Bei den Diskussionen um Distanz- oder Präsenzunterricht für Schüler wird oft eines vergessen: Auch die Berufsschüler werden zurzeit wegen der Corona-Regeln größtenteils online unterrichtet. Die Theorie kann zwar zu Hause fast vollständig vermittelt werden. Mit der Praxis ist das jedoch schwierig.
Wie tausende andere Angestellte arbeitet Arno Kossack aus Würzburg zurzeit hauptsächlich von zu Hause aus. Lediglich einmal in der Woche darf er ins Büro, um Akten einsehen oder Briefe verschicken zu können.
Dabei wäre es gerade für ihn wichtig, vor Ort zu sein. Denn Kossack ist Auszubildender, er lernt Kaufmann im Groß- und Außenhandel und ist daher auf den Austausch mit Vorgesetzten und Kollegen angewiesen. Doch wegen Corona ist das nicht möglich.
So wie Kossack geht es hunderten weiteren Auszubildenden. Vor allem die Lehrlinge der kaufmännischen Berufe verbringen ihre Zeit fast nur noch zu Hause, denn sowohl die Betriebsarbeit als auch die Berufsschule finden auf Distanz statt.
- Tipps, Trends, Fakten: Unser großes Extra zur Corona-Krise in Mainfranken
Doch es bleiben viele Fragen. Wie gehen Auszubildende, Lehrer und Betriebe in Mainfranken damit um? Sind die Berufsschulen mit ihrem Stoff im Zeitplan? Und beeinflusst Corona die Zwischen- und Abschlussprüfungen?
Unterlagen kommen per Hausbesuch
In Mainfranken werden derzeit fast alle Berufsschüler auf Distanz unterrichtet. Für die meisten bedeutet das: Zu Hause vor dem Laptop sitzen und online am Unterricht teilnehmen. Wer keinen Computer hat, benutzt das Handy oder bekommt ein Gerät von der Schule gestellt.
Schwierig wird es jedoch für Schüler, die zu Hause kein Internet haben. Das mobile Datenvolumen des Handys ist meist schnell erschöpft, teilweise reicht der Empfang nicht aus, um den Unterricht zu übertragen. Gerhard Hecht leitet die Staatliche Berufsschule Main-Spessart in Karlstadt. Er sagt: "Wenn es nicht anders geht, versorgen wir unsere Schüler postalisch oder per Hausbesuch mit Unterlagen." Die Schüler brächten ihre bearbeiteten Aufgabenblätter wiederum zurück zur Schule.
Für die Lehrer bedeutet das einen Mehraufwand. Auch für den Online-Unterricht müssen sie mehr Zeit aufwenden als für die Präsenzlehre. "Trotz meiner langjährigen Erfahrung muss ich jede Stunde neu aufbereiten", sagt Hecht. Denn seine Kollegen und er müssten die Lehrmaterialien alle so anpassen, dass sie online zugängig sind. Die Erfahrungen mit dem Distanzunterricht seien dennoch sehr gut und die Klassen mit dem Stoff im Zeitplan.
Auch Azubi Kossack ist mit dem Homeschooling zufrieden. "Im Gegensatz zum ersten Lockdown ist der Online-Unterricht jetzt gut organisiert", sagt er. Doch auch wenn zu Hause alles funktioniere, würde Kossack lieber in die Schule gehen: "Mir fehlt der Austausch mit den Klassenkameraden."
Distanz- versus Wechselunterricht
Wann Kossack wieder mit seinen Klassenkameraden vor Ort lernen kann, ist ungewiss. Zwar soll ab dem 22. Februar vermehrt Wechselunterricht an den mainfränkischen Berufsschulen stattfinden. Doch dies wird vermutlich zunächst nur die Abschlussklassen betreffen.
Die Auszubildenden im ersten und zweiten Lehrjahr, zu denen Kossack gehört, werden weiterhin online unterrichtet. Beim Wechselunterricht wird die Klasse in zwei Gruppen aufgeteilt. Sie haben abwechselnd je eine Woche Präsenzunterricht in der Schule und eine im Distanzunterricht zu Hause.
Für Frank Delißen, Leiter des Staatlichen Berufsschulzentrums Kitzingen-Ochsenfurt, ist es wichtig, dass die Auszubildenden wieder in die Schule kommen können. Doch der Wechselunterricht bedeute noch mehr Aufwand als der Distanzunterricht. "Die Lehrkräfte müssen normalen Unterricht vor Ort machen und zusätzlich die andere Hälfte der Klasse zu Hause mit Materialien und Stoff versorgen", berichtet Delißen. Schließlich werde weiter nach Stundenplan unterrichtet.
Die Praxis bleibt oft auf der Strecke
Ob Distanz- oder Wechselunterricht, die Lehre der theoretischen Inhalte funktioniert in Corona-Zeiten gut. Bezüglich der Praxis sind die Auszubildenden jedoch im Rückstand. Viele Lehrer sind zwar kreativ und drehen kleine Videos, um den Schülern wenigstens ein paar praktische Inhalte zu zeigen. Doch vor allem angehende Hotel- und Restaurantfachkräfte, Köche oder Verkäufer im Einzelhandel, deren Betriebe geschlossen sind, können das Gezeigte oft nicht mal auf der Arbeit umsetzen.
Bei den klassischen Handwerksberufen dagegen findet im Vergleich noch viel Praxis statt. Frank Weth, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Unterfranken, sagt: "Handwerker können auch gut im Werkstattbetrieb lernen, sich praktische Inhalte erarbeiten und Erfahrungen sammeln." Zudem dürften Maler, Maurer, Dachdecker oder Schreiner weiterhin vor Ort beim Kunden arbeiten, wenn sie die Sicherheits- und Hygieneregeln einhielten.
Wie das mit der "Überbetrieblichen" läuft
Die Handwerks-Lehrlinge müssen jedoch größtenteils auf die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) verzichten, die von den Bildungszentren der Handwerkskammern durchgeführt wird. Die ÜLU ergänzt die betriebliche Ausbildung und besteht aus berufsspezifischen, praktischen Kursen.
Seit Anfang Februar können einige Kurse wieder für Abschlussklassen angeboten werden, ab dem 22. Februar sollen weitere hinzukommen. Wie viele und für wen, wird laut Weth in den kommenden Tagen entschieden.
Schulleiter: Fehlende Praxis muss schleunigst nachgeholt werden
Ob die Schüler ausreichend auf ihre Zwischen- und Abschlussprüfungen vorbereitet werden, ist schwer zu sagen. Einige der Winterprüfungen fanden bereits statt, die Ergebnisse werden einen ersten Überblick liefern.
Für die Schulleiter Hecht und Delißen steht fest, dass die fehlende Praxis so schnell wie möglich nachgeholt werden muss. Sobald die Auszubildenden wieder in der Schule seien, würden die Praxisanteile im Unterricht erhöht werden, um die Schüler für die Sommerprüfungen fit zu machen. "Das Hauptaugenmerk muss auf dem Präsenzunterricht bleiben", sagt Hecht.