Zugegeben, ein Nachhaltigkeitsbericht klingt nicht nach Vergnügungssteuer. Doch ein solches Werk ist eine wichtige Stütze in einem Unternehmen, das auf Dauer auf einer verantwortungsvollen Spur sein will. So wie der mainfränkische Versandhändler Memo, der seit Jahren auf Nachhaltigkeit setzt. An dessen Beispiel wird deutlich, dass ein Nachhaltigkeitsbericht auf jeden Fall eines hat: Tragweite.
Lothar Hartmann (53) ist als Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements bei der Memo AG in Greußenheim (Lkr. Würzburg) verantwortlich für einen solchen Bericht des Unternehmens. Dieser ist vielfach ausgezeichnet worden.
Kurz vor dem 30-jährigen Firmenjubiläum spricht der gebürtige Nürnberger über Anfänge und Wirkung des Berichts, auf was er am meisten stolz ist und wie sich die Corona-Pandemie auf die gesellschaftliche Verantwortung auswirkt.
Lothar Hartmann: In jedem Fall ist er längst ein ganz wichtiges Instrument, um insbesondere die Kunden, aber auch andere wichtige Interessengruppen zu informieren, mitzunehmen und für das Unternehmen zu begeistern.
Hartmann: Wir haben inzwischen einige Kollegen, die sich explizit aufgrund des Nachhaltigkeitsberichtes bei uns beworben haben. Ich denke, dass heute allgemein mehr Menschen darauf achten, was der künftige Arbeitgeber hinsichtlich seiner gesellschaftlichen Verantwortung leistet. Es geht nicht mehr nur darum, acht Stunden am Tag zu arbeiten, sondern auch etwas Sinnvolles zu tun. Gerade junge Leute orientieren sich bei der Berufs- und Arbeitsplatzwahl verstärkt an unternehmerischen Wertvorstellungen.
Hartmann: Unsere wichtigsten Zielgruppen sind die Kunden, aber auch die eigenen Mitarbeiter. Der Bericht wird darüber hinaus von Bildungs- und Forschungseinrichtungen als Lehrmaterial und Best Practice herangezogen. Auch von Verbänden und NGOs (Nichtregierungsorganisationen, Anm. der Red.) bekommen wir immer wieder Rückmeldungen. Die Bandbreite der Zielgruppe ist also groß.
Hartmann: Ja, einerseits ist die Nachfrage nach Produkten, die sich besonders durch Nachhaltigkeit auszeichnen, in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Andererseits achten die Verbraucher auch immer mehr darauf, bei welchen Unternehmen sie einkaufen.
Hartmann: Damals lag der Fokus darin, punktuell über positive Maßnahmen zum Umweltschutz zu berichten. Die heutigen Berichte sind in der Regel systematisch strukturiert und konzentrieren sich auf die wesentlichen Aspekte der Nachhaltigkeit von Unternehmen. Es werden auch häufiger gesellschaftspolitische Themen aufgegriffen. Man orientiert sich heute viel stärker an allgemeinen Standards wie der Global Reporting Initiative oder dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex.
Hartmann: Der Geschäftsbericht behandelt in erster Linie ökonomische Aspekte. Die Inhalte eines Nachhaltigkeitsberichts drehen sich hingegen um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Die wirtschaftliche Seite ist zwar auch ein Teil davon. Aber schwerpunktmäßig werden dort ökologische und soziale Themen behandelt.
Hartmann: Das können wir aus unserer Erfahrung nicht bestätigen. Ein Beleg dafür ist, dass die 5000 Exemplare unseres aktuellen Berichts aus dem September 2019 inzwischen nahezu vergriffen sind. Deswegen haben wir beschlossen, noch eine zweite Auflage zu drucken. Zudem wird der Bericht auch gerne online gelesen.
Hartmann: Wir haben zunächst 1998 ein Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagementsystem eingeführt. Darauf basierend haben wir Analysen durchgeführt, welche Aspekte für unser Unternehmen wesentlich sind, Ziele definiert und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess implementiert. Nachdem uns das relativ gut gelungen ist, haben wir beschlossen, darüber zu berichten. Unser erster Versuch war 2001 tatsächlich noch ein Umweltbericht. 2003 folgte dann der erste Nachhaltigkeitsbericht.
