Nach den Gewaltausbrüchen in Chemnitz wegen des gewaltsamen Todes eines Mannes am Rande eines Stadtfestes haben Politiker die Eskalation scharf verurteilt. „In Deutschland ist kein Platz für Selbstjustiz, für Gruppen, die auf den Straßen Hass verbreiten wollen, für Intoleranz und für Extremismus“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland fordert in einem Facebook-Post: „Wir müssen diesem Mob Einhalt gebieten – jetzt! Bevor es zu spät ist.“
In Chemnitz war am Wochenende bei einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Besuchern des Stadtfestes ein 35 Jahre alter Deutscher niedergestochen worden und später gestorben. Danach marschierten am Sonntag Anhänger rechter Gruppierungen auf. Rund 1000 Menschen folgten dem Aufruf einer rechten Ultra-Gruppierung aus dem Umfeld des Fußball-Regionaligisten Chemnitzer FC.
Auf Videos ist zu sehen, wie Ausländer und auch Polizisten aus der Menge heraus attackiert wurden. Zu hören sind Rufe wie „Wir sind das Volk“, aber auch rechte Parolen wie „Deutsch, sozial, national“. Wegen Sicherheitsbedenken war zuvor das Stadtfest abgebrochen worden.
Haftbefehle erlassen
Ein Haftrichter erließ am Montag auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehle gegen einen 23-jährigen Syrer und einen 22 Jahre alten Iraker wegen gemeinschaftlichen Totschlags. Sie sollen nach dem Streit mehrfach ohne erkennbaren Grund auf das Opfer eingestochen haben. Für Montagabend waren erneut zwei Demonstrationen in Chemnitz geplant – eine von Rechts und eine Gegendemonstration von Links.
Der sächsische Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) verurteilte Hetze und Selbstjustiz. „Es ist widerlich, wie Rechtsextreme im Netz Stimmung machen und zur Gewalt aufrufen. Wir lassen nicht zu, dass das Bild unseres Landes durch Chaoten beschädigt wird.“ Zentralratspräsident Schuster sagte, „nie wieder“ dürfe es in Deutschland akzeptiert werden, dass Menschen nur wegen ihres Äußeren oder ihrer Herkunft angegriffen werden.
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) mahnte, die Ermittlungen der Polizei zum Tod des 35-Jährigen abzuwarten. „Wir haben Spekulationen, wir haben Mutmaßungen, wir haben Falschmeldungen und regelrechte Lügen im Netz.“
Burkhard Hose empört über Tweed von AfD-Abgeordnetem
Auch die AfD distanzierte sich von der Gewalt. Sie hatte am Sonntag ebenfalls eine Demonstration in Chemnitz veranstaltet. Diese habe „nichts, aber auch gar nichts, mit den anschließend stattgefundenen Jagdszenen zu tun“ gehabt, erklärte der sächsische Parteichef Jörg Urban. Derweil sorgt der baden-württembergische AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier mit einem Tweet für Empörung. „Wenn der Staat die Bürger nicht mehr schützen kann, gehen die Menschen auf die Straße und schützen sich selber. Ganz einfach! Heute ist es Bürgerpflicht, die todbringende ,Messermigration' zu stoppen!“ Für den Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose ist der Kommentar ein Aufruf zur „Lynchjustiz“. Er belege, „wie Pogromstimmung erzeugt wird“. Deshalb hat er an Wolfgang Schäuble (CDU) geschrieben. Der Bundestagspräsident möge überprüfen, so Hose, inwieweit die Äußerungen Frohnmaiers „mit dem Ansehen und Selbstverständnis des Parlaments vereinbar sind“ und gegebenenfalls Sanktionen gegen den AfD-Abgeordneten verhängen.
Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz hat nach eigenen Angaben in Chemnitz zuletzt immer wieder Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Rechtsextremisten und Migranten registriert.