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BERLIN
Senioren fühlen sich vergessen: Debatte um Entlastungspaket entbrannt
Senioren-Verbände kritisieren eine "soziale Schieflage" bei der Energiepauschale. Die günstigen ÖPNV-Tickets sollen nach den Worten von Bundesverkehrsminister Wissing auch für Abos gelten.
Öffentlicher Nahverkehr       -  Die Ampelkoalition will für 90 Tage ein Ticket für 9 Euro pro Monat für den Öffentlichen Personennahverkehr einführen.
Foto: SymbolMonika Skolimowska, dpa | Die Ampelkoalition will für 90 Tage ein Ticket für 9 Euro pro Monat für den Öffentlichen Personennahverkehr einführen.
Redaktion
 |  aktualisiert: 08.02.2024 18:23 Uhr

Der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagt eine „soziale Schieflage“ im Entlastungspaket der Ampelkoalition, das am Donnerstag vorgelegt worden war. Konkret geht es um die Energiepauschale von 300 Euro. Jeder einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige, der in den Steuerklassen 1 bis 5 einsortiert ist, soll eine Pauschale von einmalig 300 Euro brutto bekommen, heißt es im Entlastungspaket. Das Geld werde vom Arbeitgeber als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt, bei Selbstständigen werde stattdessen die Steuer-Vorauszahlung gesenkt. Die Pauschale unterliegt der Einkommensteuer.

Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, wirft der Ampel-Koalition vor, sie tue nichts für Rentnerinnen und Rentner. „Gerade Menschen mit kleinen Renten sind besonders auf das Geld angewiesen.“ Rentner brauchten Unterstützung: Der VdK hält einen Aufschlag auf die Rente, der direkt ausgezahlt wird, für angemessen. „Es wäre zudem besser gewesen, die Mehrwertsteuer auf Medikamente zu senken als auf Sprit. Durch günstigen Sprit profitieren Fahrer großer Autos. Rentner, die auf Medikamente angewiesen sind, haben keine Entlastung und vor allen Dingen keine Wahl“, so Bentele.

Scharfe Kritik der Seniorenverbände

Kritik kommt auch von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO): „Wer berufstätig ist, erhält eine Einmalzahlung von 300 Euro unabhängig vom Einkommen. Rentnerinnen und Rentner werden nicht entlastet.“ Die Entscheidung, ältere Menschen nicht zu berücksichtigen, ist aus Sicht der BAGSO „vollkommen unverständlich und nicht akzeptabel“. Höhere Heiz- und Stromkosten träfen Rentnerinnen und Rentner im Zweifel mehr als Beschäftigte, die tagsüber nicht zu Hause sind, heißt es weiter. BAGSO-Vorsitzende Regina Görner betont: „Gerade Menschen mit kleinen Renten sind in der aktuellen Situation auf Unterstützung angewiesen. Es ist nicht akzeptabel, sie im Entlastungspaket auszuschließen.“

Als Reaktion auf den Vorstoß der Bundesregierung für ein 9-Euro-Monatsticket im öffentlichen Nahverkehr hat die Verkehrsministerkonferenz am Freitag ein Nulltarif-Ticket ins Spiel gebracht. Auf diese Weise könne der administrative Aufwand für die Verkehrsverbünde niedrig gehalten werden, betonte die Vorsitzende der Konferenz, Bremens Bürgermeisterin Maike Schaefer, im Anschluss an die Sitzung.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) betonte, dass sich der Koalitionsausschuss auch mit einer solchen Null-Tariflösung befasst habe. Das Gremium habe sich abschließend aber für die 9-Euro-Variante entschieden.

Es wäre besser gewesen, vorher mit den Ländern zu sprechen, sagte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) nach der Verkehrsministerkonferenz. Kommunen und Verkehrsverbünde hätten keine Ahnung, wie sie den Beschluss umsetzen sollten. Zudem sehe er eine Benachteiligung des ländlichen Raums, da hier weniger Menschen aufgrund der großen Distanzen den Öffentlichen Personennahverkehr nutzten.

Die Pendler im ländlichen Raum müssten aber auch mehr entlastet werden. Wünschenswert wären etwa Änderungen an der Kfz-Steuer, generell sei in der Frage „das letzte Wort noch nicht gesprochen“. Das 9-Euro-Ticket sei ein „Schnellschuss“, ein „Lockangebot“, welches dem eigentlichen Problem nicht gerecht werde, sagte Bernreiter. Der ÖPNV müsse dauerhaft ausgebaut werden, Kostensteigerungen müssten dauerhaft kompensiert werden.

Kein Grund, das reguläre Abo zu kündigen

Die geplanten günstigen ÖPNV-Tickets sollen nach den Worten von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) auch für Abos gelten. Die Kosten für Abos würden dann nicht abgebucht oder erstattet, machte Wissing am Freitag deutlich. Es gebe keinen Grund, wegen des 9-Euro-Monatstickets ein Abo zu kündigen.

Die Ampel hatte beschlossen, für 90 Tage ein Ticket für 9 Euro pro Monat im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einzuführen. Wissing sprach von Kosten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, die der Bund den Ländern erstatte.

Der Befürchtung der Länder, dass der Vorstoß für Verkehrsverbünde und Unternehmen einen hohen administrativen Aufwand bedeuten könnte, widersprach Wissing. Dies könne über ein reines Online-Angebot verhindert werden. Zudem ließe sich auf diese Weise die Nachfrage von Kundinnen und Kunden deutlich besser nachvollziehen als etwa bei einem Nulltarif. „Bei dem 9-Euro-Ticket kennt man die Zahl der zusätzlichen Fahrgäste und kann entsprechend disponieren und vermeidet dadurch, dass es zu punktuellen Überlastungen kommt“, sagte er.

Das 17-Milliarden-Euro-Paket

Das Entlastungspaket wird den Bund laut Finanzminister Christian Lindner in diesem Jahr rund 17 Milliarden Euro kosten.

Lindner rechtfertigte, dass davon auch Viel- und Normalverdiener und nicht nur Bedürftige profitieren. „Die Wahrheit ist, dass in der ganzen Breite die Menschen von steigenden Energiepreisen betroffen sind“, sagte er. „Und deshalb ist es natürlich auch gerechtfertigt, befristete die ganze Breite der Gesellschaft zu entlasten. Denn auf ihren Schultern stehen wir alle.“

Dabei berücksichtige die Koalition aber auch die individuelle Leistungsfähigkeit. So müsse etwa die Energiepreispauschale von 300 Euro versteuert werden – damit bekommen Wenigverdiener automatisch mehr raus als Vielverdiener. (dpa/san)

 
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