Er kommt fast pünktlich, hat für einen Prominenten viel Zeit - und den linken Fuß in Gips: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stellte am Donnerstagnachmittag an der Würzburger Universität seine runderneuerte "Industriestrategie 2030" vor, die eine aktivere Rolle des Staates fordert und für deren Urfassung er vor Monaten noch Kritik hatte einstecken müssen.
Dieses Papier rückt jedoch gleich zu Beginn in den Hintergrund. Es geht natürlich erst einmal um den politischen Wirbel in Thüringen. Altmaier ist im Übrigen heil auf und vor allem wieder heil von der kleinen Empore im Audimax gekommen. Sein Sturz von einer Bühne im Oktober im Dortmund ist irgendwie noch allgegenwärtig.
Warum Altmaier den Fuß in einem Spezialschuh hatte
Der Spezialschuh an seinem linken Fuß habe damit nichts zu tun, sagt der 61-Jährige am Rande des Treffens in Würzburg. Es sei die Folge einer Infektion, die er noch bis Ende Februar ausheilen müsse.
Vor eineinhalb Jahren hatte der Würzburger Volkswirtschaftler und Ex-Wirtschaftsweise Peter Bofinger den Besuch des Ministers eingefädelt. In der Vergangenheit waren im Rahmen von Bofingers Veranstaltungsreihe "International Economic Policy Lecture" schon Politgrößen wie Sigmar Gabriel nach Würzburg gekommen. Hemdsärmlig präsentiert sich Altmaier am Donnerstag und lässt sich am Ende gar extra nochmal einen der Fragesteller unter den 400 Zuhörern zu sich kommen, um mit ihm weiterzudiskutieren.
Welche Rolle der Wirbel in Thüringen spielte
Mehr Zeit als bei solchen Stippvisiten üblich hatte der Saarländer wohl schon deshalb, weil sein Ministerium am Vormittag eine Konferenz zum Thema Nachhaltigkeit in Erfurt abgesagt hatte. Grund war der Wirbel um die Wahl des thüringischen Minsterpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP). Er war als Gast der Konferenz angekündigt gewesen.
"Ich bin ein großer Demokrat", sagt Altmaier über Altmaier. Aber es dürfe nicht sein, dass Populisten die Politik beeinflussen wie in Thüringen. Kräftiger Applaus.
Über was Altmaier sonst so sprach
Was folgt, ist ein Querflug durch so ziemlich alle fundamentalen Wirtschaftsthemen dieser Tage: Digitalisierung samt Künstlicher Intelligenz, Energiewende von Kohleausstieg bis Windkraft, Klimaschutz inklusive Greta Thunberg und Mobilität von morgen.
Freilich ist das nicht alles, was die Studenten und Professoren im großen Hörsaal der Uni wissen wollen. In einem Chatroom können digital Fragen an Altmaier gestellt werden. Und da geht es dann auch darum, ob er als Saarländer stolz sei auf den DFB-Pokal-Sieg des 1. FC Saarbrücken am Mittwoch gegen den Karlsruher SC, was seine Lieblingsbiersorte sei und ob er die Fahrt nach Würzburg mit der Bahn gemacht habe. Hatte er nicht. Aber, ja, auf den 1.FC Saarbrücken sei er natürlich stolz.
Und dann der Lapsus mit der Anrede
Stolz will der Bundeswirtschaftsminister in seiner knapp 45 Minuten dauernden Rede auch erzeugen mit Blick darauf, dass Deutschland wirtschaftlich (noch) gut dastehe. Und was in diesem Land schon alles erreicht worden sei.
Davon vielleicht sehr beeindruckt spricht ein Student Altmaier später in der Fragerunde mit "Guten Tag, Herr Bundespräsident" an. "Noch nicht", schmunzelt der Wirtschaftsminister zurück.
Wie Altmaier über Unternehmer denkt
Unternehmer in Deutschland bilden aus, schaffen Jobs und seien deswegen "Menschen, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht haben". Oder: Klimaschutz dürfe unseren Wohlstand nicht gefährden - es gehe also um Umwelt und Wohlstand, Betonung auf "und". Und schließlich: "Ja", die Bundesregierung werde auf jeden Fall am Atomausstieg festhalten. "Wir sollten dieses Fass nicht wieder aufmachen." Kurzum: Altmaier ist in Würzburg um klare Aussagen bemüht.
Auch beim Thema Mobilität von morgen: Wasserstoff sei als Treibstoff eine Option von mehreren. "Jede Technologie soll eine Chance haben." Ein Student geht mit Altmaier hart ins Gericht: Er habe den Einsatz von Erneuerbarer Energie in Deutschland abgewürgt, wirft er dem ehemaligen Bundesumweltminister vor.
Nein, das stimme nicht, gibt Altmaier zurück. Schließlich sei unter seiner Mitwirkung seit 2012 der Anteil von Öko-Energie von 21 auf 43 Prozent gestiegen. Und überhaupt "freue ich mich über jeden jungen Menschen, der sich engagiert": Das war nach ziemlich genau zwei Stunden an der Uni Würzburg Altmaiers Brücke zur Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future um die schwedische Aktivistin Greta Thunberg. Der Schlussapplaus war ihm gewiss.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels war zu lesen gewesen, dass Minister Altmaier in Würzburg gesagt habe, die Röntgenstrahlen seien erfunden - und nicht entdeckt - worden. Das stimmt nicht, deswegen wurde der Artikel entsprechend aktualisiert. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.