Hartmann: Nein, mit unserer Unternehmensgröße sind wir nicht von der CSR-Berichtspflicht betroffen. Doch es gehört zu unserem Geschäftsmodell. Ich bin auch davon überzeugt, dass es für alle Unternehmen immer essenzieller wird zu erkennen, welchen Beitrag sie für eine zukunftsfähige Entwicklung unserer Gesellschaft leisten können – und dann auch über entsprechende Maßnahmen berichten.
Hartmann: Ja, jeder kann tagtäglich im Kleinen oder im Großen dazu beitragen, indem man sich über seine Entscheidungen bewusster Gedanken macht. Das fängt beim täglichen Einkauf von Verbrauchsartikeln an. Denn es gibt inzwischen für nahezu jedes Produkt nachhaltige Alternativen, die ökologisch hergestellt oder fair gehandelt worden sind.
Hartmann: Zu Beginn eines Erscheinungsjahres erstellen wir auf Basis unserer wesentlichen Handlungsfelder, konkreter Nachhaltigkeitsprojekte und Kennzahlen aus unserem Managementsystem einen Redaktionsplan, wo wir die wesentlichen Inhalte festlegen: also Textbeiträge, Bilder und Grafiken. Das Layout ist ebenfalls ein zentraler Aspekt. Der Nachhaltigkeitsbericht soll einfach lesbar sein und durchaus Spaß machen. Das Besondere bei Memo ist auch, dass wir den Bericht komplett mit eigenen personellen Ressourcen produzieren. Die Menschen, die daran beteiligt sind, kennen das Unternehmen sehr genau und haben die Infos aus erster Hand. Letztlich kann der Bericht ja nur das widerspiegeln, was im Unternehmen passiert.
Hartmann: Er muss ehrlich, nachvollziehbar und offen sein. Es sollte darin über die wesentlichen Punkte berichtet werden, zu denen das Unternehmen einen gesellschaftlichen Beitrag leistet – und zwar in einem angemessenen Umfang. Wenn man nur unwesentliche Dinge beschreibt und die dann auch noch in den Mittelpunkt stellt, bemerken das die Leser schnell. Auch Schwachstellen müssen thematisiert werden. Das ist ganz entscheidend. Schließlich ist ein Misserfolg nichts Unnatürliches.
Hartmann: Sie beziehen sich vor allem auf die Verantwortung des Unternehmens gegenüber Menschen. Das können die eigenen Mitarbeiter sein, aber auch solche, die bei Dienstleistern oder Lieferanten beschäftigt sind. Wichtige Themen sind zum Beispiel Arbeitnehmerrechte, Aus- und Weiterbildung, Arbeitszufriedenheit, Vielfalt- und Chancengleichheit. Soziale Kriterien können auch Verbraucherinteressen, die Förderung gemeinnütziger Zwecke oder die Beteiligung an Nachhaltigkeitsinitiativen sein – also ein relativ weit gestreutes Themenfeld.
Hartmann: Einerseits ja, andererseits hat die Pandemie auch dazu beigetragen, dass sich noch mehr Menschen Gedanken machen, wie und wo Produkte hergestellt werden. Regionale Beschaffung spielt mittlerweile eine größere Rolle. Auch Gesundheitsverträglichkeit und Ökologie haben an Bedeutung gewonnen. Ich denke, dass sich seit dem Corona-Ausbruch viele Menschen mit Nachhaltigkeit beschäftigen – egal in welcher Ausprägung. Das hat zu einem Bewusstseinswandel in der Gesellschaft geführt. Unternehmer machen sich ebenfalls mehr Gedanken. Das liegt auch an politischen Rahmenbedingungen wie dem European Green Deal.
Hartmann: Ja. Je mehr man sich damit beschäftigt, desto süchtiger wird man danach. Irgendwann kann man nicht mehr loslassen. Aber es gibt ja durchaus schlimmere Suchtformen.
Dieses Interview ist der letzte Beitrag unserer Serie über Nachhaltigkeit in mainfränkischen Unternehmen. Links zu allen Folgen der Serie finden Sie in unserem regionalen Wirtschaftsblog ImPlus: www.mainpost.de/im-plus