zurück
Greußenheim
Kampf gegen Klimawandel: Warum die Firma Memo nicht wartet
Immer mehr Online-Bestellungen sorgen für immer mehr Luftverschmutzung – auch in Würzburg. Wie ein mainfränkisches Versandunternehmen dem entgegenwirken möchte.
Einfach machen: Der Greußenheimer Versandhändler Memo setzt das Klimapaket Würzburg um. Deswegen beauftragt das Unternehmen zur Auslieferung der Waren Boten mit Elektrofahrrädern, wie hier Hannes Götz in Würzburg.
Foto: Johannes Kiefer | Einfach machen: Der Greußenheimer Versandhändler Memo setzt das Klimapaket Würzburg um. Deswegen beauftragt das Unternehmen zur Auslieferung der Waren Boten mit Elektrofahrrädern, wie hier Hannes Götz in Würzburg.
Nathalie Metzel
 |  aktualisiert: 27.04.2023 09:09 Uhr

Das Problem ist seit langem bekannt: Immer mehr Menschen bestellen bequem von zuhause aus in Online-Shops. Das sorgt für mehr Lieferverkehr und damit für eine höhere Luftverschmutzung. Vor allem größere Städte kämpfen aber ohnehin mit der Feinstaub- und Stickoxidbelastung.

So auch Würzburg. 2018 verabschiedete der Stadtrat den Green City Plan Würzburg, auf dessen Basis eine emissionsfreie Mobilität entwickelt werden soll. Im Rahmen dieses Plans wurden Straßen ermittelt, die besonders unter Stickstoffdioxid-Belastungen leiden. Als problematisch stellten sich in der Innenstadt die Grombühlstraße und die Theaterstraße heraus.

Den Angaben des Bayerischen Landesamtes für Umwelt zufolge wurde der Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter hier immer wieder überschritten. In der Grombühlstraße wurde 2018 ein Wert von 52 Mikrogramm gemessen. Hauptverursacher für die erhöhten Stickstoffdioxidwerte ist laut dem Landesamt der Straßenverkehr.

Arbeiten Hand in Hand gegen die schlechte Luft und die Verkehrsbelastung in Innenstädten: Frank Schmähling (Vorstand Memo) und Karolin Zientarsky (Geschäftsführung Radboten).
Foto: Johannes Kiefer | Arbeiten Hand in Hand gegen die schlechte Luft und die Verkehrsbelastung in Innenstädten: Frank Schmähling (Vorstand Memo) und Karolin Zientarsky (Geschäftsführung Radboten).

Professor Ulrich Müller-Steinfahrt von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) hatte für den Green City Plan Würzburg ein Teilkonzept entworfen. Dabei wurden Maßnahmen herausgearbeitet, die in Würzburg besonders gute Effekte haben könnten.

Memo verwirklicht Klimapaket Würzburg

Vor allem die Einrichtung sogenannter Micro-Hubs sei für Würzburg interessant, so Müller-Steinfahrt. Micro-Hubs sind Bündelungspunkte, zu denen die Ware mit Elektrofahrzeugen gebracht wird. Von dort aus werden die Produkte mit Elektro-Lastenrädern zu den Kunden transportiert.

Kampf gegen Klimawandel: Warum die Firma Memo nicht wartet

Ein Unternehmen aus Greußenheim (Lkr. Würzburg) will aber nicht warten, bis sich die Maßnahmen der Stadt konkretisieren und geht mit gutem Beispiel voran: der Versandhändler Memo, der Bürobedarf und Alltagsartikel anbietet. Memo hat für die letzte Meile, also den Weg des Produkts zur Haustür des Kunden, eine Kampagne mit dem Namen „Klimapaket Würzburg“ entwickelt.

Memo kooperiert mit den Radboten

„Das Klimapaket der Bundesregierung ist derzeit in aller Munde und wird sehr kontrovers diskutiert. Wir nehmen das Wort auf und interpretieren es auf unsere Weise“, erklärt Vorstandsmitglied Frank Schmähling.

Das bedeutet konkret: Seit diesem Sommer werden die Pakete mit einem Elektrofahrzeug, das mit Ökostrom aufgeladen wird, nach Würzburg gebracht. Die Waren werden dann mit Elektro-Lastenrädern zu den Kunden transportiert. Dafür kooperiert Memo mit den Radboten – einem Würzburger Fahrradkurier-Unternehmen.

Same-Day-Lieferung in Würzburg

Die Waren werden in alle Würzburger Stadtteile gebracht, ausgenommen sind die jene mit der Postleitzahl 97084. Darunter fallen unter anderem die Stadtteile Heuchelhof und Rottenbauer. Sie seien für die Radboten zu weit weg, hieß es.

