Was für eine fulminante Ansage: Die Bosch Rexroth AG will in den kommenden Jahren 100 Millionen Euro in den Standort Lohr stecken. Eine Investition dieser Größenordnung hat es in Mainfrankens Wirtschaft lange nicht mehr gegeben.
Sie richtet das Scheinwerferlicht auf einen der größten Arbeitgebern in der Region. Wenn Bosch Rexroth in den Schlagzeilen stand, dann meist eher wegen Warnstreiks der Gewerkschaft oder wegen des Abbaus von Arbeitsplätzen.
Was steckt also hinter dieser Rieseninvestition? Wie ist sie für Mainfranken einzuordnen? Vorstandsmitglied Steffen Haack und Holger von Hebel, Leiter der Geschäftseinheit Mobilhydraulik, geben Einblicke. Die beiden 55-Jährigen sagen auch, wie es um die geplante Streichung von 190 Stellen in Lohr (Lkr. Main-Spessart) und um die anderen mainfränkischen Standorte von Bosch Rexroth steht - und warum die eigene Gießerei so wichtig ist.
Holger von Hebel: Das ist jetzt nicht überraschend viel Geld, das wir irgendwo gefunden haben. Wir haben Jahr für Jahr insgesamt dreistellige Millionenbeträge, die wir weltweit investieren. Wo wir sie investieren, hängt davon ab, welche Produktgebiete wachsen, wo technische Sprünge und wo Kapazitätserweiterungen notwendig sind. Das müssen wir Jahr für Jahr neu priorisieren. In Lohr haben wir uns insbesondere in der Gießerei nach langen Überlegungen für ein Zukunftspaket entschieden, weil wir mit der Investition technologisch einen Fortschritt und erhöhte Flexibilität in der Gießerei erzielen können. Das gibt uns einen Wettbewerbsvorteil mit unserer eigenen Gießerei.
Von Hebel: Es gab in der Vergangenheit vergleichbare Investitionen, wenn zum Beispiel in den USA, in China oder in Europa neue Standorte aufgebaut wurden. In den letzten Jahren ist eine solche Einzelinvestition sicherlich die größte.
Steffen Haack: Bosch Rexroth sitzt in Lohr, da ist die Zentrale. Dort sind große Teile der Entwicklung und des Vertriebs. Und Lohr ist der größte Standort von Bosch Rexroth mit mehr als 5300 Beschäftigten. Es ist auch der Sitz zweier weltweiter Geschäftseinheiten, nämlich der Industriehydraulik und elektrischen Automation. Und hier ist die Wiege, wo alles vor mehr als 225 Jahren entstanden ist.
Von Hebel: In Lohr ist im Übrigen die einzige interne Gießerei, die wir haben. Sie hat sich über Jahrzehnte Kompetenz aufgebaut. Deswegen haben wir uns jetzt entschieden, in Lohr in Flexibilität und Innovation zu investieren. Die Grundlagen und Rahmenbedingungen waren so reif, dass diese Investition angemessen und gut ist.
Haack: Bosch Rexroth ist ein weltweit führender Anbieter der Antriebs- und Steuerungstechnik – und das sowohl für Industrie- als auch Mobilanwendungen. Kürzer kann man es nicht erklären.
Haack: Vorzugsweise in Mobilmaschinen wie Baggern, Radladern, Kränen, Traktoren. Die Industrieanwendungen findet man in vielen Fabriken wie in Stahlwerken, in der Automobilindustrie, in Kunststoffmaschinen aber auch Verpackungsmaschinen und der Lebensmittelindustrie. Auch in Schleusen und Wehren oder wenn Brücken auf- und zugemacht werden, wie an der Themse in London zum Beispiel. Oder im Panamakanal.
Von Hebel: Bosch Rexroth steckt in dem, was Maschinen und Anlagen antreibt, steuert und bewegt. Und das hydraulisch, mechanisch und elektrisch.
Haack: Ich mache mal einen Vergleich: Wenn man heute einen Computer kauft, dann steht da „Intel inside“ drauf. Den Chip von Intel sieht man aber nicht. Das ist eigentlich ein Qualitätskennzeichen, dass in dem Computer eine besondere Technik steckt. Das ist bei Bosch Rexroth genauso. In der Regel steht unser Name nicht außen auf der Maschine, dem Bagger oder der großen Presse. Wir sind aber die, deren Technologie da drin ist. Und zwar auf drei Ebenen: Hydraulik, Elektrik/Elektronik und Mechanik.
Haack: Für uns ist das überhaupt kein Widerspruch. Denn wir müssen darauf schauen, dass wir uns an die veränderten Bedingungen um uns herum anpassen. Es ändern sich die Märkte, die Wettbewerber, die Produkte, die Bedeutung der Regionen. Unser Job ist, das Gesamtunternehmen mit seinen rund 30 000 Beschäftigten so anzupassen, dass wir mittel- und langfristig eine gute Zukunft haben.
