Als "schwach und ängstlich" nehme er seine Partei zuletzt wahr, sagt Bernhard Zimniok. "So gewinnt mein keine Schlacht", meint der Oberstleutnant a.D. Der 65-jährige Münchener tritt im Mai für die AfD als bayerischer Spitzenkandidat bei der Europawahl an. Als er sich am Samstag beim Landesparteitag im mittelfränkischen Greding der Basis vorstellt, fragt man sich, ob der bayerische AfD-Chef Martin Sichert diese Beschreibung teilt. Keine zwei Stunden zuvor eröffnete der Nürnberger Bundestagsabgeordnetedie Versammlung vor knapp 270 Mitgliedern. Von Ängstlichkeit keine Spur. Die Partei redet er stark.
Die "Hure des Sozialismus"
"Alle Altparteien eint der Traum eines sozialistischen Europas, das von Brüssel aus gesteuert wird", poltert Sichert. Die CSU lasse "jeden in unseren Sozialstaat einwandern". Die SPD sorge mit dem geplanten Kohleausstieg dafür, dass 2030 mancherorts "das Licht ausgeht". Den Grünen wollten "die Kultur und Gesellschaft zerstören". Die Freien Wähler, die die AfD in Bayern als Hauptgegner ausgemacht hat, beschimpft er gar als "Hure des Sozialismus", die sich von der CSU bis zur Linken an jede Partei anbiederten.
Die AfD sei dagegen die "Stimme der Vernunft", so Sichert, die "Speerspitze einer Bürgerrechtsbewegung". Die "Saat der Freiheit ist gesät und gedeiht", der "Baum der Freiheit ist stark und auch wenn die Regierenden die Axt anlegen, werden wir unsere Ziele erreichen". Klingt das nach Schwäche? Auf den ersten Blick nicht.
Schwaches Ergebnis bei der Landtagswahl wirkt nach
Doch schaut man hinter die Kulissen, liegt Zimniok gar nicht so falsch. Von Angst will zwar niemand reden, hört man sich in Greding unter AfD-Mitgliedern um, ist ein Unwohlsein dennoch greifbar. Grund ist die Tatsache, dass die Partei vom Verfassungsschutz als Prüffall eingestuft wurde. Die Axt, von der Sichert spricht. Offiziell tut die AfD die Sache als eine "politische Instrumentalisierung" des Verfassungsschutzes ab. Als etwas "das uns gefährlich wird", so Zimniok, aber als "Luftnummer". Hinter vorgehaltener Hand erzählt man auf dem Landesparteitag aber, von wachsender Skepsis, mit denen Menschen AfD-Mitgliedern begegneten. Von Schwierigkeiten, Sympathisanten zu einer Mitgliedschaft zu bewegen.
Und wie ist das mit der Schwäche? Immerhin sitzt die AfD inzwischen im Bundestag und allen Landtagen. Doch schon bei der Bayern-Wahl hatte man sich deutlich stärker gesehen: Von "15 Prozent plus x" war die Rede. Am Ende wurden es 10,2, der jüngste Bayerntrend sieht die AfD sogar nur noch bei acht Prozent. Der Start ins Europawahljahr könnte rosiger aussehen.
Unzufriedenheit mit der Bundespartei
Hinzu kommen die innerparteilichen Querelen. Bruchlinien werden deutlich in Greding, etwa zwischen Mandatsträgern und Basis, als Letztere massive Kritik am persönlichen Referenten der Fraktionschefin im Landtag, Katrin Ebner-Steiner, äußert. Dieser trat in einem Interview als "Pressesprecher der AfD Bayern" auf – ein Amt, das offiziell gar nicht besetzt ist.
Und auch zwischen dem bayerischen Landesverband und der Bundespartei knirscht es. Für den Europawahlkampf habe von den Parteigranden nur Jörg Meuthen zugesagt. Alice Weidel oder Betrix von Storch? Fehlanzeige. Als Sichert die Wahlplakate mit dem Motto "Geht's noch Brüssel" vorstellt, hagelt es Kritik. "Zwischen schlecht und prollig" bewertet etwa der Bundestagsabgeordnete Martin Hebner den Slogan.
Spagat zwischen "Dexit" und EU-Reform
Viel zu Europa ist von der AfD an diesem Tag aber nicht zu hören. Auch von Spitzenkandidat Zimniok kommt nicht viel Neues. Sollten in der EU keine "substanziellen Verbesserungen" eintreten, müsse man "die Reißleine ziehen", erklärt im Gespräch mit dieser Redaktion mit Blick auf einen möglichen deutschen EU-Austritt. Dann würde, weil Deutschland "der Zahlmeister" sei, die Staatengemeinschaft zerbrechen. Ein Szenario, das viele in der AfD lieber heute als morgen erleben würden. Zimniok – ein Mann der gemäßigten Töne – meint aber: "Die europäische Idee ist wunderbar." Man brauche "im internationalen Machtgefüge die gemeinsame Stärke". Die EU müsse "reformiert, nicht zerschlagen" werden.
Die anderen bayerischen Europakandidaten der AfD klingen härter. Sylvia Limmer fordert, man müsse in der Bevölkerung eine "Akzeptanz für den Dexit" schaffen. Rainer Rothfuß meint, dass Demokratie "auf europäischer Ebene" nicht funktioniere. Und Markus Buchheit sieht "eine gemeinsame Linie" mit dem französischen Front National oder der österreichischen FPÖ.
Mit welchen Partnern er im Europaparlament arbeiten wolle, will Zimniok nicht sagen. Unter Umständen brauche es eine neue Fraktion unter neuem Namen. Was gut sei an der EU? Zimniok versucht es mit Ironie: "Dass ich ohne Pass nach Italien einreisen kann."