Die Kunden können sich für eine Same Day-Lieferung entscheiden. Geht die Bestellung vor elf Uhr ein, werden die Pakete am selben Tag ausgeliefert.

„Als Versandhändler sind wir Teil des Problems und stellen uns mit dieser Maßnahme unserer Verantwortung, indem wir in Eigeninitiative schnell handeln“, so Schmähling. Eine Maßnahme, die Memo vor logistische Herausforderungen stellt: Für die Same-Day-Lieferung sei eine Mitarbeiterin abgestellt worden, die die Aufträge aus dem System zieht. Es ist zudem eine Herausforderung, Lastenfahrräder zu finden, die auch Steigungen überwinden können, sagt Professor Ulrich Müller-Steinfahrt.

Lastenfahrräder haben nicht nur ökologische Vorteile

Müller-Steinfahrt und eine Studierendengruppe der FHWS haben für das Projekt mit Memo zusammengearbeitet. Sie entwickelten für Memo das Belieferungskonzept der letzten Meile. Dafür wurde überlegt, wie ein Lastenrad optimal ausgelastet sein kann und wo die Micro-Hubs in Würzburg entstehen können. „Es waren viele Datenanalysen, Vor-Ort-Begehungen, Messebesuche und Gespräche mit Lastenradherstellern“, so Müller-Steinfahrt.

Mit dem „Klimapaket Würzburg“ garantiert Memo laut Schmähling eine emissionsfreie Lieferung der Produkte. Karolin Zientarski, Mitgründerin der Radboten, sieht nicht nur den ökologischen Vorteil: „Es gibt Bereiche in der Stadt, in denen man bestimmte Genehmigungen braucht. Mit dem Fahrrad fährt man einfach rein.“ Staus oder Straßensperrungen seien für die Radboten irrelevant. Zudem behindere das Lastenrad den Verkehrsfluss nicht, da es nicht in zweiter Reihe geparkt werden muss.

In Berlin kommt das Projekt gut an

Pro Tag verschickt Memo derzeit zwölf bis 15 Pakete nach Würzburg. In anderen deutschen Städten ist das Unternehmen schon früher auf Radlogistik umgestiegen. Besonders gut angelaufen sei das Projekt in Berlin, sagt Schmähling: Über 30 000 Pakete wurden seit 2016 per Lastenrad zugestellt. Das Thema Nachhaltigkeit sei schon von Anfang an für Memo wichtig gewesen. „Die Prozesse der Zustellung sind ein Teil der Nachhaltigkeit. Wir wollen das so gut wie möglich machen“, so Schmähling.

Bei den Würzburger Kunden komme das Projekt sehr gut an, sagt Karolin Zientarski, die selbst als Fahrradkurierin tätig ist. „Meistens können die Kunden nicht glauben, dass wir tatsächlich mit dem Fahrrad geliefert haben.“

Für die Luftqualität in Würzburg habe das Projekt von Memo aber keine spürbaren Auswirkungen, so Professor Müller-Steinfahrt. „Wenn wir aber so argumentieren, dass der Effekt ein nicht so großer ist, dann bewegt sich gar nichts.“

Effekte des Memo-Projekts nicht spürbar

Wichtig ist laut Müller-Steinfahrt, dass es ein ganzheitliches Konzept für die Innenstadt gebe. Aufgrund von Budgetknappheit seien einige Maßnahmen aus dem „Green City Plan Würzburg“ bisher noch nicht umgesetzt worden. „Ich freue mich deshalb, dass Memo gesagt hat: Wir machen es selbst.“

Bei den Radboten hat man das Gefühl, dass bei vielen Unternehmen ein Umdenken stattfindet. Karolin Zientarski freut sich über die Kooperation mit Memo. „Was nach außen gezeigt wird, steht auch dahinter, es ist keine Mogelpackung. Da fährt man gerne mal eine Extrarunde.“

