Es gab Zeiten, da verhießen Reisen eines bayerischen Ministerpräsidenten nach Afrika nichts Gutes. In Togo legendär ist ein Strauß-Besuch bei Diktator und Duzfreund Gnassingbé Eyadema: Der soll zum Ehrencorso so viele jubelnde Kinder an die Straßenränder beordert haben, dass Strauß um eine zweite Runde bat - und sie bekam. Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung im Land? Wurden ignoriert. Stattdessen ging man auf gemeinsame Büffeljagd und pflegte amigomäßig die Geschäfte von weiß-blauen Industriellen wie dem Fleischfabrikanten Josef März.
Es waren die Jahre, in denen CSU und Staatsregierung keine Berührungsängste hatten gegenüber Potentaten wie Eyadema und Zaires Mobutu oder das Apartheid-System in Südafrika hofierten. Man darf deshalb hellhörig sein, wenn ein Ministerpräsident für seine erste große Auslandsreise ein Land in Afrika wählt. Doch die Zeiten haben sich geändert. Glücklicherweise.
Wirtschaftliche Chancen auf dem afrikanischen Kontinent erkennen
Wer immer Markus Söder bei der "Buchung" beraten hat: Es darf gratuliert werden. Äthiopien ist das richtige Land zur richtigen Zeit. Vielleicht hat Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) den Tipp gegeben. Vielleicht auch - hinter den Kulissen und an Parteigrenzen vorbei - der Münchner Ex-OB Christian Ude. Der wird als Stiftungsratsvorsitzender der Karlheinz-Böhm-Organisation "Menschen für Menschen" nicht müde, zum Engagement in Äthiopien aufzurufen. Nicht nur mit altruistischen Motiven.
Böhm selbst hatte zu Lebzeiten an die deutsche Wirtschaft appelliert, die Chancen in Afrika als Absatzmarkt zu erkennen. Da waren die Chinesen schon auf dem Vormarsch, haben sich in neokolonialistischer Manier durch gewaltige Investitionen die Zugänge zu Rohstoffen gesichert. Nach Demokratie und guter Regierungsführung fragten sie nicht.
Äthiopien ist zum afrikanischen Hoffnungsträger geworden
Doch mittlerweile wächst in Afrika die Skepsis gegenüber einer chinesischen Dominanz, die zuvorderst den Investoren nutzt und die Lebensverhältnisse der breiten Bevölkerung kaum verbessert. Es gibt Länder, die ihr Schicksal beherzt in die eigene Hand nehmen, als afrikanische Tiger mit zweistelligen Wachstumsraten glänzen, Geburtenzahlen senken und Alphabetisierungsquoten erhöhen. Äthiopien ist so ein Land.
Jahrzehntelang galt der Vielvölkerstaat als Inbegriff für die afrikanische Misere. Heute aber ist Äthiopien mit rund 110 Millionen Einwohnern zum Hoffnungsträger geworden. Nicht nur wegen seiner dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung, sondern seit einem Jahr auch durch einen ungeahnten politischen Aufbruch. Er lässt sich in seiner Dimension vergleichen mit dem Fall des Eisernen Vorhangs.
Den neuen Premierminister bei der Demokratisierung stärken
Der neue Premierminister Abiy Ahmed hat das Land liberalisiert, politische Gefangene freigelassen, Frauenrechte gestärkt, hat im Handumdrehen Frieden mit dem Erzfeind Eritrea geschlossen. Und doch steht der Regierungschef unter Druck, ethnische Spannungen könnten sich verschärfen - wenn kein Ausgleich gelingt und das Wirtschaftswachstum (Prognose 7,2 Prozent für 2019) nicht beim Volk ankommt.
Der Westen hat in der Vergangenheit oft zu spät reagiert - afrikanische Pflänzchen der Hoffnung gingen wieder ein. Das soll sich in Äthiopien nicht wiederholen. Deshalb kamen zuletzt Frank-Walter Steinmeier und Emmanuel Macron nach Addis Abeba, nun Markus Söder an der Spitze einer 40-köpfigen Wirtschaftsdelegation. Man will sich dem Land und dem Kontinent als Partner anbieten, richtet in Addis das erste bayerische Afrikabüro als Anlaufstelle für Unternehmen ein.
Mit der Armut auch die Migration reduzieren
Geopolitisch war das Land am Horn von Afrika schon immer wichtig. Nun aber geht es um mehr. Es geht um Bleibeperspektiven für die Menschen. Fehlen sie, werden sich Migranten weiterhin in Scharen auf den gefährlichen Weg nach Europa machen und hier den sozialen Druck erhöhen. Endlich scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass Fluchtursachen nur in den Herkunftsländern zu bekämpfen sind. Das sollte man unterstützen, aus Altruismus und Eigennutz.