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DRESDEN/WÜRZBURG
Ermittlungen nach KZ-Rede in Dresden
Kundgebungen zum Pediga-Jahrestag in Dresden       -  Pegida-Demonstranten haben am 19.10.2015 in Dresden (Sachsen) eine Deutschlandfahne ausgebreitet. Vor einem Jahr war Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) in Dresden erstmals auf die Straße gegangen.
Foto: Ralf Hirschberger (dpa) | Pegida-Demonstranten haben am 19.10.2015 in Dresden (Sachsen) eine Deutschlandfahne ausgebreitet. Vor einem Jahr war Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) in Dresden erstmals auf die ...
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:50 Uhr

Die Pegida-Kundgebung am vergangenen Montag in Dresden hat wohl ein juristisches Nachspiel. Konkret geht es um einen Satz von Hauptredner Akif Pirinçci: „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“, sagte der deutsch-türkische Autor.


„Wir ermitteln wegen des Verdachts der Volksverhetzung“, sagte Oberstaatsanwalt Lorenz Haase am Dienstag. Später sperrte die Verlagsgruppe Random House, wo Pirinçci unter anderem publizierte, dessen Bücher.

 

Medienrummel um den Würzburger Anwalt Chan-jo Jun. Er hat Facebook angezeigt, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Warum? Jun erklärt es uns.(Video: A. Jungbauer)

Posted by Main-Post on Dienstag, 20. Oktober 2015


Der Würzburger Rechtsanwalt Chan-jo Jun macht für den Anstieg von Hetze auch Facebook verantwortlich. Erst am Dienstag veröffentlichte die „Bild“-Zeitung auf einem zweiseitigen sogenannten „Pranger der Schande“ Hassbotschaften aus dem sozialen Netzwerk. Jun will die Aktion nicht bewerten, sagt: „Ich habe einen anderen Weg gewählt.“ Wie wir berichteten, hatte er im September Facebook wegen nicht gelöschter Hassbotschaften angezeigt. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen drei Facebook-Manager wegen vorsätzlicher Beihilfe zur Volksverhetzung Ermittlungen eingeleitet.

„Die Welt hat sich in den vergangenen Wochen verändert. Die Hetze ist mehr geworden und enthemmter“, sagt Jun. Selbst der Ruf nach Gaskammern sei „kein Tabu mehr“. Auch Tanja Wolf, Rechtsextremismusexpertin an der Uni Würzburg, spricht von einer neuen Eskalationsstufe, gerade bei Pegida: „Bislang hat man immer versucht, sich von Rechtsextremen zu distanzieren.“ Nun hätten die Demonstrationen eine neue Qualität angenommen.

Schon vergangene Woche hatte Pegida die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen, weil ein Teilnehmer mit einem Galgen – reserviert für Kanzlerin Angela Merkel und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel – demonstriert hatte. Der ermittelnde Staatsanwalt erhielt Morddrohungen. Das Wutpotenzial könnte bei Pegida weiter steigen, fürchtet Wolf. „Pegida geht jetzt seit einem Jahr auf die Straße, ohne dass sich aus deren Sicht etwas verbessert hat“, erklärt sie. Kein Wunder: Pegida „stellt unrealistische Ansprüche“ und „vereinfacht Probleme extrem“, so die Politikwissenschaftlerin. „Nun kommen die Flüchtlinge dazu, die offenbar für viele dieser Leute eine große Bedrohung darstellen.“

Der Flüchtlingsstrom spielt indes nicht nur Pegida in die Karten, sondern auch der AfD: Die Rechtskonservativen kommen in aktuellen Umfragen auf sieben Prozent. Zuletzt fiel die Partei mit dem Auftritt ihres thüringischen Landeschefs Björn Höcke in der ARD-Sendung „Günther Jauch“ auf. Seit Wochen organisiert Höcke in Erfurt Demonstrationen gegen die Flüchtlingspolitik. Auch hier lautet der Schlachtruf „Wir sind das Volk!“ – wie bei Pegida. „Das soll Legitimation schaffen“, so Wolf. Zuletzt kamen rund 8000 Menschen zu den Demos, auch unterfränkische AfD-Verbände rufen zur Teilnahme auf.

  • Akif Pirinçci im Steckbrief

In der Jauch-Sendung mit dem Titel „Pöbeln, hetzen, drohen – wird der Hass gesellschaftsfähig?“ wurden Ausschnitte aus Höcke-Reden in Erfurt gezeigt. Darin propagierte er „1000 Jahre Deutschland“ und schimpfte: „Die wenigen deutschen Kinder in Berlin sprechen Kanak Sprak.“ In der Sendung warnte er vor der Gefahr sexueller Übergriffe durch Ausländer auf „blonde Frauen“. Während der bayerische AfD-Landeschef Petr Bystron von einer „öffentlich-rechtlichen Inquisition“ spricht, sind die Aussagen Höckes laut Wolf „nicht mehr rechtspopulistisch“, sondern selbst für die AfD „sehr weit rechts“.

Auch im Netz fallen hier Hemmungen: Beiträge auf Facebook-Seiten von AfD und Pegida seien zuletzt „drastischer geworden“, so Anwalt Jun. Sorgen bereitet ihm die „offensichtliche zeitliche Abfolge: Hassparolen sind erst im Netz, dann auf der Straße und irgendwann folgt die Tat.“

 
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