Bayern will Hass und Hetze gegen Kommunalpolitiker in Bayern künftig konsequenter und effektiver bekämpfen. Beleidigungen, Bedrohungen aber auch konkrete Gewalt gegen Bürgermeister oder Gemeinderäte "haben leider ein erschreckend hohes Ausmaß angenommen", warnt Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU): Wurden 2017 noch 194 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger angezeigt, stieg diese Zahl 2019 bereits auf 272 Fälle. In diesem Jahr wurden alleine bis Ende Mai 158 Straftaten gemeldet. Rund ein Drittel dieser Attacken fand im Internet statt.
"Diese Angriffe haben Folgen für die Betroffenen selbst, aber auch für das politische Klima im Land", befürchtet Eisenreich. "Als Demokraten dürfen wir den Hass und die Gewalt nicht hinnehmen", findet auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Bayern stelle sich deshalb mit einem neuen Maßnahmen-Paket hinter die Kommunalpolitiker. Damit verbunden sei eine klare Botschaft, so Herrmann: "Wer Kommunalpolitiker mit Worten oder Taten angreift, muss mit Konsequenzen rechnen."
Digitale Straftaten können künftig digital angezeigt werden
Konkret sollen im Bereich der Justiz Online-Straftaten etwa in E-Mails oder in Sozialen Netzwerken in einem Online-Meldeverfahren künftig direkt an einen zentralen "Hate Speech"-Beauftragten der Staatsanwaltschaft gemeldet werden. "So ist es schnell und einfach möglich, Anzeige zu erstatten", sagt Eisenreich.
Zudem gibt es an allen bayerischen Staatsanwaltschaften künftig feste Ansprechpartner, an die sich Kommunalpolitiker wenden können und die für eine effektive Strafverfolgung sorgen sollen. Hass-Kriminalität gegen Amtsträger wird zudem künftig immer als Offizialdelikt von der Staatsanwaltschaft verfolgt, aufwändige Privatklagen sollen nicht mehr nötig sein.
Bei Hass-Attacken ermittelt nun immer der Staatsschutz
Auf Seiten der Polizei sollen bei Hass-Attacken künftig immer speziell geschulte Staatsschutz-Beamte ermitteln, auch Cybercrime-Spezialisten können hinzugezogen werden. Ausgebaut werden soll zudem die Beratung der Betroffenen – von der Sicherung der privaten Wohnung bis zu psychologischer Hilfe. "Es ist sehr wichtig, solche Angriffe von Anfang an ernst zu nehmen", sagt Herrmann.
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Die Sicherheitsbehörden wollen zudem den Druck auf die Betreiber Sozialer Netzwerke erhöhen, Hass-Inhalte schneller zu löschen. Notwendig sei auch eine bessere Kooperation bei der Strafverfolgung, fordert Eisenreich: "Soziale Netzwerke müssen auch soziale Verantwortung übernehmen." So müsse ein Auskunftsanspruch der Staatsanwaltschaft nach der realen Person hinter einem Facebook-Konto oder einer E-Mail-Adresse "endlich ohne Wenn und Aber erfüllt werden", verlangt Eisenreich. Bislang werde auf entsprechende Anfragen mitunter nicht einmal geantwortet.
Grüne: Sexualisierte Angriffe auf Frauen gezielt bekämpfen
Die Opposition zeigte sich mit dem Maßnahmen-Paket noch nicht zufrieden: "Es ist ein erster guter Anfang, aber noch nicht die große Lösung", findet etwa die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze. Nötig seien etwa noch spezielle Lösungen für oft sexualisierte Angriffe auf Frauen in der Kommunalpolitik, aber auch mehr Aufklärung über den gesellschaftlichen Wert des politischen Engagements in den Kommunen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Klaus Adelt fordert zudem eine einzige zentrale Anlaufstelle für Betroffene.
Der Knetzgauer Bürgermeister Stefan Paulus – selbst bereits Opfer von Hass-Attacken – sieht gute Ansätze: "Es hilft sicher, wenn der Staat hier Grenzen setzt." Das Kernproblem sei aber ein schärfer werdendes gesellschaftliches Klima, das auch Erzieher, Lehrer oder Feuerwehrleute treffe: "Die Hemmschwellen sinken immer weiter", warnt Paulus. Gleichzeitig bräuchten aber auch die Kommunen "eine stärkere Lobby, um die Probleme der Menschen vor Ort besser lösen zu können".