Sollen Schnitzel und Steak, Grillwurst und Salami teurer werden, um bessere Haltungsbedingungen für Nutztiere zu ermöglichen? Um diese Frage ist eine heftige Debatte entbrannt. Agrarpolitiker von SPD und Grüne wollen die Mehrwertsteuer für Fleisch von sieben auf 19 Prozent erhöhen und mit den Einnahmen für mehr Tierwohl sorgen. Auch die Union zeigt sich aufgeschlossen für eine Verteuerung von Fleisch, berichtet die „Welt“.
Doch gegen den Vorstoß gibt es heftigen Widerstand: FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg sagte dieser Redaktion: „Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte würde die Bürger mit Milliarden belasten, ohne einen nachhaltigen Effekt auf das Klima und das Tierwohl zu haben.“ Sie warnte: „Gerade hochwertiges und artgerecht produziertes Fleisch würde für Familien und ärmere Menschen noch teurer.“ Für Teuteberg verabschieden sich SPD, Grüne und Teile der Union „hier von Maß und Mitte und verfallen einem schädlichen Aktionismus.“ Jedem Problem eine Steuer hinterherzuwerfen sei das „Eingeständnis kompletter Hilflosigkeit“.
Kritik des Deutschen Bauernverbands
Die Linkspartei lehnt eine Fleischsteuer ab, weil sie besonders sozial benachteiligte Menschen treffe. Amira Mohamed Ali, tierschutzpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sagte dieser Redaktion, dass der Umbau zu tiergerechteren Haltungsbedingungen bereits heute finanziert werden könne. „Die deutsche Landwirtschaft erhält jedes Jahr mehr als sechs Milliarden Euro an Subventionen. Diese werden in erster Linie nach Größe der Betriebsflächen ausgezahlt. Wir wollen, dass das Geld künftig für tiergerechte Haltung und nachhaltigen Ackerbau fließt.“ Auch die AfD-Fraktion im Bundestag ist gegen eine zusätzliche Fleischsteuer.
Kritisch äußert sich der Deutsche Bauernverband. „Nicht der Fiskus, sondern die Landwirte brauchen Mittel und Unterstützung für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung“, sagte Generalsekretär Bernhard Krüsken. Er sieht auch „Marktpartner und Verbraucher“ in der Pflicht. Krüsken: „Weder dem Tierwohl noch dem Klimaschutz ist gedient, wenn die deutschen Landwirte weiter in mehr Tierwohl investieren und der Markt sich preisgünstig aus anderen EU-Ländern mit niedrigeren Tierwohlstandards versorgt. Deshalb brauchen wir auch eine flächendeckende und verbindliche Kennzeichnung der Haltungsform, die auch die Fleischwaren mit einschließt.“
Klöckner: Mehr Tierwohl gibt es nicht zum Nulltarif
In der Bundesregierung fallen die Reaktionen auf die Vorstöße, die ja auch aus den Reihen der GroKo-Parteien kommen, verhalten aus. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sagte: „Die Debatte zeigt: Es gibt eine Sensibilität dafür, dass mehr Tierwohl nicht zum Nulltarif zu haben ist und mehr Geld kostet. Das Geld muss nicht automatisch aus Steuererhöhungen kommen, sondern kann durch Schwerpunktsetzungen erreicht werden.“ Auch der Verbraucher an der Ladenkasse habe es in der Hand, welche Wirtschaftsweise er unterstütze: „Bauern erzeugen das, was nachgefragt wird.“ Klöckner bekräftigte ihre Forderung nach einem Kennzeichen, das Verbrauchern „beim Kauf klare Orientierung gibt, wo mehr für das Wohlbefinden des Tieres getan wurde“.
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Ein Sprecher des SPD-geführten Umweltministeriums sagte, es gebe bessere Instrumente, die Probleme mit der Massentierhaltung einzudämmen, als die Mehrwertsteuer. Etwa das Düngerecht. Zudem müsse im Rahmen der europäischen Agrarreformen entschieden werden, welche Art von Landwirtschaft künftig gefördert werden solle.
Bedenken hat auch das Finanzministerium. Eine zweckgebundene Verwendung von Steuereinnahmen sei bis auf wenige Ausnahmen in Deutschland nicht erlaubt, sagte eine Sprecherin.
Produzierte Fleischmenge ist zurückgegangen
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben die Schlachtbetriebe in Deutschland im ersten Halbjahr 2019 rund 29,4 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde geschlachtet. Damit wurde deutlich weniger Fleisch produziert als im Vorjahreszeitraum. Die Fleischmenge inklusive Geflügelfleisch ist um 2,6 Prozent auf 3,9 Millionen Tonnen zurückgegangen.
Wie viel Lebensmittel kosten müssten, wenn die Folgekosten berücksichtigt würden, das hat vor einigen Monaten Tobias Gaugler untersucht. Der Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Augsburg hat für Produkte aus ökologischer und konventioneller Landwirtschaft die Preise neu berechnet. Und dabei auch Umweltschäden mit einbezogen, die durch die Landwirtschaft entstehen – etwa durch den Einsatz nitrathaltigen Düngers, den Energieverbrauch und die Entstehung von Klimagasen. Sein Fazit: Würden all die Folgekosten berücksichtigt, wäre unser Essen um ein Vielfaches teurer. Die Erzeugerpreise für Fleisch aus konventioneller Landwirtschaft müssten dann um 196 Prozent, also auf fast das Dreifache ansteigen. Aber auch die Erzeugerpreise für Biofleisch müssten steigen – allerdings nur um 82 Prozent. Da die Erzeugerpreise nur einen Teil des Endpreises ausmachten, würden Verbraucher aber nicht im selben Maße belastet werden.
Mit dem Zusammenhang von Fleischkonsum und Klimawandel hat sich Charlotte Streck von der Klimaschutz-Beratung „Climate Focus“ beschäftigt. Neben dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist für sie eine Senkung des Fleischkonsums der „wichtigste Hebel“ im Kampf gegen die Erderwärmung.