Der Alptraum geht weiter: Die Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens Berlin-Brandenburg – mit der internationalen Bezeichnung BER – wird wieder einmal verschoben. Am Sonntagabend sickerte diese Hiobsbotschaft durch, die einen Tag später dann Gewissheit wurde. Der 27. Oktober 2013 als Eröffnungstermin für den Hauptstadtflughafen in Schönefeld bei Berlin ist nicht zu halten.
Ein neues Datum nannte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) „aufgrund der Erfahrungen“ am Montag nicht. Dafür verkündete er eine Personalrochade, mit der niemand gerechnet hatte: Er, Wowereit, gibt sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft ab. Nachfolger soll sein bisheriger Stellvertreter und Parteikollege Matthias Platzeck werden, der brandenburgische Ministerpräsident. Das sei „kein Taschenspielertrick“, beteuerte Wowereit. „Wir stehen gemeinsam in der Verantwortung und sind mit Brandenburg in allen strategischen Fragen einig.“
Doch was der Wechsel an der Spitze des Kontrollgremiums bringen soll, konnte Wowereit nicht recht erklären: „Ich denke, dass es gut ist, deutlich zu machen, dass auch andere Gesellschafter Verantwortung tragen.“ Derjenige, der für die Berliner Flughäfen die Verantwortung trägt, wird dies wohl bald nicht mehr tun: Rainer Schwarz, Sprecher der Geschäftsführung, dürfte auf einer Sondersitzung des Aufsichtsrates am 16. Januar seines Postens enthoben werden. Technik-Geschäftsführer Manfred Körtgen war bei der vorvergangenen Terminverschiebung im Mai gefeuert worden. Sein Nachfolger Horst Amann, als Hoffnungsträger vom Frankfurter Flughafen abgeworben, hat jetzt auch seine ersten Schrammen in der Flughafenkrise abbekommen. Noch am 13. November hatte Amann nach Analyse der Lage festgestellt: „Der Eröffnungstermin 27. Oktober 2013 steht, er ist aber kein Selbstläufer.“ Für die Bauprobleme mit der Brandschutzanlage gebe es Lösungen. Jetzt zeigt sich, dass es diese Lösungen zwar gibt, sie aber noch mehr Zeit brauchen.
Als „Farce“ und „Placebo der Verantwortungslosigkeit“ geißelt die Opposition umgehend den Wechsel von Wowereit zu Platzeck als Konsequenz aus dem sich seit zwei Jahren hinziehenden Flughafen-Hickhack. „Strukturelle Veränderungen in der Flughafengesellschaft und ein Gewinn an Glaubwürdigkeit für die Politik sind so in weite Ferne gerückt“, kritisierte der Pirat Martin Delius. Die Grünen werteten den Rücktritt als „ein arg verspätetes Schuldeingeständnis“.
Anders als Wowereit und die Hauptstadt-SPD sind Platzeck und seine SPD bisher erstaunlich ungerupft aus allen Flughafen-Unbilden herausgekommen. In Umfragen liegt die Partei bei 36 Prozent, wäre am nächsten Sonntag Landtagswahl. Der populäre 59 Jahre alte Regierungschef von Brandenburg genoss zuletzt eine Zustimmung von 67 Prozent. Wowereit musste dagegen einen demütigenden Popularitätsverlust hinnehmen. Vom lange beliebtesten Politiker in Berlin sackte er auf die hinteren Plätze.
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat angesichts der Verzögerungen beim Hauptstadtflughafen einen Experten als Aufsichtsratsvorsitzenden der Betreibergesellschaft verlangt. „Mit einer Weitergabe des Vorsitzes von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit an Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck wird der Bock zum Gärtner gemacht“, sagte BdSt-Präsident Reiner Holznagel.
Das Berliner Abgeordnetenhaus trifft sich an diesem Donnerstag zu einer Sondersitzung zum Flughafen-Debakel. Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) gab dem Antrag der Opposition statt, teilten die CDU- und die Grünen-Fraktion mit. Als einziger Punkt steht eine Aktuelle Stunde zum Thema „Erneute Verschiebung der Flughafen-Eröffnung“ auf der Tagesordnung. Die Grünen-Fraktion will einen Misstrauensantrag gegen Wowereit einbringen.