Memo und Green City Plan
Die Memo AG wurde 1990 als Versandhaus für umweltverträgliche Büroartikel gegründet. Seit 2007 ist das Unternehmen klimaneutral. 2009 wurden die sogenannten Memo-Boxen entwickelt. Es handelt sich dabei um wiederverwendbare Boxen, deren Vorgänger die „Postbox“ war. Kunden können ihre Produkte aus der Box entnehmen, diese wird von den Fahrradkurieren direkt wieder mitgenommen. Dadurch wird Verpackungsmüll vermieden.
Der Green City Plan Würzburg wurde im Juli 2018 beschlossen. Beteiligt waren lokale Experten, Wissenschaftler und die Bevölkerung. Der Plan war die Grundlage für das Aktionsprogramm „sauber mobil“, mit dem eine nachhaltige Verkehrswende so schnell wie möglich fortgesetzt werden soll. Würzburg ist durch den Green City Plan auch Teil eines Förderprogramms der Bundesregierung geworden. Für 67 Kommunen werden bis Ende 2020 eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Greußenheim
Würzburg
Nathalie Metzel
Fahrräder
Feinstaub
Hochschule für angewandte Wissenschaften
Internetshops
Klimawandel
Kunden
Professoren
Straßenverkehr
Umweltverträglichkeit
Unternehmen
Verpackungsmüll
Versandhäuser
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Rani
    Man kann MEMOLIFE zu der eingeschlagenen Richtung nur beglückwünschen! Wenn man auf dem Land lebt, ist man gezwungen, manches online zu bestellen. Da ist ein Unternehmen wie MEMO sicherlich die bessere Wahl, verglichen mit dem Giganten AMAZON, der seine Mitarbeiter ausbeutet, die Umwelt schädigt und in Deutschland nicht mal Steuern zahlt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • mausschanze
    Sie sind für die Kommentarfunktion gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • flyarcus@gmx.de
    was ist an einer online-Bestellung denn so schlimm? soll ich jedes mal irgendwo hinfahren, Parkplatz suchen, mich mit unqualifiziertem Verkaufspersonal rumärgern? Da fahren anstatt tausende PKW eben nur ein paar Limolaster, ist doch schon optimiert! Natürlich kann man die Post auch mit dem Rädle ausfahren, aber das macht doch schon die Post, was ist also neu und toll?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • TLW-tu_W
    Mementomori, jedes 6. Paket geht zurück zum Händler.
    Bei Kleidung liegt die Quote bei 50%

    ~4% der Retouren werden vernichtet.

    Was ist daran optimiert den Verbrennungsmotor alle 10 Meter an und ab zu schalten?
    Was ist daran optimiert in 2. Reihe oder auf Radwegen zu parken und so den Verkehr zu behindern?
    Was ist daran optimiert, dass sich in jedem Paket ~50% Luft befindet?
    Vom Verpackungsmüll der dabei anfällt noch nicht mal angefangen...

    https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/amazon-zalando-otto-die-retouren-republik-deutschland-a-1271975.html
    https://apps.derstandard.de/privacywall/story/2000112021326/warum-in-paketen-so-viel-luft-und-fuellmaterial-ist
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • 1958kosb
    Und was ist dran optimal wenn die 150 Packet einzeln von jedem Kunden persönlich eingekauft werden (mit Auto wenn es nötig ist).
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • jebusara@web.de
    Seltsam, dass man Online-Käufe immer mit Bequemlichkeit gleichsetzt. Dabei ist es auf dem Land oftmals die einzige Möglichkeit an das zu kommen was man benötigt. Nein, nicht weil man keine Einkäufe vor Ort erledigte und daher Läden schliessen mussten sondern weil es vor Ort und im Umkreis gar keine Geschäfte gab die entsprechendes anboten. Wenn man selbst 50 km fahren muss um etwas Auswahl zu haben nur um festzustellen, dass das gewünschte gar nicht da ist und allenfalls bestellt werden kann.... nun, bestellen kann man selbst! Ohne noch einmal den Weg auf sich nehmen zu müssen. Sogar ohne event. eine Transportmöglichkeit finden zu müssen denn auch das Großgerät wird ins Haus geliefert!

    Übrigens gab es Fahrradboten schon vor vielen Jahrzehnten, die Idee mit der Auslieferung per Rad ist also nicht neu sondern wurde allenfalls wieder aufgegriffen. Allerdings hatten die Räder seinerzeit keine bequeme Akku-Unterstützung, die Fahrer mussten wirklich noch "in die Pedale treten".
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Doedi.wue
    Wer’s nicht im Kopf hat ,muß es heut zu Tage in den Beinen haben!!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • kej0018@aol.com
    @doedi

    Das lässt bei manchen Kommentatoren den Rückschluss auf immens dicke Beine zu...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • to-mu@gmx.net
    Finde ich sehr gut! Nicht immer warten, bis "die" was machen, sondern selbst anpacken. Ich wünsche dem Unternehmen viel Erfolg mit seiner Strategie und hoffentlich gibt es viele Nachahmer...

    Herr Professor Müller-Steinfahrt pringt es auf den Punkt: Wenn wir aber so argumentieren, dass der Effekt ein nicht so großer ist, dann bewegt sich gar nichts.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • matthiasr
    Wieviele Lastenräder es wohl braucht um einen LKW von Aldi in der Innenstadt zu ersetzen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • jhuller@gmx.de
    Ach, fährt der Aldi Laster direkt zu ihnen nach hause und liefert die bestellte Ware ab? Bei uns nicht, muss ich mich mal beschweren ...

    Im Ernst: hier geht es un die Lieferung an die Haustür direkt zum Verbraucher, nicht die Beschickung eine Marktes.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten