelost. Er ist Krankenpfleger und bekommt ein niedriges Gehalt, braucht aber auch nur wenige Deals, um den inneren Kreis auf dem Spielfeld – das Hamsterrad – zu verlassen. Eine gute Ausgangslage für Strauß. Er wird nun Gelegenheiten bekommen, Häuser, Aktien, Wertpapiere und Unternehmensanteile zu erlangen. Und er muss überlegen, ob er dafür Geld von der Bank aufnimmt oder sein Gehalt ausreicht. Kopfrechnen ist von Vorteil.
Ziel des Spiels ist es, durch Mieteinnahmen und Dividenden so viel Geld einzunehmen, dass Ausgaben wie Steuern oder Autokredite ausgeglichen werden können. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zwischen Cashflow und Monopoly. Bei Monopoly muss man so reich wie möglich werden, bei Cashflow so reich wie nötig.
Die Spielfigur ist eine Ratte, die einen Traum erreichen will. Ein Käse auf dem Spielbrett steht stellvertretend für den Jetset-Urlaub oder das Luxusauto. Wen das Würfelglück verlässt, landet mit seiner Figur auf dem Baby-Feld. Das ist schlecht, denn es erhöht die Ausgaben unnötig.
Im echten Leben ist Strauß Anfang des Jahres Vater geworden. Der 33-Jährige studierte Wirtschaftsinformatik. Nach seinem Abschluss bekam er nur befristete Verträge. Ob sein aktueller Vertrag verlängert wird, weiß er noch nicht. „Darauf habe ich keine Lust mehr“, sagt der Kürnacher (Lkr. Würzburg). Er hat Kiyosakis Bücher gelesen und schon an die 20 Mal Cashflow gespielt. „Gerade für meinen Sohn möchte ich, dass er sich nicht mit den Sorgen herumschlagen muss, wie wir sie als Eltern haben“, sagt Strauß. Noch sitzt Strauß im Hamsterrad.
Matthias Östreicher hat ihm etwas voraus. Er ist dem Hamsterrad im echten Leben entkommen. „Schon lange“, wie der Leiter des Spieleabends erzählt. Seit 2013 übersteige sein passives Einkommen seine Ausgaben. Während der Finanzkrise kaufte er Aktien des finanziell angeschlagenen Versicherungskonzerns AIG und spekulierte auf eine staatliche Rettung des Unternehmens.
Östreicher hatte Erfolg. „Das war einer meiner größten Deals“, sagt der 47-Jährige. Heute investiert er unter anderem in amerikanische Immobilien und Edelmetalle. Nun sieht er es als seine Berufung, andere Menschen bei ihrer finanziellen Bildung zu unterstützen. „An Schulen wird dafür viel zu wenig getan“, sagt der Regensburger. Zusammen mit Stephan Behringer aus Würzburg organisiert er daher die Spieleabende in bayerischen Großstädten.
Die Spieler sind zwischen Anfang zwanzig und Mitte siebzig. Studenten, Angestellte, Selbstständige und Rentner – drei Viertel davon Männer. Sie kennen sich und sprechen von einer „Community“. Sie vereint der Wille, reich zu werden - oder besser: finanziell frei zu sein. Für viele von ihnen ist Kiyosaki ein Idol. „Das Beste an Geld ist, dass es täglich 24 Stunden lang arbeitet“, sagt der überzeugte Kapitalist. Während andere die Karriereleiter erklimmen möchten, überlegt Kiyosaki, wie er die Leiter kaufen kann.
Nicht nur in Würzburg treffen sich Cashflow-Spieler
Vor über sechs Jahren trafen sich in Schweinfurt einige Anhänger von Kiyosakis Philosophie, um Cashflow zu spielen. Von einer Szene möchte der damalige Veranstalter nicht sprechen, der mit Namen nicht genannt werden möchte. Schnell sei Ruhe in die Sache gekommen. „Die Leute waren damals noch nicht so weit“, sagt er.
Unabhängig davon gibt es im Juli Cashflow-Abende in Würzburg und wieder in Schweinfurt. Bundesweit existieren Clubs, die mit Spielgeld für die Wirklichkeit trainieren. In diesem Sommer wird ein umgebauter Van durch Deutschland fahren, in dem jedermann durch das Brettspiel finanzielle Bildung erlangen soll.
Nach einer Stunde Cashflow wird an diesem Abend die Bilanz gezogen. Einer der Spieler war schon viele Male dabei, doch auf seinem Bankkonto hat sich das noch nicht bemerkbar gemacht. „Ich müsste dranbleiben und das in die Realität umsetzen, was ich im Spiel lerne“, gibt er zu. Er hilft den anderen Teilnehmer zu oft und konzentriert sich nicht auf seine eigene Strategie. Auch im Spiel kommt er an diesem Abend nicht aus dem Hamsterrad.
Einen Tisch weiter läuft es für Strauß besser. „Johannes ist frei“, ruft Behringer in die konzentrierte Stille hinein. Die anderen Teilnehmer applaudieren und wenden sich sofort wieder der eigenen Spielfigur zu, um es ihm nachzutun. Strauß hat nicht auf Sicherheit gespielt, hat etwas gewagt und ist belohnt worden.
Er ist an diesem Abend der erste, der im Spiel finanziell frei ist. Doch wie sieht es im echten Leben des jungen Vaters aus? „In ungefähr drei Jahren will ich soweit sein“, sagt Strauß. Dann will er das Hamsterrad verlassen haben und für Geld nicht mehr arbeiten müssen.
Zur Veranstaltung: Die Gruppe "Cashflow Squad" veranstaltet jeden ersten Montag im Monat einen Spieleabend in der Kolping-Akademie in Würzburg. Preise und weitere Informationen unter www.meetup.com/de-DE/Cashflow-Secrets-Squad-Wurzburg . In Unterfranken organisieren auch andere Veranstalter Spieleabende dieser Art, die über www.meetup.com zu finden sind.