Sie haben teilweise nicht einmal zehn Mitarbeiter, arbeiten in der Masse aber erfolgreicher als viele große Industriekonzerne: Familiengeführte Unternehmen sind einer Studie zufolge die Jobmotoren in Deutschland. Die größten 500 Familienunternehmen bauten zwischen 2007 und 2016 die Beschäftigung in Deutschland um 23 Prozent auf 2,54 Millionen aus. Die 27 börsennotierten Dax-Unternehmen, die keine Familienunternehmen sind, konnten die Beschäftigung hingegen nur um vier Prozent auf 1,55 Millionen steigern.
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Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung, die vom Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und dem Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erstellt wurde. Die Studie wird am Montag veröffentlicht und lag dieser Redaktion vorab vor.
Studie widerspricht der Industriestartegie der Bundesregierung
Bayern ist der Studie zufolge besonders stark. Demnach kommen 89 der Top-500-Familienunternehmen aus Deutschlands südlichstem Bundesland. Gemessen an der Zahl der Beschäftigten sind es sogar 100 Unternehmen. Die 100 größten Familienunternehmen Bayerns stellen weltweit 729 000 Arbeitsplätze. Das ist eine Steigerung von mehr als 49 Prozent im Zehnjahreszeitraum 2007 bis 2016. Die Studie birgt gewaltigen Zündstoff und wird in der Bundesregierung für einige Unruhe sorgen, denn sie widerspricht in wichtigen Teilen der Nationalen Industriestrategie von Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Der CDU-Politiker will angesichts der zunehmenden Konkurrenz vor allem aus China neue „nationale wie europäische Champions“ schaffen.
Zahlreiche Wirtschaftsverbände, darunter der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), hatten Altmaier bereits vorgeworfen, dabei zu sehr auf die großen Player abzuheben und den Mittelstand zu vernachlässigen. Die Studie der Stiftung Familienunternehmen ist Wasser auf die Mühlen der Altmaier-Kritiker.
Der Chor der Altmaier-Kritiker ist groß
„Familienunternehmen sind in schwierigen Zeiten der Stabilitätsanker der deutschen Volkswirtschaft“, betont auch Brun-Hagen Hennerkes. Er ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Familienunternehmen, die unter anderem seit 2006 grundlegende Zahlen zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der Familienunternehmen sammelt und auswertet. „In Staaten wie China, den USA und Frankreich werden wir um unsere Familienunternehmen beneidet“, sagt Hennerkes und fordert die Bewahrung dieser „einzigartigen Unternehmenslandschaft“. Auch Hennerkes stimmt in den Chor der Altmaier-Kritiker ein. „Eine Europa umfassende Industriepolitik muss die deutschen Familienunternehmen angemessen berücksichtigen“, fordert er mit Blick auf die Pläne des Bundeswirtschaftsministers. Denn der will nicht nur eine deutsche, sondern auch eine langfristige EU-Industriestrategie mit dem Ziel entwickeln, „die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu erhalten und nachhaltig zu stärken“.
Die Zahlen der Stiftung mahnen Altmaier und die Bundesregierung, die Wirtschaftskraft im eigenen Land nicht zu vernachlässigen und vor allem, nicht ständig auf die ganz großen Konzerne zu schielen. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen lassen sich Forderungen formulieren, auf die Altmaier und die Bundesregierung eine Antwort geben müssen.
„Familienunternehmen verlangen keine Subventionen und wünschen keine Bevorzugung, sie benötigen aber faire Wettbewerbsbedingungen. Hier gibt es erheblichen Handlungsbedarf“, erklärt Stiftungs-Chef Hennerkes und sagt auch gleich, wo der Schuh drückt: Vor allem hohe Steuern und Energiekosten bedrohen demnach die Standfestigkeit der Familienunternehmen – und damit den deutschen Jobmotor.