Die Zahl ist dramatisch: 26 Millionen Menschen in der EU sind arbeitslos. Rezepte dagegen werden seit Monaten gesucht. László Andor, in Brüssel als Sozialkommissar tätig, glaubt, eines gefunden zu haben: die europäische Arbeitslosenversicherung. Inzwischen steht er nicht mehr alleine da. Auch der französische Finanzminister Pierre Moscovici unterstützt den Vorstoß, den Andor so beschreibt: „Alle Mitgliedstaaten zahlen einen Teil ihrer Einnahmen in einen Topf und bekommen je nach Höhe der Arbeitslosigkeit einen Anteil zurück. Eine gemeinsame Versicherung würde dem Währungsraum ein menschliches Gesicht verleihen.“
Doch die Idee ist weder neu noch originell: Seit rund zwei Jahren geistert der Vorschlag einer solchen zusätzlichen Sozialversicherung, deren jährliches Aufkommen auf rund 96 Milliarden Euro veranschlagt wird, durch die europäischen Gremien, wo er mit gleicher Regelmäßigkeit wieder ausgetreten wird. Zum einen, weil die Bundesregierung „erhebliche Bedenken“ dagegen vorbringt, wie es in einer Stellungnahme des Bundesarbeitsministeriums heißt. Zum anderen, weil auch Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsexperten sowie führende Gewerkschafter die Wirksamkeit anzweifeln. „Eine europäische Arbeitslosenversicherung brächte nur Ärger, da sie den Vorwurf auslöst: Da haben wir ja die Transferunion“, betonte beispielsweise Peter Bofinger von der Universität Würzburg, einer der fünf Mitglieder des Sachverständigenrates der Bundesregierung.
Vor allem der Blick auf die Details zeigt, wie schwer, wenn nicht gar unmöglich ein solcher Plan umzusetzen wäre. Ganz abgesehen davon, dass Deutschland alleine rund 30 Prozent des Aufkommens schultern müsste (wohlgemerkt zusätzlich zur eigenen Arbeitslosenversicherung), würden nach einer Berechnung des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wohl auch nur Malta und Irland profitieren. Alle übrigen Mitgliedstaaten (also zum Beispiel auch Griechenland und Spanien, wo die Quote der Arbeitsuchenden bei über 26 Prozent liegt) müssten einzahlen. Völlig unterschiedliche Regelungen in den Ländern hätte man anzugleichen: In Frankreich gibt es nach vier Monaten Arbeitslosengeld, in Griechenland nach zwölf Monaten – in Deutschland (Arbeitslosengeld I) sofort. In der Slowakei endet der Bezug nach sechs Monaten, in Belgien hat man jede Begrenzung fallen gelassen. So erhalten einige Langzeitarbeitslose in dem Beneluxland seit 20 Jahren staatliche Stütze. Das würde das Andor-Modell nicht ändern können. Der Kommissar denkt ohnehin nur an eine Art Sockelleistung von 40 Prozent des letzten Nettogehaltes, jede Regierung soll die Laufzeit und die Höhe verändern dürfen. Für einen deutschen Arbeitsuchenden gäbe es also nicht nur keine Verbesserung, er müsste auf dem Umweg über die Steuern sogar noch mehr für andere europäische Jobsuchende bezahlen.