Rechnungen, Steuerbescheide, das Abschlusszeugnis, dazwischen die Ehrenurkunde aus der Grundschulzeit, die Glückwunschkarten zum letzten runden Geburtstag und ein herausgeschnittener Artikel aus der Fachzeitschrift: Im Laufe eines Lebens sammeln sich unzählige Papiere und Unterlagen an. Und meistens fühlt es sich so an, als würden sie alle gleichzeitig auf dem Schreibtisch liegen.
Unterlagen sinnvoll zu sortieren, zu strukturieren und auszumisten gehört für die wenigsten Menschen zur Lieblingstätigkeit. „Ordnung erspart jedoch Stress und Kosten“, erklärt Angelika Linhardt, Ordnungsexpertin beim Unternehmen Ordnungsservice.com. Die 56-Jährige ist verantwortlich für den Bereich Würzburg/Nürnberg und bietet Hausbesuche bei Menschen an, die Hilfe beim Ordnungmachen und Ordnunghalten brauchen. Unordnung, so Linhardt, raube Menschen Kraft und Energie. Und noch dazu verursache es oft hohe Kosten, zum Beispiel wenn man verschwundene Dokumente nachbestellen muss oder Mahnungen für Rechnungen anfallen.
Elmar S. (Name von der Redaktion geändert) ist einer ihrer Kunden. Er kennt das Problem. „Ich musste Unterlagen immer wieder neu ausstellen lassen“, erzählt der 55-Jährige. „Bei Rechnungen musste ich die Mahnung abwarten, weil ich das Original nicht mehr gefunden habe.“ Wie bei vielen Kunden von Angelika Linhardt zog sich die Unordnung bei ihm vom Keller über alle Zimmer bis hin zum Schreibtisch und Aktenschrank. „Bei vielen ist es ein generelles Strukturproblem“, erklärt Linhardt.
Der Schreibtisch als „Mikrokosmos“
Wenn sie zum Hausbesuch kommt, arbeitet sie sich mit ihren Kunden deshalb von Zimmer zu Zimmer vor. „Beim Aufräumen finden wir Unterlagen an allen möglichen Orten“, erzählt sie aus ihrem Berufsalltag. So auch bei Elmar S.: „Die Steuererklärung zu machen, war immer fürchterlich“, erinnert er sich. „Es war eine Suche nach Papieren und Belegen im ganzen Haus.“
Um der Papierflut Herr zu werden, hat die Ordnungsberaterin einige Tipps parat. „Zuerst ein ,Keine-Werbung‘-Schild auf den Briefkasten anbringen und die Post sofort sortieren.“ Sie rät außerdem dazu, Briefe entweder gleich zu öffnen oder sich einen festen Zeitpunkt am gleichen Tag einzuräumen, um die Post zu bearbeiten und zu sortieren.
Der Schreibtisch ist für sie der „Mikrokosmos“ der Wohnung, der zumindest in der Mitte immer frei bleiben sollte, um Lust zu machen, dort zu arbeiten. „Man kann zum Beispiel links einen Stapel bilden für die Sachen, die gleich zu erledigen sind und rechts einen für Zukünftiges“, schlägt sie vor. Wenn auf dem Schreibtisch erst einmal wieder Ordnung herrsche, käme auch wieder Kraft und Lust, um Unterlagen zu sortieren und abzuheften.
Als Ordnerstruktur schlägt sie eine Einteilung in Themen vor, wie „Haushaltskosten“ mit Abos, Mitgliedschaften, Telefonverträgen, Auto, Strom, Gas, Miete und GEZ, „Finanzen“ mit Bankunterlagen, Versicherungen und Rentenunterlagen, „Steuern“ mit der Sammlung aktueller Belege und „Gesundheit“ mit Arztunterlagen.
Weitere Ordner könnten „Rechnungen/Quittungen“ und „Beruf“ sein. Paare können einige Ordner zusammenlegen, sollten jedoch jeweils einen persönlichen Ordner mit Unterlagen zu den Themen Patientenverfügung, Vollmachten und Testament besitzen. Vor allem Senioren empfiehlt sie, einen Nachlassordner mit genau diesen Dokumenten anzulegen und eine Vertrauensperson dazu einzuweihen. „Wenn das erledigt ist, nimmt das viel Druck weg.“
Elmar S. hat einen solchen Ordner – damit im Fall der Fälle Rettungsdienst oder auch der Nachlassverwalter sofort Zugriff auf die wichtigsten Dokumente haben. „Ich habe zwar mehr mit dem Leben als mit dem Tod zu tun, aber es lohnt sich doch, darüber nachzudenken.“
Linhardt rät dazu, die Ordner farblich zu kennzeichnen und sinnvoll und übersichtlich zu unterteilen – und auch hier immer wieder auszusortieren. „Auch Wichtiges kann an Wichtigkeit verlieren“, gibt sie zu bedenken. Statt einen Ordner zu voll zu stopfen, empfiehlt sie, lieber einen neuen anzufangen. Gerade die jüngere Generation könne sich zudem überlegen, manche Papiere nur in digitaler Form aufzubewahren. „Das spart natürlich Stauraum.“ Privatpersonen seien zudem gesetzlich nicht dazu verpflichtet, Dokumente aufzubewahren (siehe Info-Kasten), empfehlenswert ist es jedoch durchaus.
