Während in der Metallbranche die Tarifverhandlungen feststecken und Warnstreiks anlaufen, beschäftigen derzeit noch ganz andere Verhandlungen viele Mitarbeiter der Lohrer Bosch Rexroth AG. Nämlich die zu der vom Unternehmen angekündigten Verlagerung von unterm Strich rund 75 Arbeitsplätzen weg vom Standort Lohr. Noch sind keine konkreten Schritte vereinbart. Das Unternehmen erklärt jedoch, an seinen Plänen festzuhalten. Der Betriebsrat will die Verlagerungen verhindern und verweist nicht zuletzt auf eine spürbar bessere Auftragslage.
Im September des vorigen Jahres hatte Rexroth eine mit Konkurrenz- und Kostendruck begründete Umstrukturierung angekündigt. Sie würde auch den rund 5350 Mitarbeiter zählenden Stammsitz Lohr betreffen. Demnach sollen bis Ende 2025 die 160 Arbeitsplätze der Fertigung von Einschraubventilen von Lohr an Standorte in Italien und den USA verlagert werden. Nach Betriebsratsangaben ist überdies die Verlagerung von gut 30 Arbeitsplätzen der Sparte Industrieventile an kostengünstigere Standorte in Rumänien (Blaj) und China (Wujin) vorgesehen.
Allerdings plant Rexroth auch die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Lohr: Das Unternehmen will die Sparte der elektrohydraulischen Industrieventile hier bündeln. Daher sollen in Homburg/Saar 155 der 550 Arbeitsplätze gestrichen und laut Betriebsrat in Lohr rund 115 Stellen aufgebaut werden.
Ziel des Betriebsrats ist es jedoch, die Umstrukturierung zu verhindern. Das machen der Betriebsratsvorsitzende Klaus Friedrich (58) und sein Stellvertreter Thomas Nischalke (52) gegenüber der Redaktion deutlich. Sie halten die Bündelung einzelner Sparten an bestimmten Standorten generell für falsch. Denn so nehme man den Standorten die Vielfalt ihrer Standbeine und dadurch die Möglichkeit, temporär schlechter laufende Geschäfte einer Sparte durch bessere Ergebnisse anderer Sparten auszugleichen. Rexroth verdiene Geld mit den Sparten, die nun umorganisiert werden sollen, sagt Friedrich. Das sei auch gut so. Nischalke spricht davon, dass es um Gewinnmaximierung gehe, darum, "noch ein paar Cent mehr zu sparen". Umso weniger verständlich seien die Pläne, wo die Geschäfte bei Rexroth nach einer laut Friedrich "ekligen Corona-Delle" jetzt wieder "richtig gut" liefen.
Laut Friedrich gab es zu den Abbauplänen seit September gut ein halbes Dutzend Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat, das jüngste in der vorigen Woche. Bislang geht es bei diesen Gesprächen darum, dass das Unternehmen seine Beweggründe erklärt. Zur Beurteilung vorgelegter Zahlen habe sich der Betriebsrat externe Berater ins Boot geholt und einen Fragenkatalog erstellt, sagt Nischalke. Manche Fragen seien beantwortet, andere noch nicht.
Plan: Sozialverträglicher Abbau
Unternehmenssprecherin Judith Mühlich sagt über die Verhandlungen, dass man die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat als "kooperativ und transparent" empfinde. Das Unternehmen habe die Fragen des Betriebsrats "weitestgehend beantwortet". Der nächste Schritt werde sein, dass man über konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Pläne spreche, beispielsweise über die Umqualifizierung von Mitarbeitern, um sie dann unternehmensintern mit anderen Aufgaben betrauen zu können. Rexroth hat angekündigt, die insgesamt rund 230 Arbeitsplätze in Lohr und Homburg sozialverträglich abbauen zu wollen. Konkrete Angebote zu Altersteilzeit- oder Abfindungsmodellen könne man jedoch erst nach Abschluss der Verhandlungen machen, so Mühlich.
Friedrich: Trend stoppen
Der Betriebsratsvorsitzende Klaus Friedrich betont, dass man nicht wolle, dass ein deutscher Rexroth-Standort einem anderen Arbeitsplätze wegnehme. Vielmehr gelte es, den Trend des stetigen Abbaus von Rexroth-Arbeitsplätzen in Deutschland zu stoppen. "Wir werden immer weniger", sagt Friedrich. Vor Jahren habe Rexroth rund 20 000 Menschen in Deutschland beschäftigt. Aktuell sind es noch rund 13 800. Weltweit ist die Zahl der Mitarbeiter von ehemals rund 37 000 auf jetzt rund 29 600 gesunken.
Friedrich spricht von einem "Kampf um die Zukunft industrieller Arbeitsplätze" in Deutschland, auch vom Kampf um die Perspektive für technologische Entwicklung. "Die Menschen haben Angst um ihre Arbeitsplätze", beschreibt Nischalke die Stimmung im Unternehmen.
Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende geht davon aus, dass sich die Gespräche über die Abbaupläne noch zwei bis drei Monate hinziehen. Man hoffe darauf, dass sich die Geschäftsleitung bewege. Wenn nicht, werde man über Protestaktionen nachdenken. Dass auch in Corona-Zeiten größere Demonstrationen möglich seien, habe man gezeigt, als im Herbst nach der Verkündung der Pläne 700 Rexröther eine Menschenkette durch Lohr bildeten.