Wenn Berge von ungeöffneten Briefen und unsortierte Unterlagen Teil einer Verschuldung sind, berät die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle der Christophorus-Gesellschaft Würzburg. Ihre Leiterin Nadia Fiedler, Fachanwältin für Sozialrecht, erklärt den Ansatz von Hilfe zur Selbsthilfe – und warum Briefe öffnen essenziell wichtig ist.
Nadia Fiedler: Eine sehr große! Viele Leute, die zu uns in die Beratung kommen, sind durch eine Lebenskrise wie Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Scheidung psychisch stark belastet. Wenn dann noch die finanzielle Belastung dazukommt, stecken viele den Kopf in den Sand. Sie wollen keine schlechten Nachrichten mehr sehen, öffnen keine Post mehr und reagieren nicht auf Mahnungen.
Fiedler: Wir versuchen, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Wir ermutigen, die Post wieder zu öffnen, weil damit der erste Schritt getan ist. Das Wichtigste ist, die Angst zu nehmen und aufzuklären, wann die Personen auf Post reagieren müssen. Und wir ermuntern sie, nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstehen. Mit der Zeit lernen sie, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen.
In Ausnahmefällen machen wir das auch mal gemeinsam und schauen, wo der Kunde reagieren muss oder zum Beispiel Einspruch erheben kann. Aber wir können den erzieherischen Bereich zeitlich einfach nicht abdecken, sondern nur Anregungen geben.
Fiedler: Ich empfehle, alles vorzusortieren in „ganz wichtig“, „weniger wichtig“ und „unwichtig“. Letztendlich ist es eine Frage der Selbstdisziplin. Wenn es jemand wirklich nicht selbst schafft, seine Unterlagen zu sortieren – zum Beispiel weil das bisher immer der Partner gemacht hat oder weil die Schulausbildung nicht reicht – dann sollte er sich nicht scheuen, Hilfe von Freunden oder aus der Familie zu holen.
Fiedler: Das Thema Unterlagen komplett aus der Hand zu geben, finde ich nicht sinnvoll. Man muss das selbstständig schaffen, sonst wächst einem in unerwarteten Situationen alles über den Kopf. Aber auch hier ist die Hilfe zur Selbsthilfe eine Möglichkeit.
Fiedler: Wenn jemand häufig Mahnungen bekommt, stimmt etwas nicht in der Organisation. Und wenn man Taschen voller ungeöffneter Post hat. Dann muss man überlegen: Bezahle ich nicht, weil ich nicht genug Geld habe – oder bin ich einfach schlampig? Foto: Christophorus-Gesellschaft