Wenn sich an diesem Donnerstag und Freitag die Staats- und Regierungschefs zu einem weiteren Gipfel treffen, geht es um nichts Geringeres als die Zukunft des Euro. Wir sprachen mit dem ehemaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) über die Perspektiven für die gemeinsame Währung – und die Ursachen der Krise.
Waigel: Aber natürlich. Die Währung hat sich ja bewährt, denn nicht unsere Währung ist in der Krise, sondern einige Staaten. Der Euro ist gut für Deutschland. Er beschert uns Wettbewerbsvorteile, um die uns andere beneiden.
Waigel: Ich kenne Thilo Sarrazin gut. Er war ein tüchtiger Mitarbeiter im Bundesfinanzministerium bei der Vorbereitung der deutschen Einheit. In Sachen Währungspolitik ist er mit damals allerdings nicht aufgefallen. Er vergisst vielleicht, wie andere auch, dass die europäische Währung ja keine Sturzgeburt ist, sondern zwei Jahrzehnte lange vorbereitet wurde. So wurde schon 1979 das Europäische Währungssystem eingeführt, das helfen sollte, die gefährlichen Schwankungen zwischen den Nationalwährungen auszugleichen.
Waigel: Die Einführung des Euro wurde etwa zehn Jahre lang vorbereitet. 1988 entstand auf dem Gipfel in Hannover der ursprüngliche Plan, hieraus wurde das sogenannte Delors-Papier. 1992 wurde der Vertrag von Maastricht ratifiziert, 1997 dann der Stabilitäts- und Wachstumspakt. Und dann kam ja erst 1999 die Einführung des Euro als Buchgeld. Komme mir niemand und sage, das sei schlampig vorbereitet.
Waigel: Was in der Tat stattgefunden hat, das sind keine Geburtsfehler, das sind Erziehungsfehler einiger Staaten der Eurozone.
Waigel: Wenn ein Jugendlicher in die Pubertät kommt, dann bedarf es klarer Regeln. Wenn man aber diese Regeln ständig aufweicht, dann darf sich niemand wundern, wenn daraus mangelndes Vertrauen in die Institutionen und die Regeln entsteht. Und das ist in Europa passiert. Griechenland hätte niemals in den Euro aufgenommen werden dürfen. Hier haben die europäischen Institutionen viel zu wenig kontrolliert. Und so wurde der Betrug der griechischen Regierung nicht aufgedeckt oder gar stillschweigend hingenommen. Was noch schlimmer wäre. Doch auch Deutschland ist vor einigen Jahren seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Nur was hat man getan? Man hat mit Frankreich und anderen die Regeln einfach aufgeweicht. Und das war eine Todsünde.
Waigel: Ich kann die Menschen gut verstehen. Wenn man die täglichen Überschriften liest, dann darf man sich über diese Ängste nicht wundern. Da kommen Menschen zu mir und sagen: Stimmt es, dass die neuen Geldscheine schon gedruckt werden, stimmt es, dass Laster mit der neuen D-Mark unterwegs zu den Banken sind? Aber ich frage dann zurück: Was haben Sie bislang durch den Euro verloren?
Waigel: Eben. Das sind bei derzeit 1,25 immerhin noch acht Cent – oder 16 Pfennige – mehr als zu D-Mark-Zeiten. Und auch die Inflation war in den bisherigen Euro-Jahren niedriger als zuvor in den letzten Jahren der D-Mark. Es möge doch bitte niemand denken, dass ein Europa der 30 Währungen heute auf dem globalisierten Weltmarkt noch eine Chance hätte.
Waigel: Richtig. Aber das ist ja schon der nächste Grund, sich keine Sorgen machen zu müssen. Wenn tatsächlich irgendwann wieder die D-Mark eingeführt würde, dann käme es sofort zu einer Aufwertung. Niemand in Deutschland muss also Angst um sein Geld haben. Doch sollte man sich das wirklich wünschen? Wir hatten zu meiner Zeit als Finanzminister 1995 die stärkste D-Mark aller Zeiten – das machte der Wirtschaft schwer zu schaffen und ließ im folgenden Jahr die Steuereinnahmen einbrechen.
Waigel: Es geht darum zu erkennen, dass Konsolidieren, also Sparen, und Wachstum keine Gegensätze sein müssen. Als mir 1996 die Steuereinnahmen wegbrachen, habe ich nicht die Schulden erhöht, sondern konsequent die Ausgaben reduziert. Und wir hatten die Jahre danach in Deutschland ein starkes Wachstum.
Waigel: Ja, allerdings nicht kurzfristig. Die Politik muss nun dauerhaft deutlich machen, dass sie hinter dieser gemeinsamen Währung steht. Und dass sie nicht zulässt, dass diese Währung zerbricht. Das bedeutet aber natürlich keine ewige Garantie für Griechenland. Die Botschaft muss heißen: Wenn Athen selbst bereit ist, das Notwendige zu tun, dann helfen wir. Aber wir lassen uns nicht erpressen.
Waigel: Hier gilt es, den Bankensektor in einigen Ländern wie Spanien komplett zu restrukturieren, damit wieder eine Glaubwürdigkeit im Finanzsektor entsteht. In Spanien ist der Fehler gemacht worden, dass man zwar die Reformen etwa auf dem Arbeitsmarkt mutig angegangen ist, aber leider nicht die für den Bankensektor. Man muss aber auch sehen, dass es in Ländern wie Irland oder Portugal gut läuft. Und dass Italien trotz aller Probleme in der Lage ist, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Das sind eigentlich sehr positive Nachrichten.
Waigel (lacht am Telefon): Ich habe bei allen Spielen mitgezittert und mich über das Weiterkommen unseres Teams gefreut. Keine Frage: Die deutsche Mannschaft hat den Titel verdient.
Theo Waigel
Von 1989 bis 1998 war der CSU-Politiker Theodor „Theo“ Waigel Bundesfinanzminister – und damit einer der wichtigsten Wegbereiter des Euro. Der Schwabe war zudem von 1988 bis 1999 Vorsitzender seiner Partei. Im Juli 2009 wurde der 73-Jährige zum Ehrenvorsitzenden der CSU, der erst 1960 beitrat, gewählt. Waigel studierte Politik- und Rechtswissenschaften in München und Würzburg. Heute arbeitet er als Rechtsanwalt in München. Waigel ist in zweiter Ehe mit der ehemaligen Skirennläuferin Irene Epple verheiratet. FOTO: dpa/Text: md