Im Fall der entführten und ermordeten 17-jährigen Anneli aus Sachsen werden heute weitere Details erwartet. Die Staatsanwaltschaft Dresden will das Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchung der Leiche mitteilen.
Diese war am Montagabend auf einen leerstehenden Hof in Lampersdorf bei Meißen gefunden worden. Am Dienstag hatten die Ermittler erklärt, dass es sich um die seit Tagen vermisste Unternehmertochter handelt.
Von der Obduktion erwarten sie sich auch Erkenntnisse über den genauen Todeszeitpunkt der Gymnasiastin. Bislang gehen Polizei und Staatsanwaltschaft davon aus, dass Anneli bereits am Freitag getötet wurde, einen Tag nach ihrer Entführung.
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Auch die Vernehmungen der beiden Tatverdächtigen gehen weiter. «Wir stehen ganz am Anfang der Ermittlungen», sagte Dresdens Polizeipräsident Dieter Kroll.
Markus B. hat Anneli vermutlich gekannt
Nein, Gesichter bringen sie nicht in Verbindung mit der Familie, die seit wenigen Wochen in Burgebrach wohnt. Die Wirtsfamilie im „Goldenen Hirsch“ kann sich nur erinnern, dass Familie B. vor vier Wochen einen Tisch bestellt hat. Nummer 13. Annelis Gesicht kennen Inge Butterhof (68) und ihre Töchter hingegen sehr genau. „Seit Sonntag sprechen wir über das Mädchen.“ Und jetzt soll Familie B. von Tisch 13 etwas mit der Entführung und Ermordung zu tun haben. „Unfassbar!“
Im „Goldenen Hirschen“ in der Ortsmitte des beschaulichen Marktes erfährt man Neuigkeiten zuerst. Nur die Nachricht vom Einsatz eines Sondereinsatzkommandos und der Kripo hielt man für Wichtigtuerei. Bis Dienstagmorgen Journalisten den „Goldenen Hirschen“ stürmten und Fragen stellten.
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Über Familie B. von Tisch 13 weiß man praktisch nichts. „Mir ist damals nur der Name aufgefallen“, sagt die 68-Jährige dem „Fränkischen Tag“ (Bamberg). Der fiel erneut auf, als die Journalisten ihn nannten. Familie B. – Vater, Mutter, zwei kleine Buben und die Schwiegermutter – haben vor wenigen Wochen ein schmuckes Haus bezogen.
Der Putz an dem ausladenden Bau fehlt noch. Die Jalousien sind geschlossen. Ein Citroën mit Meißner Kennzeichen steht auf einem der Stellplätze. Alles ruhig an diesem Dienstag. Ganz im Gegensatz zum Montagnachmittag.
Stefanie Leibach (22) aus der unmittelbaren Nachbarschaft war da zwar gerade bei ihrem Freund. Aber was die Eltern ihr berichteten, hat sie doch einigermaßen geschockt. Die Eltern schilderten ihr einen „Riesen-Aufruhr“. Der Nachbar wurde in Handschellen abgeführt, sein grauer BMW von der Polizei mitgenommen. „Der war ganz normal, hat immer gegrüßt, sich normal verhalten“, schildert die 22-Jährige. Aufgefallen sei ihr allerdings, „dass immer die Jalousien zu waren und die Kinder nur abends und für höchstens eine Stunde zum Spielen herausgekommen sind“.
Im Rathaus der knapp 7000 Einwohner großen Marktgemeinde ist die seit etwa drei Wochen hier lebende Familie ein unbeschriebenes Blatt. Tätig wurde die Verwaltung ihretwegen am Montag: Bei der Hausdurchsuchung musste eine Gemeinde-Mitarbeiterin dabei sein. Nichts, was einen gleich an ein Kapitalverbrechen denken lässt.
Diese Verbindung tat sich für Bürgermeister Johannes Maciejonczyk erst nach den zahlreichen Presse-Anrufen am Dienstagmorgen auf. „Wir sind alle betroffen“, sagt er. Nicht, weil Burgebrach damit in die Schlagzeilen kommt, sondern wegen der Tat an sich. Da sei es letztlich egal, woher die Täter kommen. Sein ganzes Mitgefühl gelte der Familie des Opfers. „Mir tut die Familie unsagbar leid“, bricht es auch aus Inge Butterhof heraus.
Das neue Haus – es hätte die neue Zukunft der Familie werden können. Doch jetzt steht Vater Markus B. (39) im Verdacht, etwas mit der Entführung und Tötung der 17-jährigen Anneli aus Dresden zu tun zu haben. Das neue Haus in Burgebrach – es war Schauplatz von Durchsuchung, Vernehmung, Festnahme. Auch die 58-jährige Schwiegermutter wurde vernommen. „Ich hatte keine Ahnung“, sagte sie dem „Nordbayerischen Kurier“ (Bayreuth). Ihr Schwiegersohn sei völlig unauffällig gewesen. Selbst als sie die Nachrichten über die Entführung im Radio gehört hatten, blieb er äußerlich völlig gelassen. Die ganze Familie sei von den Ereignissen völlig überrascht worden. Markus B. hat Anneli vermutlich vom Sehen gekannt.
