Zschäpe steht seit mehr als fünf Jahren vor dem Staatsschutzsenat des Münchener Landgerichts. Am Mittwoch wurde sie des Mordes schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Zudem stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen.
Die Bundesanwaltschaft war überzeugt davon, dass sie die Ceska-Mordserie nicht nur befürwortet, sondern auch maßgeblich unterstützt hat. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten zwischen September 2000 und und April 2006 neun Geschäftsleute türkischer und griechischer Abstammung mit einer Pistole vom Typ Ceska 83 an ihren Arbeitsstätten ermordet. Im April 2007 erschossen sie außerdem eine 22-jährige Polizistin. Danach brach die Mordserie ab.
Schon in ihrer Anklageschrift und später nochmals in ihren Plädoyers hatten die Vertreter der Bundesanwaltschaft argumentiert, Zschäpe habe mit ihrem Verhalten dafür gesorgt, dass Böhnhardt und Mundlos nicht nur eine sichere Unterkunft finden, sondern auch ihre Mordserie ungestört organisieren und durchführen konnten. Zschäpe hatte die Tarnung der drei vor den Nachbarn aufrecht erhalten mit diversen Alias-Namen und die gesamte Logistik übernommen bis hin zur Verwaltung des Geldes.
Kein Beweis, dass Zschäpe an einem Tatort war
Das reicht für einen Schuldspruch als Mittäterin. Da Zschäpe an keinem einzigen der Tatorte auch nur gesichtet worden ist, musste das Gericht in einem aufwendigen und
zeitraubenden Verfahren alle Indizien prüfen , die für und gegen ihre maßgebliche Rolle sprechen. Am Ende wogen offensichtlich die Fakten für eine Mittäterschaft deutlich schwerer.Zschäpe ist damit auch mitverantwortlich für mehr als ein Dutzend Raubüberfälle und für drei Sprengstoffanschläge, zwei in Köln, einer in Nürnberg. Den Nürnberger Anschlag hatte erst im Prozess der Mitangeklagte Carsten S. aufgedeckt. Die Bundesanwaltschaft ermittelte den Fall letztlich nicht mehr aus, da die bereits angeklagten Morde und Sprengstoffanschläge ausreichend waren.
Verteidiger kündigt Revision an
Das Urteil im Münchner NSU-Prozess muss vom Bundesgerichtshof überprüft werden. Nach der Verurteilung von Beate Zschäpe wegen Mordes kündigt deren Verteidiger Wolfgang Heer an, Revision einzulegen. "Die Verurteilung Frau Zschäpes wegen Mittäterschaft an den von Böhnhardt und Mundlos begangenen Morden und Raubstraftaten ist nicht tragfähig begründbar", so Heer. Nach Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer kündigt nun auch ihr Anwalt Mathias Grasel an, in Revision zu gehen.
Haftstrafen für die vier Mitangeklagten
Neben Zschäpe saßen vier weitere NSU-Unterstützer auf der Anklagebank. Gegen sie verhängte das Gericht Gefängnisstrafen. Der Mitangeklagte Ralf Wohlleben wird als Waffenbeschaffer für den "Nationalsozialistischen Untergrund" zu zehn Jahren Haft verurteilt. Das Gericht spricht Wohlleben der Beihilfe zum Mord schuldig. Holger G. wird zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Oberlandesgericht München spricht G. der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig. G. hatte zugegeben, dem NSU-Trio einmal eine Waffe übergeben und den Untergetauchten mit falschen Papieren geholfen zu haben. Die Bundesanwaltschaft hatte fünf Jahre Haft gefordert, die Verteidiger hatten für eine Strafe von "unter zwei Jahren" plädiert.
Der Mitangeklagte André E. wird zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Das Oberlandesgericht München spricht E. allerdings nicht der Beihilfe zum versuchten Mord schuldig, wie dies die Bundesanwaltschaft gefordert hatte. Es verurteilt den 38-Jährigen, der bei der Tarnung des NSU-Trios im Untergrund geholfen haben soll, lediglich wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Die Verteidiger hatten einen Freispruch von sämtlichen Anklagepunkten für ihren Mandanten gefordert.
Schuldeingeständnis wurde positiv gewertet
Den Mitangeklagten Carsten S. hat das Oberlandesgericht zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt. Die Richter sprachen S. der Beihilfe zum Mord in neun Fällen schuldig, verurteilten ihn aber nach Jugendstrafrecht, weil er zur Tatzeit noch Heranwachsender war. S. hatte gestanden, dem "Nationalsozialistischen Untergrund" die "Ceska"-Pistole übergeben zu haben, mit der die Neonazi-Terroristen später neun Menschen erschossen. Die Anklage hatte eine Jugendstrafe von drei Jahren gefordert - und dabei die Aufklärungshilfe und das Schuldeingeständnis von Carsten S. positiv gewertet. Die Verteidiger hatten dagegen Freispruch gefordert - ihr Mandant habe nichts von den geplanten Morden des NSU gewusst.
Noch mehr Revisionen
Auch ein Vertreter der Nebenklage will in Revision gehen - gegen die Verurteilung zweier Mitangeklagter. Die Urteile gegen die NSU-Helfer Ralf Wohlleben und André E. seien "nach unserem Dafürhalten sehr, sehr milde", so Anwalt Mehmet Daimagüler im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk.
Daimagüler kritisiert gleichzeitig das Urteil gegen den dritten Mitangeklagten Carsten S. "Ich bin explizit enttäuscht, dass der nochmal einfahren muss", sagt Daimagüler. "Dieser Mann hat entscheidend zur Aufklärung beigetragen, er hat vor langer Zeit mit der Szene gebrochen." Die Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben wollen ebenfalls das Urteil vom Bundesgerichtshof überprüfen lassen. Dies kündigt Rechtsanwältin Nicole Schneiders an.
437 Verhandlungstage mit mehr als 650 Zeugen
Drei der zehn Tatorte liegen in Nürnberg, zwei in München. Deshalb war der Münchener Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht für das Verfahren zuständig. Der Prozess zog sich über 437 Verhandlungstage mit mehr als 650 Zeugen, Gutachtern und Sachverständigen.
- Sieben Gründe, warum der NSU-Prozess so lange gedauert hat.
- Die letzten Worte von Beate Zschäpe in ihrem persönlichen Schlusswort.