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Würzburg
"Der IS versucht, eine eigene Cyberarmee aufzubauen"
Markus Schäfert vom Landesamt für Verfassungsschutz spricht über die größten Gefahren, die von Salafisten im Internet ausgehen.
Markus Schäfert
Foto: Verfassungsschutz | Markus Schäfert
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:04 Uhr

Wie reagiert der Verfassungsschutz auf die Bedrohung durch Terroristen des selbst ernannten Islamischen Staates? Wir sprachen mit Markus Schäfert, Leiter der Stabstelle Kommunikation und Medien im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz.

Frage: Wie kann es Terroristen – trotz Überwachung durch Sicherheitsbehörden – gelingen, miteinander zu kommunizieren und Anschläge zu planen?

Markus Schäfert: Terroristen verhalten sich in hohem Maße konspirativ. Sie stellen sich darauf ein, im Visier der Nachrichtendienste zu stehen. Entweder sie kommunizieren möglichst wenig über elektronische Medien, um keine digitalen Spuren zu hinterlassen. Oder sie beschaffen sich Prepaid-Handys, die man in jedem Supermarkt kaufen und täglich wechseln kann. Oder aber – wenn sie übers Internet kommunizieren – tun sie das in verschlüsselter Form.

Könnten Anschläge verhindert werden, wenn Polizei und Verfassungsschutz Zugriff auf verschlüsselte digitale Nachrichtenkanäle, beispielsweise E-Mail-Verschlüsselung, bekämen?

Schäfert: Verschlüsselungstechniken sind kein Teufelswerk. Ihr Zweck ist es beispielsweise, Wirtschaftsspionage zu verhindern. Gerade hier in Bayern, wo wir eine innovationsstarke Wirtschaft haben, sind viele ausländische Nachrichtendienste daran interessiert Wissen abzugreifen. Mit Verschlüsselung kann man sich dagegen schützen. Doch es ist wie mit allem: Wenn es in die falschen Hände gerät, kann es auch für die falschen Zwecke verwendet werden.

Wo liegt Ihrer Meinung nach die größte Bedrohung durch Salafisten im Internet?

Schäfert: Im Grunde gibt es zwei. Die eine: Salafisten verbreiten ihre Ideologie über Facebook und YouTube. Sie rekrutieren dort neue Anhänger, laden Videos von salafistischen Predigern hoch und vernetzen sich regional und überregional. Auch in Bayern. In Aschaffenburg beispielsweise geben die Mitglieder der ,Islamischen Jugend Aschaffenburg' vor, sich für Flüchtlinge zu engagieren, und werben dabei ganz offen in einem Facebook-Video. Wir sorgen uns vor allem um junge unbegleitete Flüchtlinge. Die sind besonders gefährdet.

Welche ist die zweite Gefahr im Netz?

Schäfert: Der IS versucht, eine eigene Cyberarmee für den Cyber-Dschihad (heiliger Krieg im Internet, Anm. d. Red.) aufzubauen. Ein denkbares Szenario wäre, kritische Infrastruktur wie Kraftwerke oder Wasserversorgung zu sabotieren.

Ist Ihnen in Bayern ein Cyberangriff bekannt?

Schäfert: Bislang nicht. In den USA beispielsweise wurden Behörden-Webseiten gekapert. Das nennt man ,defacement'. Terroristen haben den Twitter-Account eines US-Zentralkommandos gehackt und dort Drohungen gegen US-Soldaten ausgesprochen. Doch wir befinden uns auch in Deutschland im Zielspektrum. Wir können Angriffe zu keinem Zeitpunkt ausschließen.

Sind wir für solch eine Bedrohung gerüstet?

Schäfert: Der Bayerische Verfassungsschutz hat für das Jahr 2016 fast 100 zusätzliche Stellen bekommen.

Weil die Gefahr drastisch gestiegen ist?

Schäfert: Nicht nur deshalb. Auch die Anti-Asyl-Hetzkampagnen, die steigende Zahl von Gewalttaten gegen Flüchtlinge und das Ausfransen des Rechtsextremismus in ein gesellschaftliches Umfeld hinein machen Verstärkung nötig.

Wie viele Menschen leben in Bayern, die der Verfassungsschutz als gefährlich – im Sinne von möglichen Terroristen – einstuft?

Schäfert: Etwa 80 Personen sind nach Syrien oder in den Irak ausgereist oder haben das aktuell vor, manche von ihnen haben Erfahrung im Umgang mit Waffen und Sprengstoff gesammelt. Sie verlieren dadurch ihre Tötungshemmung und radikalisieren sich weiter. Etwa 20 ausgereiste Personen sind wieder nach Bayern zurückgekehrt.

Kann man potenzielle Gefährder nicht einfach in U-Haft nehmen?

Schäfert: Nicht bei allen gibt es gerichtsverwertbare Erkenntnisse. Manche befinden sich auf freiem Fuß. Diese Leute im Auge zu behalten, bindet enorm viel Personal.

 
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