Das sagt der leitende Kriminalbeamte Detlef Lenk bei einer Pressekonferenz in Dresden. Der Mann lebte bis vor kurzem in der Nachbarschaft von Anneli und ihrer Familie. Seine Frau wuchs in dem Dreiseithof auf, wo die Leiche gefunden wurde. Das Opfer, so Lenk, sei wohl nicht zufällig ausgewählt worden, die Täter hätten sich vor der Entführung bei Facebook über Anneli informiert. Auch hier herrscht Erschrecken. „Wir sind alle entsetzt“, sagt eine Nachbarin, die neben dem Hof im sächsischen Lampersdorf einen kleinen Luftballonladen betreibt.
Sie kannte auch die Familie von Markus B. flüchtig. „Ganz normale Nachbarn, nichts Auffälliges“, sagt sie. Bürgermeister Gerold Mann sagt, „wir stehen alle unter Schock, es ist für uns unfassbar, wir sind tief betroffen“. Die Menschen beschäftige dabei nur eine Frage: „Warum?“
Warum? Am vergangenen Donnerstag war B. in ein Dorf nahe Meißen gefahren. Dort sollte der Bauernhof seiner Schwiegermutter verkauft werden. Die Familie war nach Burgebrach gezogen, weil die Frau von Markus B. eine neue Arbeit gefunden hatte. Ein großer Schritt. Am vergangenen Donnerstag verschwand auch die 17-jährige Anneli. Spurlos.
Im Laufe der Ermittlungen führten die Spuren auf einen Bauernhof in einem Dorf bei Meißen. In einer großen Aktion wurde er durchsucht. Er gehörte der Schwiegermutter von B. Der Nachbar nannte der Polizei die neue Adresse der Schwiegermutter – und rief sie selbst an. Ihr Schwiegersohn wusste also Bescheid, dass am nächsten Morgen die Polizei vor seiner Türe stehen würde. „Das lass' ich mir nicht gefallen“, soll er gesagt haben. Er wollte seinen Anwalt einschalten. Als die Polizei dann vor dem Haus stand, öffnete er selbst die Tür, ließ sie herein. Der Koch soll hoch verschuldet sein. Aber das sei in der Familie kein Thema gewesen. Auch seine Beziehung zu einem 61-jährigen mutmaßlichen Komplizen, einem selbstständigen Händler, war nie ein Thema. „Ein Freund“, der sogar beim Umzug von Sachsen nach Oberfranken half.
Bei der Durchsuchung sollen auch DNA-Spuren des Mädchens gefunden worden sein. Die Polizei war mit einem Großaufgebot in Burgebrach, selbst ein Suchhund war vor Ort. Der Ehefrau des tatverdächtigen Markus B. gehe es schlecht, sagt die Schwiegermutter. Trotzdem ist sie arbeiten gegangen. Wie es weitergeht, weiß die Familie nicht.
Entführt und freigelassen
In Mainfranken sorgten zwei Entführungen in jüngster Zeit für Aufsehen: Eine Unternehmersgattin wurde im Januar 2013 beim Ausführen ihres Hundes verschleppt – und kurz darauf wieder freigelassen, nachdem ein Zeuge die Entführer am Tatort gesehen hatte. Und im Wald bei Würzburg wurde der entführte Sohn des Schrauben-Milliardärs Reinhold Würth gefesselt zurückgelassen – angeblich, ohne dass Lösegeld gezahlt wurde. Zwei Monate nach der Entführung Würths tappt die Polizei noch im Dunkeln. „Es konnten bislang keine Täter ermittelt werden“, sagt Thomas Hauburger von der Staatsanwaltschaft Gießen. Dabei waren nach der Entführung Mitte Juni im hessischen Schlitz mehr als 200 Hinweise eingegangen, von einer heißen Spur wollen die Ermittler nicht reden. Im Fall der entführten Würzburger Unternehmersgattin sind die Ermittlungsbehörden wesentlich weiter.
„Wir haben Anklage erhoben“, bestätigt Pressesprecherin Isabell Michels von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken auf Anfrage. Zwei Männer, die zu einer brutalen Bande von Einbrechern gehören sollen, sitzen dort in Haft.
In Würzburg sollen sie die Frau entführt, aber nach wenigen Minuten aus dem Auto geworfen haben, als die Sache schiefging. Die Täter sollen gedroht haben, die Frau zu erschießen. „Es soll geplant gewesen sein, mit der Geschädigten als Geisel in deren Wohnhaus einzudringen und sie und ihren Ehemann zu berauben“, sagt Isabell Michels. Und weiter: „Da die Beschuldigten auf dem Weg zum Wohnhaus der Geschädigten einem Zeugen begegneten, der auch bedroht worden sein soll, ließen sie von der weiteren Tatausführung ab.“