Olaf Scholz ist nicht irgendwer in der SPD, sondern kennt die Partei wie kaum ein anderer. Vor allem aber weiß er, wie man Wahlen gewinnt, seit 2011 regiert er unangefochten in Hamburg.
Wenn er nach dem Desaster bei der Bundestagswahl seiner Partei „strukturelle Probleme“ attestiert, hat das Gewicht. Denn mit seiner Fundamentalkritik zielt Scholz auf niemanden Geringeren als den Parteichef und gescheiterten Kanzlerkandidaten Martin Schulz, da es ihm nicht gelungen ist, trotz des richtigen Themas Gerechtigkeit und trotz zahlreicher neuer Mitglieder die Wähler zu mobilisieren.
Vor allem aber hält Scholz nichts von einem Linksruck der SPD und einer wie auch immer gearteten Kapitalismuskritik, wie sie zuletzt der Parteivorsitzende gefordert hat. Stattdessen plädiert der Hamburger für einen pragmatischen Kurs, der ökonomisches Wachstum und soziale Gerechtigkeit verbinde. Das klingt nach mehr Helmut Schmidt und mehr Gerhard Schröder statt mehr Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht, nach mehr Markt statt mehr Staat.
Für viele gestandene Sozialdemokraten, die von einer gemeinsamen Opposition von SPD und Linkspartei gegen Jamaika träumen, ist das eine ungeheuerliche Provokation, weil für sie Erneuerung radikale Abkehr von der Agenda-Politik und mehr Umverteilung bedeutet.
Und doch hat Olaf Scholz schlicht die Geschichte auf seiner Seite. Erfolgreich war die SPD nur, wenn sie beides verband: ökonomischen Sachverstand und Eintreten für soziale Gerechtigkeit. Das eine geht nicht ohne das andere. Scholz hat recht: Die Zeit der Ausflüchte ist vorbei.