Nach dem Bekanntwerden einer lukrativen Beratertätigkeit des amtierenden IOC-Präsidenten Thomas Bach beim Industriekonzern MAN Ferrostaal in den Jahren 2005 bis 2009 zieht der Fall Kreise. Der bedeutende Sportfunktionär aus Tauberbischofsheim, seit 2013 an der Spitze des Internationalen Olympischen Komitees, äußert sich selbst nicht zu den Vorwürfen, er habe sich nicht ethisch korrekt verhalten (Compliance), sein Sprecher indes hat einen Brief per Mail an diese Redaktion verschickt, in dem er seinen Vorgesetzten verteidigt.
Reaktionen gibt es auch aus der Politik: So fordert Özcan Mutlu, sportpolitischer Sprecher der Bundestags-Grünen, Bach solle seine sämtlichen Beraterverträge, „die, die er hatte, und die, die er möglicherweise derzeit noch hat“, offenlegen.
Sportpolitik-Expertin: „Korrupter Club“
Seine Parteikollegin Viola von Cramon, bis 2013 Mitglied im Sportausschuss des Bundestages, wird noch deutlicher: „Genug ist genug. Während Sportlerinnen und Sportler oder auch viele engagierte Trainerinnen und Trainer mit ihren prekären Arbeitsverträgen nicht wissen, wie sie bis zum Monatsende auskommen können“, verdiene sich Thomas Bach mit einem Beratervertrag eine „goldene Nase“. Sie hält Bachs Verhalten für „absurd“ und das IOC für einen „korrupten Club“: Heilsam, so von Cramon, sei wohl nur, wenn sich „wirklich ein Großteil des Publikums – und mit ihm auch die Sponsoren – angeekelt abwenden würden“.
Honorar aus der Industrie über 125000 Euro pro Jahr
Wie berichtet, hat das Recherchenetzwerk Correctiv einen bislang nicht bekannten Beratervertrag von Bach mit dem Industriekonzern MAN Ferrostaal veröffentlicht. Demnach erhielt Bach, der da bereits IOC-Vizepräsident war und 2006 zum DOSB-Präsidenten gewählt wurde, für seine Tätigkeit 125 000 Euro pro Jahr sowie eine Tagespauschale für Auslandsreisen in Höhe von 5000 Euro.
IOC-Sprecher: Bachs ehrenamtliche Funktionen
In einer E-Mail an diese Redaktion antwortet IOC-Sprecher Christian Klaue auf die Veröffentlichung: „Bevor Herr Bach im September 2013 zum IOC-Präsidenten gewählt worden ist, war er hauptberuflich Wirtschaftsanwalt, dessen Aufgabe es ist, die Interessen seiner Mandanten zu vertreten. Mit diesem Beruf hat er seinen Lebensunterhalt verdient, die Aufgaben im IOC und im DOSB übte er ehrenamtlich aus, erhielt dafür lediglich Aufwandsentschädigungen.“
Nach seiner Wahl zum IOC-Präsidenten habe Bach alle anwaltlichen Mandate mit Ausnahme des Aufsichtsratsvorsitzes bei der Michael Weinig AG bzw. der Weinig International AG in seinem Heimatort Tauberbischofsheim niedergelegt, um sich voll seiner Aufgabe als IOC-Präsident widmen zu können.
Es habe keine Beanstandungen gegeben
Für seine Beratertätigkeit für MAN Ferrostaal habe er neben seinem Gehalt keine Provisionszahlung erhalten und sei niemals am Verkauf von Rüstungsgütern beteiligt gewesen, schreibt Klaue. „Herr Bach hat sowohl der IOC-Ethikkommission wie auch dem Good-Governance-Beauftragten des DOSB stets seine Verträge angezeigt und diese Informationen regelmäßig aktualisiert.
In beiden Fällen haben weder die Tätigkeit noch das Verhalten von Herrn Bach zu irgendwelchen Beanstandungen geführt.“
Anti-Korruptions-Experte: Bach erhielt Freifahrtsschein
Das sei umso schlimmer, sagt Frank Hofmann (Volkach), früherer SPD-Innenexperte im Bundestag und befasst mit Korruptionsbekämpfung. „Das kann man nicht gut heißen, eine Ethikkommission hätte Bach raten müssen: ,Lass' die Finger davon', um jeden Anschein von sich zu weisen.“ Der Spitzenfunktionär, so Hofmann, hätte sich entscheiden müssen, „man kann nicht zwei Herren dienen“. Für ihn ist die Entscheidung der Ethikkommission keine Entlastung für Bach, sondern vielmehr der Anlass für weitere Fragen: „Wie kommt die Kommission dazu, ihm solch einen Freifahrtschein auszustellen?“