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WÜRZBURG
Im Spessart festgenommener Iraner wird ein Fall für Merkel
Rastanlage wegen Sprengstoffverdachts zeitweise gesperrt       -  Wegen des Verdachts auf Sprengstoff in einem Auto war die Rastanlage auf der Autobahn 3 bei Aschaffenburg zeitweise gesperrt gewesen. Sprengstoff wurde keiner gefunden. Doch der Diplomat, der mit europäischem Haftbefehl gesucht wurde, wurde festgenommen.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand (dpa) | Wegen des Verdachts auf Sprengstoff in einem Auto war die Rastanlage auf der Autobahn 3 bei Aschaffenburg zeitweise gesperrt gewesen. Sprengstoff wurde keiner gefunden.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:57 Uhr

Der in Würzburg in Untersuchungshaft sitzende iranische Diplomat Assadollah A. sorgt in Berlin für Wirbel. In einem offenen Brief fordern namhafte Persönlichkeiten der deutschen Politik Kanzlerin Angela Merkel auf, politischen Druck aus dem Iran nicht nachzugeben, den 46-Jährigen freizulassen.

Im Spessart festgenommen

Gegen den Mann laufen Ermittlungen in Deutschland, Belgien und Frankreich. A., der Mitarbeiter des Geheimdiensts sein soll, war Ende Juni an der Raststätte Spessart festgenommen worden. Er steht unter Verdacht, Drahtzieher eines vereitelten Terroranschlages auf Tausende iranischer Oppositioneller in Paris im Juni gewesen zu sein.

Auslieferung nach Belgien?

Sprengstoffalarm neben Autobahn-Tankstelle       -  Sprengstoffalarm neben Autobahn-Tankstelle: Eine eigentlich routinemäßige Verkehrskontrolle löste am Sonntag einen Großeinsatz der Polizei auf der A 3 bei Rohrbrunn (Lkr. Aschaffenburg) aus.
Foto: NEWS5 / Patzak (NEWS5) | Sprengstoffalarm neben Autobahn-Tankstelle: Eine eigentlich routinemäßige Verkehrskontrolle löste am Sonntag einen Großeinsatz der Polizei auf der A 3 bei Rohrbrunn (Lkr. Aschaffenburg) aus.

Offenbar gibt es im Hintergrund heftiges juristisches Gerangel um den Mitarbeiter der Botschaft in Wien, der in Deutschland keine diplomatische Immunität genießt. Nach A. war mit einem europäischen Haftbefehl aus Belgien gesucht worden. Nach seiner Festnahme hatte ein Sprecher der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Bamberg auf Anfrage erklärt, seine Auslieferung nach Belgien stehe bevor.

Eigene Ermittlungen

Doch nach Informationen unserer Redaktion sitzt der 46-Jährige nach wie vor unter Hochsicherheits-Bedingungen in der JVA Würzburg und wird von einem hiesigen Strafverteidiger betreut. Anfragen zu seinem Verbleib blieben von der Generalstaatsanwaltschaft unbeantwortet. Die deutsche Bundesanwaltschaft hat ein eigenes Ermittlungsverfahren gegen den Mann eröffnet.

Zwei Ex-Minister unterschrieben

Der offene Brief an die Kanzlerin ist auch vom unterfränkischen CSU-Politiker Eduard Lintner aus Münnerstadt unterschrieben, der ein mögliches Opfer des Anschlages geworden wäre. Er hatte als deutscher Gastredner auf der Versammlung bei Paris vor 25 000 iranischen Oppositionellen gesprochen. Man müsse davon ausgehen, dass der Geheimdienst in der iranischen Botschaft in Wien, „dem A. anzugehören scheint, einen Mordauftrag von erheblichem Ausmaß auf europäischem Boden in Auftrag gegeben“ habe, heißt es in dem Brief an Merkel.

