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Novartis zieht Impfstoffe zurück
Kontrolle bei der Abfüllung: Eine Novartis-Mitarbeiterin nimmt eine Impfstoffspritze in Augenschein – in diesem Fall eine H1N1-Ampulle.
Foto: Novartis | Kontrolle bei der Abfüllung: Eine Novartis-Mitarbeiterin nimmt eine Impfstoffspritze in Augenschein – in diesem Fall eine H1N1-Ampulle.
Von unserem Redaktionsmitglied Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:22 Uhr

Deutschlands oberste Impfbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut bei Frankfurt, hat am Donnerstagnachmittag Grippe-Impfstoffe des Schweizer Konzerns Novartis aus dem Verkehr gezogen. Es handelt sich um vier Chargen des Grippe-Impfstoffs Begripal und um eine Charge des Impfstoffs Fluad. Begripal und Fluad sind zwei der zehn Impfstoffe, die Bayerns Krankenkassen für bayerische Kassenpatienten zugelassen haben. Bei Begripal handelt es sich um jenen Grippe-Impfstoff, von dem der Hersteller Novartis für Bayern 1,9 Millionen Impfdosen herstellen soll. Wie berichtet, hat Novartis die Auslieferung der versprochenen Menge mehrfach verschoben.

Laut Paul-Ehrlich-Institut ist die Rücknahme einiger Novartis-Chargen als „Maßnahme der Risikovorsorge“ erfolgt. Die Maßnahme diene dem Schutz der Patienten vor möglichen Nebenwirkungen, die nach der Verabreichung von Impfstoffen, die Ausflockungen zeigten, innerhalb einiger Stunden auftreten könnten. Nach ihren Informationen „können nach Verabreichung der betroffenen Impfstoff-Chargen innerhalb weniger Stunden Unverträglichkeitsreaktionen auftreten“, teilte die Behörde mit. „Dies können allergische bis hin zu anaphylaktischen Reaktionen sein.“ Bei anaphylaktischen Reaktionen handelt es sich um Unverträglichkeitsreaktionen, die schlimmstenfalls zu Kreislaufversagen und zum Tod führen können.

Der ebenfalls von Novartis Vaccines in Marburg produzierte Impfstoff Optaflu sei, schreibt das Paul-Ehrlich-Institut, von der Rücknahme nicht betroffen. In Österreich ist gestern allerdings neben Fluad auch das Novartis-Produkt Optaflu aus dem Verkehr gezogen worden, wie eine Sprecherin der Österreichischen Apothekerkammer in Wien gegenüber dieser Zeitung bestätigt hat.

Bereits am Mittwoch hatte das italienische Gesundheitsministerium den Verkauf der Impfstoffe Begripal (das in Italien Agrippal heißt) und Fluad gestoppt. Laut Medienberichten sind in Italien in beiden Produkten Verklumpungen der Inhaltsstoffe aufgefallen; aus Gründen der Vorsicht hat das Ministerium deshalb die Bevölkerung aufgefordert, sich mit beiden Stoffen nicht mehr impfen zu lassen. Die Schweiz hat sich dem Verkaufsstopp angeschlossen; aus „Sicherheitsgründen“.

Von Ausflockungen betroffene Impfstoff-Chargen des Produkts Begripal sind offenbar auch nach Unterfranken gelangt. Der unterfränkische Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung, Dr. Christian Pfeiffer aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg), teilte am Donnerstagabend mit, dass seiner Kenntnis nach mindestens eine Apotheke aus der Region Begripal-Chargen zurückgerufen habe. Pfeiffer zeigte sich „erschüttert“ angesichts der neuerlichen Impfstoff-Probleme. „Die Kassen sind schuld am Schlamassel, aber Ärzte und Patienten müssen es ausbaden“, sagte Pfeiffer. Wie solle man als Arzt angesichts solcher Unwägbarkeiten noch guten Gewissens seine Patienten impfen?

„Wenn wir Ärzte frei entscheiden könnten, welche Produkte wir verimpfen, dann würden wir sicherlich nicht Produkte mit umstrittenen Inhaltsstoffen wählen“, sagte der Hausarzt Dr. Jochen Schmelz aus Helmstadt (Lkr. Würzburg). Er hat seinen Patienten empfohlen, sich wegen des Impfchaos bei den Krankenkassen zu beschweren.

Unterdessen haben bundesweit Deutschlands Apotheker eine sichere Versorgung der Bevölkerung mit Grippe-Impfstoffen gefordert. „Rabattverträge mit nur einem Hersteller sind bei den sensiblen Grippe-Impfstoffen aus heilberuflicher Sicht nicht vertretbar“, erklärte der Vorsitzende der Arzneimittelkommission, Martin Schulz.

 
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