Loslassen können
Angelika Linhardt ist manchmal selbst überrascht, wie viele Menschen Probleme mit Ordnung haben. „Gerade ältere Menschen können schwer loslassen“, weiß sie aus Erfahrung. Sie hat sogar erlebt, dass Menschen Prospekte sammeln, weil es ihnen um das Papier leidtut. Als Feng-Shui-Lehrerin sieht sie nicht nur das Chaos, sondern auch die Kraftlosigkeit, die das Horten von Dingen mit sich bringt. „Ich denke, viele Menschen stapeln bis zum Gehtnichtmehr und warten zu lange, bis sie sortieren“, bestätigt Elmar S. aus seiner eigenen Erfahrung. Aber laut Angelika Linhardt könne sich jeder antrainieren, wie er Ordnung hält, Unterlagen sortiert und den Überblick bewahrt.
Elmar S. trainiert gerade – und ist nach jeder gemeinsamen Entrümpelungsstunde mit Ordnungscoach Linhardt „hoch motiviert“. Stundenlang sortiert er danach weiter. Ein großes Thema steht noch an: die persönlichen Unterlagen wie Fotoalben, Briefe, Notizen, Urkunden. Die liegen bisher in beschrifteten Sammelboxen und warten auf den richtigen Zeitpunkt. „Das muss ich alleine machen“, sagt Elmar S. Nach der Anleitung von Angelika Linhardt fragt er sich dann: „Ist es nützlich? Und tut es mir gut?“ Und wenn nicht: weg damit.
Was muss man wie lange aufbewahren?
Eine gesetzliche Aufbewahrungsfrist gibt es für Privatpersonen – im Gegensatz zu Unternehmen, Institutionen und Freiberuflern – nur in einem Bereich: Handwerkerrechnungen müssen für die Vermeidung von Schwarzarbeit zwei volle Kalenderjahre aufgehoben werden. Für alle anderen Bereiche gibt es lediglich unverbindliche Empfehlungen. Im Einzelfall können Steuerberater, Banken und Anwälte beraten. Eine Übersicht, was man wie lange aufheben sollte: Ein (Arbeits-)Leben lang: • Dokumente aus dem Familienbuch: Geburtsurkunden aller Familienmitglieder, Sterbebeurkundung von Familienangehörigen und Eheschließungsbescheinigungen • Schulische Abschlusszeugnisse • Arbeitsverträge und Arbeitszeugnisse • gesundheitsrelevante Rechnungen, Diagnosen und Berichte • Fotografien und Belege für teure Anschaffungen – beispielsweise Schmuck – für den Fall eines Diebstahls
Fünf Jahre: • Steuerbescheide für eventuelle Anträge auf staatliche und soziale Leistungen • Handwerkerrechnungen für Gewährleistungsfälle Zwei Jahre: • Rechnungen und Kaufbelege; gegebenenfalls länger bei verlängerter Garantie durch den Hersteller • Kontoauszüge (die Bank speichert diese in der Regel sechs Jahre), Auszahlungs- und Auflösebestätigungen • Schadensabrechnungen von Versicherungen • Nebenkostenabrechnungen für den persönlichen Vergleich Nach Laufzeit: Viele Dokumente können dann entsorgt werden, wenn die Laufzeit zu Ende ist oder der dazugehörige Gegenstand nicht mehr existiert. Bis dahin sollten sie jedoch besser aufbewahrt werden: • Versicherungsunterlagen: Verträge, Änderungen, Korrespondenz bis zum Vertragsende oder Fälligkeitszeitpunkt • Finanzierungsunterlagen bei Immobilien bis zur Tilgung, Abschlussmitteilung und alle relevanten Rechnungen bis zum Wiederverkauf des Objekts • Belege von Wertanlagen wie Auto, Möbel und Einbauten so lange wie Wert vorhanden • Mietverträge bis zur Abwicklung der letzten Nebenkostenabrechnung • Abo-Unterlagen bis ein Jahr nach der bestätigten Kündigung Text: Schubert