Die Baustelle ruht. Seit Monaten herrscht auf dem Areal des neuen Berliner Großflughafens gespenstische Stille. Wo eigentlich seit dem 3. Juni der Puls der Hauptstadt schlagen, täglich Hunderte Maschinen starten und landen und Zehntausende Passagiere für Flüge in alle Welt abgefertigt werden sollten, geht nichts voran. Insofern kommt das Eingeständnis der Betreibergesellschaft, dass auch der für Oktober geplante Termin nicht zu halten ist und die Eröffnung zum mittlerweile fünften Male verschoben werden muss, nicht wirklich überraschend. Angesichts der Fülle an Baumängeln und der Komplexität der technischen Probleme, die noch immer nicht beseitigt sind, war der Eröffnungstermin Oktober von Anfang an wenig realistisch.
Die unendliche Pannengeschichte des Berliner Großflughafens ist somit um ein Kapitel reicher – und ein Ende ist nicht in Sicht. Das Desaster hat längst die Verantwortlichen der Flughafengesellschaft um deren Chef Rainer Schwarz sowie die Regierungschefs von Berlin und Brandenburg, Klaus Wowereit und Matthias Platzeck, erfasst, die zusammen mit dem Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Rainer Bomba, an der Spitze des Aufsichtsrates stehen. Ihr Ansehen ist schwer beschädigt. Ihr Krisenmanagement ist ein Desaster, die scheibchenweise Bekanntgabe der Verschiebungen erschüttert ihre Glaubwürdigkeit, die Kosten laufen aus dem Ruder, drohen die ohnehin völlig überschuldete Hauptstadt und die strukturschwache Mark Brandenburg zu überfordern. Schon jetzt haben sich die Kosten auf 4,3 Milliarden Euro verdoppelt, Experten schätzen, dass noch einmal eine Milliarde Euro benötigt wird, um das Projekt zu vollenden.
Der Berliner Großflughafen steht somit symbolhaft für die Hybris der Politik, die glaubte, ein derartiges Megaprojekt billiger und schneller verwirklichen zu können als ein privatwirtschaftlicher Baukonzern. Der Wahn begann, als Berlin und Brandenburg sowie der Bund ein Angebot eines privaten Investors als zu teuer ablehnten und sich selber zu Bauherren aufschwangen. Das konnte nicht gut gehen, zumal die Bauherren in ihrer Überheblichkeit davon ausgingen, dass die Genehmigungsbehörde, der Landkreis Dahme-Spreewald, es gar nicht wagen werde, trotz der Mängel beim Brandschutz die Betriebsgenehmigung zu verweigern. Welch ein Irrtum. Und nun kommt auch noch ans Licht, dass bei dem für die Sicherheit der Reisenden so wichtigen Brandschutz offenbar abweichend von der Baugenehmigung gebaut wurde – ein weiterer Skandal. Und keiner will's gewesen sein.
„Verantwortung wahrzunehmen bedeutet, die Dinge anzupacken“, sagte Wowereit in seiner Neujahrsansprache. Nun zieht er die Konsequenzen und tritt als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft zurück – um wenigstens seinen Job als Regierender Bürgermeister zu retten. Ein hilfloses Unterfangen, seine Zeit ist abgelaufen. Gleichwohl löst dies kein einziges Problem, zumal ausgerechnet sein bisheriger Stellvertreter Matthias Platzeck, der wie Wowereit und Ramsauer-Staatssekretär Bomba für die beispiellose Pannenserie steht, nun an die Spitze aufrückt. Und auch eine Entlassung des sichtlich überforderten Flughafenchefs Rainer Schwarz lässt den Flughafen keinen Tag früher fertig werden. Schwarz wäre nur ein Bauernopfer.
Der Berliner Großflughafen ist schon lange vor seiner Eröffnung ein weiteres Mahnmal besonderer Art für ambitionierte Großprojekte, die aus dem Ruder laufen und sich als kaum mehr beherrschbar erweisen.