zurück
WASHINGTON
Zamperoni über die Schlammschlacht in den USA
Susanne Wiedemann
 |  aktualisiert: 12.11.2016 03:42 Uhr

Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni kennt Amerika gut. Er hat lange dort gelebt, ist mit einer Amerikanerin verheiratet, war USA-Korrespondent der ARD. Seine Beobachtungen hat er in einem Buch zusammengefasst: „Fremdes Land Amerika. Warum wir unser Verhältnis zu den USA neu bewerten müssen.“ Wir haben mit ihm kurz vor der Präsidentschaftswahl telefoniert.

Frage: Ich frage Sie lieber nicht, wer Ihrer Einschätzung nach der nächste Präsident der USA wird. Sie können das wahrscheinlich nicht mehr hören, oder?

Ingo Zamperoni: Ach, die Frage stelle ich mir auch jeden Tag. Das ist natürlich eine Frage, die einen umtreibt und uns hier seit anderthalb Jahren beschäftigt hat in Washington. Alles in allem habe ich den Eindruck, Hillary Clinton hat die Nase vorn. Und das wird sie bis ins Ziel schaffen.

Wie wirkt der Wahlkampf auf Sie? Es gibt Menschen, die von einem nie dagewesenen Tiefpunkt in der politischen Auseinandersetzung sprechen.

Zamperoni: Man hat schon mehrmals das Gefühl gehabt in diesem Wahlkampf, tiefer können die jetzt nicht mehr gehen. Da ist schon einiges an schmutziger Wäsche gewaschen worden. Das ist immer harter Wahlkampf hier in den USA, mit mehr Folklore und Politzirkus, als wir das hier in Deutschland gewohnt sind, im Guten wie im Schlechten. Aber man hatte gerade mit den Angriffen aus dem Trump-Lager „nasty women“, zum Beispiel, eine Stufe erreicht, die man vorher nicht hatte.

Inwieweit spielen die sozialen Medien eine Rolle bei dieser Verrohung? In ihrem Buch bezeichnen Sie die sozialen Netzwerke als Brandbeschleuniger der Spaltung.

Zamperoni: Donald Trump hat seinen Wahlkampf regelmäßig über Twitter begleitet und jeden Morgen irgendwas rausgehauen – und dann auf Reaktionen gewartet. Abgesehen davon schaffen die sozialen Medien Echo-Räume, wo man nur noch das geliefert bekommt, was man selber hören möchte. Und sich dann bestätigt und bekräftigt fühlt in vielfacher Hinsicht.

Wenn man gar nicht mehr darauf achtet, dass die andere Seite vielleicht auch gute Positionen hat und sich nur noch in seinen eigenen Überlegungen dreht und Fakten nur noch Auslegungssache sind, gefühlte Wahrheiten: Dann wird es schwer, einen Konsens zu finden, weil man nur noch starr seine eigenen Meinung vertreten will. Und das ist für eine Demokratie, wo es ja auch darum geht, Kompromisse zu schließen, gefährlich.

Das sieht man jetzt auch bei der AfD. Sehen Sie da einen allgemeinen Trend?

Zamperoni: Da gibt es durchaus Parallelen. Trump hat unheimlich viele Nicht-Wähler angesprochen. Es gibt Leute die sagen, endlich hat jemand mal meine Meinung. Viele Menschen, die sich von den Parteien nicht repräsentiert gefühlt haben, sagen jetzt: Gebe ich denen mal meine Stimme.

Ist Donald Trump also eine Zeiterscheinung?

Zamperoni: Ich glaube, Trump wäre vor acht Jahren nicht möglich gewesen. Aber jetzt hat er vorbereiteten Boden gefunden. Viele fühlen sich nicht mitgenommen. Oder sie erleben ihr Land nicht mehr so, wie es früher war. Es gibt viele Veränderungen in den USA. Die gibt es auch in Deutschland: Die Globalisierung, Arbeitsprozesse verändern sich. Wenn jemand kommt und mit lauter Stimme sagt: „Glaubt mir, ich kann das alles ändern, vertraut mir“ – dann ist das für viele reizvoll und sie folgen ihm. Da liegt auch die Gefahr: Einfachen Botschaften folgt man leichter. Das Problem ist aber: Es gibt keine einfachen Lösungen. Man muss die Dinge differenzierter betrachten.

Sind Sie froh, wenn das alles vorbei ist? Oder geht die Schlammschlacht dann erst richtig los?

Zamperoni: Es ist noch nicht vorbei, wenn die Wahl gelaufen ist, egal, wer gewinnt. Das Motto wird nicht sein: Schwamm drüber, jetzt müssen wir gemeinsam versuchen, klar zu kommen. Hillary Clinton ist unfassbar verhasst bei den Republikanern. Sollte sie gewinnen, wird es noch viel schwieriger als unter Obama, Brücken zu schlagen. Vielleicht setzt sich aber doch die Erkenntnis durch, dass reine Blockadehaltung nicht hilft. Aber dieses Gift-und Galle-Spucken auf beiden Seiten wird nicht so schnell vorbei sein. Die Ursachen dafür existieren ja weiter.

