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DEUTSCHLAND
GEZ: Die Städte sehen rot
Als erste deutsche Stadt verweigert Köln die Zahlung an die GEZ, weil sie drastisch höhere Gebühren befürchtet. Auch in Mainfranken gibt es Ärger: So muss die Stadt Schweinfurt 150 Prozent mehr bezahlen. Auch regionale Unternehmen sind verunsichert.
Von unseren Redaktionsmitgliedern Michael Deppisch und Achim Muth
 |  aktualisiert: 30.01.2013 21:32 Uhr

Köln stoppt die Zahlung der Rundfunkgebühren. Die Stadtverwaltung stellt die Überweisungen vorläufig ein, weil sie zunächst mit enormem Aufwand ermitteln muss, für was und wen genau sie nach der neuen Regelung wie viel zu zahlen hat. Das bestätigte Stadtsprecherin Inge Schürmann am Mittwoch. Köln ist mit einer Million Einwohnern die viertgrößte Stadt Deutschlands nach Berlin, Hamburg und München. Die Neuregelung erweise sich als „bürokratischer Irrsinn“ für viele Kommunen, die mit einem deutlichen Anstieg der Zahlungen rechneten. Zu Jahresanfang 2013 ist die geräteabhängige Gebühr auf eine nun pauschale Abgabe umgestellt worden. Bislang zahlte Köln rund 80 000 Euro im Jahr, rechnet nun aber mit einer drastischen Erhöhung. Der Deutsche Städtetag und der Städte- und Gemeindebund hatten bereits Nachbesserungen verlangt. Das Thema müsse in der Rundfunkkommission und Ministerpräsidentenkonferenz erneut auf die Tagesordnung, um eine „gerechte Lösung zu suchen“.

Der Städtetag Nordrhein-Westfalen kritisierte, für die Kommunen könne von einer „pauschalen und einfachen“ Lösung keine Rede sein, seit auf eine Abgabe pro Dienststelle und Betriebsstätte umgestellt wurde. Nun müssen Kommunen ermitteln, was genau als Betriebsstätte gilt. Die Zahl der Beschäftigten und der städtischen Kraftfahrzeuge gehört zu den Faktoren, die bei der Gebührenhöhe mitberücksichtigt werden. Es gebe große Probleme mit der Berechnung, vielen drohten „exorbitante Steigerungen“, sagte ein Städtetagsprecher.

Zuvor hatte bereits der Bayerische Gemeindetag die neue GEZ-Regelung kritisiert und als „extremen Kostentreiber bei den bayerischen Gemeinde, Märkten und Städten“ bezeichnet, so Verbandssprecher Wilfried Schober. Auch in der Region Mainfranken ist die neue Gebührenordnung ein Thema in den Kommunen:

 

„Wir bauen auf die Intervention des Städtetages.“

Würzburgs Pressesprecher Christian Weiß

• Für die Stadt Schweinfurt hat die Änderung der bisherigen gerätebezogenen Rundfunkgebühr in den betriebsstättenbezogenen Beitrag ab 1. Januar eine erhebliche Steigerung zur Folge: Statt 600 Euro monatlich soll die Stadt nun 1500 Euro an die GEZ bezahlen – eine Steigerung um satte 150 Prozent. So weit wie Köln will Schweinfurt noch nicht gehen, aber einfach hinnehmen will man die neue Gebührenordnung auch nicht: Die Stadt will den neuen, viel höheren Rundfunkbeitrag nur „unter Vorbehalt“ überweisen, so Nicolas Lahovnik von der Pressestelle. Die Stadt Schweinfurt wolle den Ausgang der Klagen abwarten, die gegen die Beitragsberechnung und -höhe vor den Verfassungsgerichten anhängig sind.

• Auch in Würzburg ist eine deftige Erhöhung errechnet worden: Statt bislang 1850 Euro im Monat muss die Stadt künftig 3175 Euro an die GEZ zahlen. Allein für das Rathaus sind 179,80 Euro fällig, für die Stadtreiniger 800 Euro. Ein Stopp der Zahlung ist für die Domstadt jedoch kein Thema: Die Gebühr sei ja eine Art Steuer und als Kommune sei die Stadt zur Gesetzestreue verpflichtet. „Aber wir bauen auf die Intervention des Städtetages“, so Pressesprecher Christian Weiß auf Anfrage.

