Selbst ein deutscher Pass nützt nichts. Zuwanderer, die sich einbürgern lassen und die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen, bleiben in der Ideologie der NPD das, was sie sind: Ausländer. Und vor ihnen gelte es, das deutsche Volk zu schützen, Menschen nicht-deutscher Herkunft sollten daher vom Schutz der Grundrechte ausgenommen werden – womit sie vogelfrei wären. Man wolle, formulierte der frühere NPD-Vorsitzende Udo Voigt im Jahr 2011 unmissverständlich, das demokratische System abschaffen und stattdessen einen „Volksstaat“ errichten, eine „Gemeinschaft physisch und seelisch gleichartiger Menschen“, eine ethnisch reine Volksgemeinschaft.
Zitate wie diese und viele andere, welche die Verfassungsfeindlichkeit der NPD, ihre Gewaltbereitschaft und ihre Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie belegen sollen, finden sich in dem Verbotsantrag der Bundesländer, den diese am morgigen Dienstag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einreichen wollen. Vor einem Jahr beschlossen die Ministerpräsidenten, notfalls alleine, also ohne Bundesregierung und Bundestag, einen neuen Anlauf für ein Verbotsverfahren zu unternehmen, nun ist der Antrag fertig, den die beiden Rechtsprofessoren Christoph Möllers und Christian Waldhoff von der Berliner Humboldt-Universität erstellt haben. Auf knapp 270 Seiten begründen sie ihren Antrag, hinzu kommen eine mehr als tausendseitige Materialsammlung sowie mehrere wissenschaftliche Gutachten.
Die Länder haben die Lehren aus dem ersten Verbotsverfahren gezogen, das 2003 an der sogenannten V-Mann-Problematik gescheitert war, und nur Material aufgenommen, das zweifelsfrei nicht von Informanten der Verfassungsschutzämter stammt. Mit ihrer Unterschrift beglaubigen die 16 Innenminister der Länder, dass alle Belege authentisches NPD-Gedankengut darstellen. Und dieses lässt nach Ansicht der beiden Rechtsprofessoren keinen Zweifel aufkommen, dass es sich bei der NPD um eine aggressiv ausländerfeindliche und die Ideologie des Nationalsozialismus verherrlichende Partei handele, die in „aggressiv-kämpferischer Weise“ die freiheitliche Demokratie beseitigen wolle. Als Beleg dient ein dem Antrag beigefügtes Gutachten des Münchner Instituts für Zeitgeschichte. Demnach sei die NPD – wie die NSDAP – geprägt von einer totalitären und demokratiefeindlichen Ideologie. Das rassistisch fundierte Freund-Feind-Denken, der militante Antiliberalismus und Antisemitismus belege „eine Wesensverwandtschaft zwischen NPD und NSDAP“.
Zweites zentrales Argument: Die NPD belasse es nicht nur bei Worten, sondern lasse ihrer rassistischen Ideologie auch Gewalttaten folgen. Jedes vierte NPD-Vorstandsmitglied aus Bund und Ländern sei mindestens einmal wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung, Nötigung, Landfriedensbruch oder Propagandadelikte rechtskräftig verurteilt, jeder Zweite von ihnen sei ein Wiederholungstäter, rechne man noch die nicht abgeschlossenen oder laufenden Verfahren hinzu, sei fast jeder dritte NPD-Funktionär ein Straftäter. Die Mordserie der Zwickauer Terrorzelle NSU belege, dass es direkte Verbindungen zwischen der NPD und der gewaltbereiten Neonazi-Szene gebe. In einem weiteren Gutachten wollen die Antragsteller zudem aufzeigen, wie das politische Handeln der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie im Landtag sitzt und sich auf staatlich finanzierte Strukturen stützen kann, „bereits heute zu einer Beeinträchtigung eines offenen demokratischen Lebens auf lokaler Ebene“ geführt habe. Die Demokratie sei nicht nur bedroht, sondern bereits beeinträchtigt.
Bundesregierung und Bundestag werden sich im Gegensatz zum ersten Verbotsverfahren dem Antrag der Länder nicht anschließen. In den Koalitionsverhandlungen forderten die beiden SPD-Innenminister Boris Pistorius (Niedersachsen) und Ralf Jäger (Nordrhein-Westfalen), die Große Koalition solle aktiv werden und eigene Anträge stellen. Doch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) lehnte dies kategorisch ab.