Die deutsche Regierung solle dem Druck zu einer Freilassung nicht nachgeben, „damit die dritte Gewalt in Deutschland ihrer Aufgabe der Strafverfolgung nachkommen kann,“ heißt es in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt. Unter den Unterzeichnern des Briefes an Angela Merkel ist der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), der ehemalige Kanzlerberater Horst Teltschik, eine Reihe von Bundestagsabgeordneten sowie Christian Zimmermann, Leiter des Büros für Menschenrechte in Berlin.

Sprengstoff-Experte

Assadollah A. soll – wie es aus französischen, belgischen und deutschen Sicherheitskreisen heißt – bereits im März 2018 ein in Antwerpen lebendes Ehepaar iranischer Herkunft beauftragt haben, einen Sprengstoffanschlag auf die jährliche „Große Versammlung“ der iranischen Auslandsopposition am 30. Juni 2018 in Villepinte (Frankreich) zu verüben. Rund 25 000 Menschen hatten daran teilgenommen.

Ehepaar angeleitet

Der Beschuldigte soll dem Ehepaar Ende Juni 2018 in Luxemburg-Stadt eine Sprengvorrichtung mit 500 Gramm des Sprengstoffes Triacetontriperoxid (TATP) übergeben haben. Am Tag des geplanten Anschlages haben belgische Sicherheitsbehörden das Ehepaar auf dem Weg nach Frankreich festgenommen und die Sprengvorrichtung sichergestellt. Im Auto von A. fanden die unterfränkischen Polizisten entgegen des ersten Verdachts keinen Sprengstoff.

Wusste Irans Regierung Bescheid?

Neben dem offenen Brief präsentierten iranische Oppositionelle gemeinsam mit Lintner am Mittwoch im Haus der Bundespressekonferenz weitere Fakten zu den Hintergründen des Attentats. Javan Dabiran, von der Deutschland-Vertretung des Nationalen Widerstandsrates Iran, betonte dabei: A. habe als Mitglied des Geheimdienstes MOIS zahlreiche Stationen der Einheit in Europa beaufsichtigt. Er verfüge über große Erfahrung mit Sprengstoff-Anschlägen.

Die Entscheidung zu dem Attentat sei „auf höchster Ebene des Regimes, nämlich vom Obersten Sicherheitsrat unter Leitung von Hassan Rohani beschlossen und von Regimeführer Khamenei bestätigt“ worden, heißt es in Dabirans Rede in Berlin. Zu den Mitgliedern dieses Sicherheitsrates gehöre auch der iranische Außenminister Javad Zarif.

Eine Intrige?

Präsident Rohani und Außenminister Zarif hatten nach der Festnahme des Diplomaten in Bayern der Darstellung widersprochen, hinter dem Anschlag stecke der iranische Staat. Zarif äußerte den Verdacht einer Intrige und sprach von Inszenierung. Wer immer das Attentat auf die Regimegegner geplant habe, habe nicht im Interesse des Iran gehandelt. „Der Iran verurteilt unzweideutig sämtliche Gewalt und Terror überall und ist bereit, mit allen Betroffenen zusammenzuarbeiten, um diese unheimliche, unter falscher Flagge durchgeführte Machenschaft aufzudecken“.

Warnung aus US-Außenministerium

Die Initiatoren der Pressekonferenz in Berlin äußerten die Befürchtung, dass weiterer Terror in den Botschaften des Iran geplant wird. Nahrung erhält diese Sorge aus dem US-Außenministerium. Dort warnte ein hoher Beamter vor Kurzem während eines Hintergrundgesprächs eindringlich vor der möglichen Bedrohungslage: „Wenn Iran Bombenanschläge in Paris planen kann, können sie Anschläge überall auf der Welt planen.“ Alle Staaten seien aufgerufen, Diplomaten in iranischen Botschaften zu überprüfen, um die Landessicherheit zu gewährleisten. Der Fall Assadollah A. sei nur der letzte in einer langen Reihe von Fällen, in denen der Iran Botschaften nutze, um Terrorattacken zu planen.

Detaillierte Informationen zu der Pressekonferenz der iranischen Opposition und zum Fall des in Würzburg inhaftierten Geheimdienst-Mitarbeiters gibt es am Nachmittag.

 
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