Egal, wie die Wahl ausgeht. Ist Amerika noch die maßgebende Größe in der Welt?

Zamperoni: Wir müssen nicht alles verstehen oder toll finden, was in den USA passiert. Aber wir können uns nicht wegdrehen und sagen „Mit Euch haben wir nichts mehr zu tun.“ Das können wir uns nicht leisten. Es gibt so viele Probleme auf dieser Welt, die man nur gemeinsam lösen kann. Da sind die USA nach wie vor eine maßgebende Nation. Der eigene Anspruch, die Polizei der Welt oder Weltmacht mit Führungsanspruch zu sein, ist bei der amerikanischen Bevölkerung nicht mehr so vorhanden. Da gibt es viele, die sagen: Kümmern wir uns erst mal um unsere eigenen Probleme.

Wie wichtig ist Amerika für Deutschland?

Zamperoni: Die sozialen Netzwerke kommen aus Amerika, unsere Daten liegen auf amerikanischen Servern. Allein, was alles in Silicon Valley entwickelt wird: Fahrerlose Autos zum Beispiel. Das wirkt sich alles auf uns aus. Generell passiert viel in den USA, was die Lebenswelt verändert: Die Amerikaner haben viel weniger Angst vor Innovation. Deswegen sollten wir gemeinsam gestalten und uns nicht abwenden.

Sie kennen Europa und Amerika. Was trennt uns?

Zamperoni: Wir versuchen mehr, den Blick auf die gesamte Welt zu behalten. Die Amerikaner sind aber für sich eine große Welt. Mit unterschiedlichen Klimazonen, mit allen möglichen gesellschaftlichen Formen. Die Staaten sind viel unabhängiger. Wir meinen, die Amerikaner zu kennen, aber sie sind uns doch in vielem fremd. Oder sehen Dinge anders. Das müssen wir halt akzeptieren.

Und was verbindet uns?

Zamperoni: Die Frage, wie wir mit den den Problemen dieser Welt gemeinsam umgehen. Terrorismus, Radikalisierung von Gesellschaften, zum Beispiel. Oder der Aspekt, wie sich die Arbeitswelt verändert, wenn wir alle immer älter werden und wie wir in der Zukunft miteinander leben. Diese Fragen stellen wir uns auf beiden Seiten des Atlantiks. Wenn wir gemeinsam eine Lösung finden, können wir voneinander lernen.

Und was ist typisch deutsch, typisch amerikanisch, aufs Fernsehen bezogen? ARD und ZDF mögen einem ja betulich vorkommen – aber im Vergleich dazu die unverhohlene Parteinahme von Fox News für die Republikaner ... da doch lieber betulich, oder?

Zamperoni: Amerikanisches Fernsehen, gerade die Nachrichtenkanäle haben eine unheimliche Schlagzahl. Das ist ein richtiges Impulsfeuerwerk. Kurze O-Töne, schnelle Schnitte. Die Nachrichtensender wollen vor allem eines: Dass man nicht abschaltet, den es geht ja auch ums Geschäft: Mehr Zuschauer gleich mehr Werbeeinnahmen. Das öffentlich-rechtliche System garantieret in Deutschland eine Unabhängikeit von politischen und wirtschaftlichen Einflüssen, die es so in den USA nicht gibt. Gemeinsam mit den privaten Anbietern gibt das bei uns eine gute Balance.

Jetzt noch ein Schluss-Satz. So was wie „möge der Bessere gewinnen,“ vielleicht.

Zamperoni: Stellt sich die Frage, bei was. . . Die Schluss-Satz-Diskussion finde ich spannend. Ich verstehe auch, dass Menschen eine gewisse Kontinuität mögen. Ich mache mir aber keinen Druck. Es wird sich was finden. Ulrich Wickert hat mir diese Woche eine Mail geschrieben: „Stressen Sie sich nicht, meinen Schluss-Satz habe ich erst nach Jahren gefunden.“ Und wenn nicht: auch kein Problem. Dann habe ich halt keinen.

Ingo Zamperoni spricht am am Mittwoch, 16. November auf Einladung der Buchhandlung Vogel in der Aula des Celtis-Gymnasiums in Schweinfurt mit Redakteur Mathias Wiedemann über sein Buch. Die Lesung ist ausverkauft.

Trump Campaigns In New Hampshire       -  Kontrahenten in einem schmutzigen Wahlkampf: Donald Trump und Hillary Clinton
Foto: M. Ngan/J. Samad, afp | Kontrahenten in einem schmutzigen Wahlkampf: Donald Trump und Hillary Clinton
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Susanne Wiedemann
ARD
Alternative für Deutschland
Barack Obama
Donald Trump
Hillary Clinton
Soziale Netzwerke
Twitter
US-Wahlkampf
Ulrich Wickert
ZDF
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen