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CHARLESTON
Hitzige Debatte übers Motiv des Amokläufers
Nine Dead After Church Shooting In Charleston       -  Trauer: Eine Mutter gedenkt mit ihrem Sohn vor der Kirche der Opfer des Amoklaufs mit neun Toten in Charleston.
Foto: Joe Raedle, Afp | Trauer: Eine Mutter gedenkt mit ihrem Sohn vor der Kirche der Opfer des Amoklaufs mit neun Toten in Charleston.
Dr. Jens Schmitz
Jens Schmitz
 |  aktualisiert: 16.11.2015 15:48 Uhr

Der 21-jährige Dylann R. aus dem US-Bundesstaat South Carolina hat Insidern zufolge gestanden, am Mittwoch in Charleston neun Kirchenbesucher erschossen zu haben; dabei verdichten sich die Indizien für ein rassistisches Motiv. Dennoch hat eine hitzige Debatte über die Interpretationshoheit begonnen: Konservative Kommentatoren versuchten, den Anschlag auf eine der wichtigsten afroamerikanischen Kirchen in eine Attacke aufs Christentum umzudeuten. Bürgerrechtler werfen Ermittlern und Medien vor, weiße Tatverdächtige bevorzugt zu behandeln.

Dylann R. war nach dem Hinweis einer Floristin am Donnerstag im benachbarten Bundesstaat North Carolina festgenommen und noch am selben Tag an den Ort des Amoklaufs zurückgeflogen worden. Am Freitagnachmittag (Ortszeit) sollte der 21-Jährige in Charleston dem Haftrichter vorgeführt werden. CNN berichtete unter Berufung auf Polizeibeamte, er habe inzwischen gestanden. Mehrere Medien zitierten derweil eine Cousine des Geistlichen Clementa Pinckney, der in der Schwarzenkirche Emanuel AME ums Leben kam. Unter Berufung auf Gespräche mit Überlebenden berichtete sie, der Schütze habe fünfmal nachgeladen und seinen Opfern gesagt: „Ihr vergewaltigt unsere Frauen, und ihr übernehmt unser Land. Und deshalb müsst ihr verschwinden.“

Auch sonst häufen sich Hinweise auf eine rassistische Grundeinstellung. Auf seinem mittlerweile gesperrten Facebook-Profil trug Dylann R. an seiner Jacke Flaggen der früheren Apartheidsregime Südafrika und Rhodesien (heute Zimbabwe). Sein Nummernschild zeigte eine Konföderiertenflagge.

Schlagabtausch über Vorurteile

Die Nachrichtenagentur AP zitierte einen Bekannten R.s, der erklärt, der junge Mann habe zuletzt unvermittelte Ausbrüche gehabt: „Er sagte, Schwarze seien dabei, die Welt zu übernehmen. Jemand müsse zugunsten der weißen Rasse etwas dagegen tun.“ CNN berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, R. habe einen Rassenkrieg anzetteln wollen. Konservative Beobachter vom rechten Fernsehsender Fox News bis zum republikanischen Präsidentschaftsbewerber Rick Santorum sahen in dem Anschlag zunächst dennoch einen „Anschlag aufs Christentum“, immerhin sei er in einer Kirche geschehen. Bürgerrechtler prangerten das umgehend als Versuch an, Weiße als Opfer darzustellen. Die Kirche Emanuel AME gilt als älteste und historisch bedeutendste Schwarzenkirche im amerikanischen Süden. Sie ist von zahlreichen anderen Gotteshäusern umgeben.

Der Umgang mit der Katastrophe hat einen offenen Schlagabtausch über Vorurteile ausgelöst. „Jede Woche werden unbewaffnete schwarze Männer getötet, während schwer bewaffnete weiße Männer immer lebend gefasst werden“, klagte die linke Lobbygruppe „Bipartisan Report“ über die Polizei. Und warum, so fragen zunehmend mehr Kritiker, werden weiße, nicht-muslimische Amokläufer auch dann nicht als Terroristen gebrandmarkt, wenn sie aus politischen Motiven handeln?

Seit 2001 wurden in den USA doppelt so viele Menschen von weißen Suprematisten getötet wie von muslimischen Extremisten. Auch Medien müssen sich zunehmend fragen lassen, warum sie die erste Gruppe meist als verwirrte Einzeltäter charakterisieren, ohne strukturelle Fragen zu erheben. Wo Muslime oder Schwarze Blutbäder anrichten, geht es schnell um die Religion oder die afroamerikanische Kultur als Ganzes.

Dylann R. wird als introvertierter junger Mann beschrieben, der die Schule nach der neunten Klasse abbrach und 2015 zweimal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war – wegen Drogenbesitzes und Verstoßes gegen das Hausverbot eines Einkaufszentrums.

Laxe Waffengesetze

Seine Pistole soll er im April legal erworben haben; South Carolina gehört zu den Bundesstaaten mit den laxesten Waffengesetzen. Präsident Barack Obama hatte schon am Donnerstag versucht, die Debatte darüber wiederzubeleben. In South Carolinas Hauptstadt Columbia sorgt auch das Kapitol für Streit, auf dem die gleiche Konföderiertenflagge weht, die an R.s Nummernschild prangte.

Fürsprecher sehen in ihr ein historisches Erbe, während Kritiker vor allem ein Symbol der Sklaverei erkennen. Die Gesetze des Bundesstaates untersagen eine Entfernung der Flagge vom Kapitol.

 
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