Haack: Es ist im Konsumverhalten genauso wie in der Industrie: Vor zehn oder fünfzehn Jahren hatten wir alle noch kein Smartphone in der Hand, heute ist das gang und gäbe. Die Mechanik und Hydraulik verändert sich auch, indem immer mehr Elektronik und Hardware angebaut wird. Damit zieht auch Software ein. Wir werden aus meiner Sicht wahrscheinlich kein Softwareunternehmen werden, denn unsere DNA ist Hydraulik, Mechanik, Elektronik/Elektrik. Aber es wird softwaretechnischer werden. Das heißt, wir müssen unsere Belegschaft immer mehr dahin qualifizieren und führen, dass sie in solchen Software-Themen fitter wird. Das betrifft die Entwicklung und den Vertrieb, aber auch die Facharbeiter.
Von Hebel: Wir haben früher viele Industriemechaniker ausgebildet. Der Wandel jetzt hin zum Mechatroniker als Verbindung von Mechanik und Elektronik/Elektrik ist genau das, was wir auch an anderen Stellen zunehmend sehen. Im Engineering-Bereich haben wir früher klassische Hydraulik-Fachingenieure ausgebildet. Sie werden sich nun stärker mit elektronischer Steuerungs- und Regelungstechnik beschäftigen müssen. Insofern ist es ein Wandel, der über die Zeit stattfindet, der aber nicht disruptiv und schlagartig erfolgen wird. Aber ganz klare Tendenz: Software und Elektronik werden deutlich dominanter werden.
Haack: Wenn wir sagen, wir müssen uns anpassen, dann ist das ein Bestandteil. Das gilt für jeden Standort im Unternehmen. Wenn man sich anpasst, hat das meistens Auswirkungen auf Stellen. Es kann dann sein, dass sowohl Arbeitsplätze entfallen als auch an anderer Stelle entstehen. Das ist in Lohr und Homburg der Fall. Die Kompakthydraulik zieht wegen des Kostendrucks aus Lohr weg. Dafür kommen andere Stellen von Homburg her. Wir machen die Änderungen so sozialverträglich wie möglich. Wir sind in Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretungen mit dem Ziel, einen entsprechenden Interessenausgleich und Sozialplan zu vereinbaren.
Von Hebel: Das läuft zusammen. Wir hoffen, dass wir mit den jeweiligen Vereinbarungen die Veränderung an beiden Standorten vornehmen können.
Von Hebel: Wir bieten das den Mitarbeitern in Homburg an. Das ist Teil unseres sozialverträglichen Vorgehens. In der Praxis ist es aber tatsächlich so, dass das Interesse wohl nicht sehr groß ist. Deswegen suchen wir hier in der Region nach Fachkräften. In der in Homburg verbleibenden Mobilhydraulik können wir bereits Einiges an Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten.
Von Hebel: Ein Bagger oder Traktor fährt nicht allein mit der Software und der Digitalisierung. Am Ende braucht er eine hydraulische Antriebseinheit für seine Bewegungen. Hydraulik wird es in schweren Anwendungen noch sehr lange geben.
Von Hebel: Deswegen haben wir auch schon in drei 3D-Drucker investiert und nutzen sie parallel beispielsweise für Prototypen und Muster, wo 3D-Druck sehr schnell und effizient ist. Für eine Massenfertigung von tausenden oder zehntausenden Stück am Tag funktioniert 3D-Druck noch nicht.
Von Hebel: Ja, da bin ich mir sicher.
Von Hebel: Augsfeld gehört auch zur Mobilhydraulik. Dort wird ebenfalls investiert in übliche Verbesserungen, Innovation und Flexibilität. Augsfeld profitiert im Übrigen von den Investitionen in die Gießerei in Lohr, denn die Zulieferung der Gussstücke nach Augsfeld wird flexiblerer, besser und günstigerer. Wir arbeiten im Verbund.
Haack: In Schweinfurt und Volkach ist die Lineartechnik. Diese Standorte profitieren nicht eins zu eins von dem, was wir in Lohr jetzt machen, weil das eine ganz andere Technik ist. Bei Bosch Rexroth ist jeder Standort für sich alleine für die Investitionen zuständig und kämpft darum. In Schweinfurt und Volkach gibt es gerade Verhandlungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Da spielen Investitionen sicherlich eine wichtige Rolle.
Haack: Die drei Haupttechnologien – Hydraulik, Mechanik, Elektronik/Elektrik – bleiben bestehen. Aber die Produkte werden eindeutig softwaretechnischer.