
Dem Irrglauben, im Netzwerk Facebook menschenverachtende Parolen straffrei verbreiten zu dürfen, hat jetzt das Schöffengericht in Kitzingen eine deutliche Abfuhr erteilt: Es verurteilte einen 31-Jährigen zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, weil er im Netz mit Nazisprüchen der schlimmsten Art gegen Flüchtlinge, Ausländer, Juden und sogar die Bundesregierung hetzte und zu exzessiver Gewalt aufrief.
Es ist heftig, was der Staatsanwalt im Gericht verliest: Gut sechs Monate lange griff der Angeklagte in die unterste Schublade nationalsozialistischer Hass-Polemik („Alle ins KZ“), forderte zu Mord und Vernichtung alles Fremden auf: „Schlachten wir das ganze Pack ab.“ Selbst gegen Bundeskanzlerin Merkel und deren Führungsspitze stachelte der Arbeiter auf: „Bringt das Pack in Berlin um.“
Der Mann der hasserfüllten Sätze ist auf der Anklagebank ganz klein – und komplett geständig. „Das bin eigentlich nicht ich. Ich schäme mich dafür“, sagt er. Er sei damals finanziell am Ende gewesen und habe sich von Nazi-Parolen in Facebook und anderswo im Internet „mitreißen“ lassen.
Der Ausbruch von sprachlicher Gewalt ist das Ende einer Kette von Abstürzen und kriminellen Delikten des 31-Jährigen. Der Absturz beginnt, als der Angeklagte 18 ist und erfährt, dass sein angeblicher Vater nicht sein Erzeuger ist. Die „Lebenskrise“ habe ihn in den Alkohol, eine schwere Depression und die Entlassung aus dem Job zu einem Selbstmordversuch getrieben.
Weil er ständig harte Spirituosen samt Unmengen Bier in sich reinkippte und in rechtsradikalen Kreisen verkehrte, sammelte der 31-Jährige seit 2003 zehn Vorstrafen: Vom Fahren unter Alkohol, über unerlaubten Waffenbesitz und Sachbeschädigung war auch das Tragen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Hakenkreuzring) auf der Latte.
Nach unzähligen Therapien und häufigem Scheitern scheint der Angeklagte sich seit 2013 etwas gefangen zu haben. Er ist seitdem trocken, hat seit kurzem deswegen wieder einen Führerschein, eine Ehefrau und zusammen mit ihr auch Arbeit. Warum er aber genau in dieser Zeit des Sich-Fangens in Facebook dermaßen extrem ausrastete, ist dem Gericht unverständlich.
Die massiven Hasstiraden, die der Mann ein gutes halbes Jahr ins Netz stellte, seine zehn Vorstrafen – dabei zwei Haftstrafen auf Bewährung – ließen beim Staatsanwalt jeden Gedanken an Milde verblassen. Zwei Jahre und sechs Monate Haft, so seine Forderung.
Das „offene, ehrliche und umfassende Geständnis“ des 31-Jährigen hob dessen Verteidiger heraus. Der Angeklagte habe sich minderwertig gefühlt, sei in falsche Kreise geraten und habe sich einfach den „Frust von der Seele geschrieben“. Doch jetzt habe er sich gefangen, sei in einer festen Beziehung und weg vom Alkohol. Ein Gefängnisaufenthalt werde die positive Kehrtwende „gefährden“. Sein Antrag: eineinhalb Jahre auf Bewährung.
Die „menschenverachtenden“ Ausfälle des Angeklagten finden ihr Echo im Urteil des Schöffengerichts: eine Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Dass die ohne das Geständnis noch deutlich länger hätte werden können, macht Amtsrichter Bernhard Böhm deutlich. Eine derart massive Volksverhetzung, die Angst und Schrecken verbreite, und die Vielzahl von Vorstrafen machten eine Bewährungsstrafe unmöglich. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.