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SCHWEINFURT
Ingo Zamperoni in Schweinfurt: Trump war der Zweitunbeliebteste
Mathias Wiedemann (links) moderierte Ingo Zamperonis Lesung in Schweinfurt.
Foto: M. Müller | Mathias Wiedemann (links) moderierte Ingo Zamperonis Lesung in Schweinfurt.
Julia Haug
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:02 Uhr

Der Gastgeber der US-Reality-Show „The Apprentice“ wird amerikanischer Präsident. Was vor vier Jahren noch unmöglich schien, ist Wirklichkeit geworden: Immobilien-Mogul und Fernsehgesicht Donald Trump hat den in den Vereinigten Staaten von Amerika wohl wichtigsten aller Beliebtheitswettbewerbe für sich entschieden. Das wird ihm gefallen, da ist sich Ingo Zamperoni sicher. Der Moderator der ARD-Tagesthemen vermutet aber auch: „Trump wollte gerne Präsident werden, aber Präsident sein wollte er nicht.“ Endlose Arbeitssitzungen seien nicht Trumps Sache. Mit der Attitüde eines Firmenbosses werde er auf Probleme stoßen. Zamperoni verbrachte zweimal drei Jahre als ARD-Korrespondent in Washington, seine Frau ist Amerikanerin.

Im Schweinfurter Celtis-Gymnasium las der 42-Jährige am Mittwoch aus seinem aktuellen Buch „Fremdes Land Amerika. Warum wir unser Verhältnis zu den USA neu bewerten müssen“. Im Gespräch mit Redakteur Mathias Wiedemann entwirrt er vor knapp 300 Zuhörern Gründe und Folgen für die USA und das amerikanische Verhältnis zu Deutschland. Rund 200 Eintrittskarten mehr hätte die veranstaltende Buchhandlung Vogel verkaufen können – Zamperonis Innenansichten der amerikanischen Gesellschaft sind gefragt.

US-Wahlsystem kennt nur Gewinner und Verlierer

Mit Trump als Wahlsieger hat auch Zamperoni nicht gerechnet: Noch kurz vor den Wahlen war er im Interview mit dieser Redaktion nahezu sicher gewesen, dass Hillary Clinton „die Nase vorn“ haben würde. Knapp daneben, das muss Zamperoni nun zugeben. Und doch hätte man es erahnen können: Im für die US-Wahl typischen Eins-gegen-Eins-Finale habe immer auch der Underdog eine reelle Chance. An Unbeliebtheit hätten sich die Demokratin Clinton und der unter Republikaner-Flagge laufende Trump zudem in nichts nachgestanden. „Man muss nicht schneller rennen können als der Bär, sondern nur schneller als der Mitwanderer.“

Das amerikanische Wahlrecht kennt nur Gewinner und Verlierer: Clinton hat rund zwei Millionen mehr Stimmen bekommen, trotzdem fehlten ihr am Ende Wahlmänner. „Clinton-Wähler in Florida hätten am Wahltag auch Golf spielen gehen können“, sagt Zamperoni. Ihre Minderheiten-Stimme ist verloren, weil Wahlmänner nach einem ungeschriebenen Gesetz nur für den Sieger des Bundesstaates abstimmen.

Charakteranalysen von Clinton und Trump spart Zamperoni in seinem Buch großteils aus, sie wären mit der Wahl zu bald überholt gewesen. Stattdessen erforscht der gebürtige Wiesbadener, dessen italienischer Vater zeitweise auch bei Fichtel & Sachs in Schweinfurt arbeitete, den Nährboden für das aktuelle amerikanische Klima. Ein Klima, das Zamperoni als zunehmend kompromisslos empfindet: Wenn es ein „Bully“, zu Deutsch ein „Rüpel“, wie Trump ins Weiße Haus schafft – wie kann er das seinen drei Kindern erklären?

Das Pendel schlug für Republikaner aus

Gründe für Trumps Sieg sieht Zamperoni viele: eine große Portion Protest gegen das Polit-Establishment, das Clinton verkörpert, ein wenig Rassismus gegen den schwarzen bald scheidenden Präsidenten, ebenso viel „Machismus und systemischer Sexismus“ gegen die einzige weibliche Wahlalternative Clinton. Und nicht zu vergessen das traditionell hin und her schwingende Pendel zwischen Demokraten und Republikanern. Nur selten war es einer Partei gelungen, eine dritte Amtszeit ins eigene Lager zu holen.

Von der Krankenversicherung Obama-Care bis zur legalisierten Homo-Ehe – zu weit war manchem das zunehmend liberale Klima unter Präsident Barack Obama gegangen. „Da hat sich was zusammengebraut“, beobachtet Zamperoni. Auch mancher aus der Familie seiner Frau hat für Trump gestimmt. Bezeichnend auch, was ihm ein Trump-Anhänger auf einer Wahlkampfveranstaltung sagte: „Ich will, dass Amerika wieder so wird wie in den 1960er Jahren, ein sicheres Land.“ Viele Amerikaner des Mittleren Westens empfänden den Wandel im Land zu ihrem Nachteil, würden das Rad des Fortschritts gern zurückdrehen. „Ich glaube aber, es wird viele Enttäuschte geben unter den Trump-Wählern.“

Trumps Anhänger nahmen ihn nicht wörtlich

Mit Trump ist ein Unberechenbarer ins Oval Office gewählt worden, ist Zamperoni überzeugt. Vielleicht deshalb auch Angela Merkels Hinweis auf gemeinsame Werte wie Menschenrechte in diplomatisch eher ungewöhnlicher Verbindung mit ihrer Gratulation. Wie das Verhältnis zwischen Trump und Kanzlerin Angela Merkel künftig ausfallen werde, will ein Besucher wissen. Angesichts gemeinsamer Aufgaben wie Terrorbekämpfung und Klimaschutz können „wir es uns nicht leisten, uns abzuwenden“. Trump verdiene eine Chance, auch wenn einige seiner Äußerungen im Wahlkampf damit nicht entschuldbar würden.

Wie ein belachter Bewerber Trump erst zum Kandidaten und schließlich zum Wahlsieger werden konnte? „Wir Medien haben Trump nie ernst genommen, aber immer wörtlich“, sagt Zamperoni. Trumps Anhänger machten es genau andersrum.

 
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