• In Bad Kissingen wird sich die Gebühr nahezu verdoppeln: Statt bislang 4000 Euro im Jahr muss die Stadtverwaltung künftig 7000 Euro zahlen.

• Die Stadt Haßfurt (Lkr. Haßberge) gibt sich abwartend: „Wir wurden angeschrieben, unsere Betriebsstätten mitzuteilen“, sagt Stephan Schneider von der Stadtverwaltung. Dem sei man nachgekommen. Bisher sei aber kein Gebührenbescheid gekommen. Schneiders Einschätzung: Da es nach Betriebsstätten gehe, werde es wohl teurer werden. Im vergangenen Jahr hatte die Stadt Haßfurt 780 Euro an die GEZ gezahlt.

• Andreas Dellert von der Verwaltungsgemeinschaft in Hofheim sagt: „Wir warten jetzt erst einmal ab, was der Gebührenbescheid bringt.“ Alle Betriebsstätten und Fahrzeuge wurden gemeldet, berichtet der Verwaltungsleiter. Seine persönliche Einschätzung: Als öffentliches Unternehmen sollte man sich an die Verpflichtungen halten, „die Privaten müssen dies ja auch tun“. Zumal es für Schulen eine Deckelung gebe. Die Stadt Hofheim hatte im vergangenen Jahr 300 Euro an die GEZ abgeführt. Die private Haushaltsabgabe liegt derzeit bei 17,98 Euro. Die Beispiele aus der Region zeigen, dass naturgemäß größere Städte mit vielen Betriebsstätten stärker belastet werden durch die neue GEZ-Gebührenordnung.

Stark betroffen seien auch Kommunen mit vielen Ortsteilen und dezentraler Verwaltung, so der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Bernd Jürgen Schneider: „Die im Januar eingeführte Regelung führt zu einer massiven Kostensteigerung und zu einem unnötigen bürokratischen Aufwand.“ Bergisch Gladbach (Nordrhein-Westfalen) etwa müsse statt bisher 2000 nun gut 20 000 Euro jährlich an die GEZ zahlen.

Laut Städtetag muss Düsseldorf mit 150 000 Euro rechnen statt bisher 25 000 Euro. Nach Medienberichten geht Duisburg von einer satten Verdopplung auf 100 000 Euro aus, Bielefeld gar von einer Verdreifachung auf 93 000 Euro. Als erste Großstadt hat nun Köln reagiert, auch wenn Sprecherin Inge Schürmann noch nicht weiß, welcher Betrag am Ende auf die Millionenstadt mit ihrer schwierigen Finanzlage zukommt. Sie geht aber von einer drastischen Steigerung aus. Jetzt wird „in Ruhe“ gerechnet. „Wir können es uns nicht leisten, ungeprüft Geld zu verpfeffern.“ Konkrete Beispiele der aktuellen Prüfung: „Ist der Friedhofsbagger relevant für die Abgabe? Was machen wir mit dem Container des Grünflächenamtes, ist das eine Betriebsstätte?“

Der Städtetag weiß, dass viele Kommunen verärgert sind. Zwar sei außer Köln bisher kein anderer Fall bekannt, in dem eine Kommune die Zahlung verweigere. „Aber das kann sich in der nächsten Zeit noch ändern“, sagte der Sprecher. Der Ärger sei auch deshalb so groß, weil die Kommunen es nicht mit einem einmaligen bürokratischen Kraftakt zu tun hätten, sondern jede Änderung in der Verwaltung eine Neuberechnung der Abgabe bedeute. Auch der Bund der Steuerzahler und der Deutsche Kulturrat hatten Front gegen die Abgabe gemacht.

Doch nicht nur bei den Kommunen wächst der Widerstand. Auch auf Seiten der Wirtschaft herrscht beim Thema Rundfunkbeitrag große Verunsicherung. „Die Anfragen bei uns steigen kontinuierlich“, heißt es beim unterfränkischen Einzelhandelsverband. So würden die Fragebögen, die die GEZ in diesen Tagen an die Betriebe schickt, „die Händler vielfach in Erstaunen versetzen“, sagt Geschäftsführer Volker Wedde. Mittlerweile hätten sich bereits etwa 70 Unternehmen bei ihm gemeldet, „und gewaltig Dampf abgelassen“. So richtig losgehen dürfte der Ärger aber erst, wenn in einigen Wochen die neuen Gebührenbescheide verschickt würden.

