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BERLIN
Kommt jetzt das Verbot für Tabakwerbung?
Zigaretten       -  Zigarettenreklame auf Werbetafeln – in der EU nur noch in Deutschland erlaubt. Doch damit könnte jetzt bald Schluss sein.
Foto: Ulrich Wagner | Zigarettenreklame auf Werbetafeln – in der EU nur noch in Deutschland erlaubt. Doch damit könnte jetzt bald Schluss sein.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 06.07.2019 02:11 Uhr

Deutschland ist das letzte Land in der Europäischen Union, das noch großflächige Werbung für Zigaretten zulässt. Doch schon bald könnte Schluss sein mit den Anzeigen auf Plakatwänden und Kinospots, die mit schönen Bildern Reklame für das gesundheitsschädliche Qualmen machen.

Ein unerwarteter Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sorgte vor einer Woche dafür, dass neue Bewegung in einen Prozess kam, der jahrelang festgefahren schien. „Wenn es nach mir geht, sollten wir die Werbung für Tabakprodukte verbieten“, sagte die Regierungschefin bei der Regierungsbefragung im Bundestag. Ihre Fraktion werde bis zum Jahresende dazu eine Stellungnahme verfassen, kündigte sie an. Nachgefragt hatten die Grünen – die kurz darauf mit einem eigenen Gesetzentwurf für eine Ausweitung des Tabakwerbeverbots scheiterten.

Schon 2005 hatte sich Deutschland mit der Unterzeichnung eines völkerrechtlich bindenden Vertrags der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Einführung eines weitreichenden Tabakwerbe-Banns verpflichtet. Doch seither ist kaum etwas passiert. Zwar wurde ein Gesetzentwurf erarbeitet, doch der kam nie zur Entscheidung. Vor allem die Union verhinderte die Umsetzung des Verbots.

Der damalige Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sorgte sogar noch auf den letzten Drücker dafür, dass das Vorhaben aus dem aktuellen Koalitionsvertrag herausgestrichen wurde. Hintergrund dürften die beträchtlichen Einnahmen sein, die deutsche Kommunen etwa durch die Vermietung von Plakatflächen für Tabakwerbung erzielen.

Seit Kauder von Ralph Brinkhaus abgelöst wurde, hat sich der Wind in der Union merklich gedreht. Der unerwartete Merkel-Satz tut ein übriges. So sagt Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU): „Meines Erachtens steht dem Werbeverbot nichts mehr im Wege.“ Es seien noch ein paar Randthemen zu klären, etwa das Inkrafttreten, so Nüßlein zu unsrer Redaktion. „Aber selbst der Zigarettenindustrie ist klar, dass ein Werbeverbot kommen wird“, glaubt er. Insgesamt sei er kein Freund von Verbotspolitik, ein Tabakwerbeverbot müsse eine Ausnahme bleiben: „Die Gesundheitsgefahren, die von Tabak – auch für Unbeteiligte – ausgehen, sind unbestreitbar und besonders. Ich sage das an die Adresse derer, die morgen mit einem Werbeverbot für Alkohol, Zucker oder fetthaltige Lebensmittel aufwarten.“

Lange hatte auch Marlene Mortler in der Union für ein umfassendes Reklameverbot für Zigaretten, Zigarren & Co gekämpft. Die 63-Jährige war in den vergangenen fünfeinhalb Jahren Bundesdrogenbeauftragte. Doch das Amt hat sie jetzt zusammen mit ihrem Bundestagsmandat abgegeben. Mortler war bei den Europawahlen erfolgreich und zieht ins EU-Parlament ein, wo sie sich hauptsächlich der Landwirtschaftspolitik widmen will. Wer Mortler als Drogenbeauftragte nachfolgt, ist noch nicht bekannt. Der Posten steht der CSU zu, im Gespräch sind dem Vernehmen nach der Münchener Arzt Stephan Pilsinger oder die Krankenpflegerin Emmi Zeulner aus Oberfranken.

„Wenn es nach mir geht, sollten wir die Werbung für Tabakprodukte verbieten.“
Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther kritisiert: „Marlene Mortler hat es in ihrer Amtszeit als Drogenbeauftragte nicht geschafft, das Tabakwerbeverbot durchzusetzen. Es wäre ein notwendiges Signal, wenn ihre Nachfolgerin ein glücklicheres Händchen beweisen könnte.“ Die Koalition müsse die Sommerpause nutzen, um das von der Bundeskanzlerin angekündigte Tabakwerbeverbot auf den Weg zu bringen, sagte sie unserer Redaktion.

Auch Ärztevertreter drängen die Politik zur Eile. Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes, fordert: „Es ist höchste Zeit, Tabakwerbung im öffentlichen Raum zu unterbinden, damit gerade Kinder und Jugendliche nicht länger durch Außenreklame und Kinowerbung buchstäblich zum Rauchen verführt werden. Jährlich 120 000 vorzeitige Todesfälle durch Tabak mahnen uns dringend zum Handeln.“

 
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