Die neue Regelung wird vor allem für Betriebe mit vielen Filialen richtig teuer. So teuer, dass der Drogerieriese Rossmann nun gegen den Rundfunkbeitrag klagen will. Gegenüber dieser Zeitung zählte Pressesprecher Stephan-Thomas Klose „die dicksten Brocken“ der künftigen GEZ-Rechnung auf. So soll man künftig alleine für die rund 1500 Verkaufsstellen über 160 000 Euro im Jahr an die frühere Gebührenzentrale überweisen. Hinzu kämen Beiträge für weitere Standorte, Läger und Fahrzeuge. Insgesamt kämen über 200 000 Euro zusammen – fünfmal so viel wie bisher.

Der Witz: In vielen Rossmann-Filialen stehen weder Radio, Fernseher noch Computer – doch das ist bei der neuen Regelung egal. Für den Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart mit ein Grund, warum er den neuen Rundfunkbeitrag für verfassungswidrig hält. In einem in dieser Woche bekannt gewordenen Gutachten argumentiert Degenhart auch damit, dass der neue Beitrag in Wahrheit eine Steuer darstelle – für die aber die Länder nicht zuständig seien. Beim Handelsverband Deutschland (HDE) in Berlin fühlt man sich von Degenharts Gutachten bestätigt. „Die Regelungen sind unausgewogen und belasten viele Handelsunternehmen in ungerechter Weise“, kritisiert HDE-Chef Stefan Gerth. Das sieht auch Volker Wedde so. „Viele Unternehmen werden für die GEZ tiefer in die Tasche greifen müssen.“

 

„Wir überweisen den Beitrag nur unter Vorbehalt.“

Nicolas Lahovnik von der Pressestelle der Stadt Schweinfurt

Doch nicht nur der Einzelhandel ist verärgert. Auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt sieht man die neue Regelung kritisch – und vermutet eine bewusst höhere Belastung der Wirtschaft. „Da die Rundfunkanstalten in den kommenden Jahren Einnahmeausfälle von zehn bis 15 Prozent im Bereich der privaten Haushalte erwarten“, meint IHK-Sprecher Radu Ferendino, „will man mit der Einbeziehung von Betriebsstätten und Kraftfahrzeugen offensichtlich zusätzliche Einnahmen aus dem Bereich der Wirtschaft generieren.“

Einnahmen, die auch aus dem unterfränkischen Handwerk kommen sollen. Doch hier, so Handwerkskammersprecher Daniel Röper, ließen sich noch keine eindeutigen Aussagen machen. Denn gerade im Handwerk gebe es doch relativ viele Kleinbetriebe mit weniger als acht Beschäftigten – und die profitieren sogar von der neuen Regelung. Denn sie zahlen nun den sogenannten Drittelbeitrag von knapp sechs Euro. Bislang musste so ein Betrieb voll zahlen.

Aber auch im Handwerk gibt es Filialunternehmen – etwa Bäcker. Eine Beispielrechnung des Bayerischen Handwerkstages zeigt die Auswirkung der neuen Beitragsstaffel. Zahlte eine Bäckerei mit acht Standorten, 20 Mitarbeitern und vier Fahrzeugen bisher im Jahr 276 Euro, ist es künftig mehr als dreimal so viel: nämlich 860 Euro.

Aber auch Autohändler müssen sich, warnt der Zentralverband des Kfz-Gewerbes, auf gesalzene GEZ-Rechnungen gefasst machen. Denn auf jeden Dienst-, Abschlepp- oder Vorführwagen auf dem Hof fällt künftig ein eigener Rundfunkbeitrag an. Mitarbeit: Fan/Lip/dix/ Mit Infos von dpa

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Verärgerung im Schweinfurter Rathaus: Die GEZ-Gebühr steigt um 150 Prozent.
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Bad Kissingen (im Bild der Regentenbau) muss künftig 7000 Euro zahlen.
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