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LESERANWALT
Wider höfliche Antwort-Phrasen
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:35 Uhr

Erfreut sollten Redaktionen sein, darüber, dass es noch genug Menschen gibt, die stark an ihrer Zeitung hängen. Dafür gibt es Erkennungsmerkmale. Diese Leser machen nämlich Themen-Vorschläge, schreiben Leserbriefe oder beschweren sich. Auch letzteres kann dafür stehen, dass man seine Zeitung für wichtig hält. Das bleibt auf Dauer aber nur so, wenn die Redaktion ausreichend darauf reagiert. Auf den richtigen Umgang kommt es immer an: Man sollte jedenfalls nicht Gefahr laufen, rege Leser für lästig zu halten.

 

Erwartung und Enttäuschung

Ein enttäuschter Herr F. aus Bad Neustadt schreibt mir, er habe es früher nicht für möglich gehalten, dass seine höflichen, aber unbequemen Fragen einfach ignoriert werden und unbeantwortet bleiben. Er macht deutlich, dass er sich dabei nicht mit höflichen Antwort-Phrasen zufriedengibt, nicht mit Ausreden und Rechtfertigungen, dass Briefe nicht angekommen oder zuständige Mitarbeiter krank seien. Herr F. erwartet Stellungnahmen, Erklärungen oder Begründungen.

 

Der Vorschlag

Eine hohe Anforderung an Redaktionen, die ich nicht selten sinngemäß aus der Leserschaft vernehme, also nicht nur von Herrn F.. Der hatte nur vorgeschlagen, zu berichten, wie ein Reiseunternehmen ihn und seine Frau „abgezockt“ hätten. 23 Tage vor Reiseantritt habe sich seine Frau so schwer verletzt, dass die Reise nicht angetreten werden konnte. Aber nur fünf Prozent der Kosten wurden zurückerstattet. Nun wollte er Reisewillige mittels Zeitung warnen lassen. Sie sollten beachten, was – wie in seinem Fall – klein in den Geschäftsbedingungen stehe.

Nachgefasst hatte er mit seinem Vorschlag in einer Reihe von Schreiben in den Verlag hinein, bis hin zur Geschäftsführung, die freilich andere wichtige Aufgaben hat.

 

Gründe, die niemand mitgeteilt hat

Fazit: Das wohlwollende und verständliche Ansinnen von Herrn F. hätte durchaus einer journalistischen Recherche und eines Berichtes wert sein können. Aber zwingend notwendig ist ein solcher Beitrag wiederum auch nicht. Einer der möglichen Gründe für eine Ablehnung, die ihm niemand mitgeteilt hat: es gab schon vergleichbare Artikel.

Dann war da aber noch ein selbst gemachtes Hochwasserfoto, das Herr F. der Redaktion überließ. Dort konnte er später aber auch nach telefonischer Nachfrage noch nicht einmal mehr herausfinden, wo das unveröffentlichte Werk verblieben ist.

 

Durchschaubar bleiben

Unerklärte Ablehnungen nach vernünftigen Zuschriften sollten eine Ausnahme sein, bei allem Verständnis für hohe redaktionelle Arbeitsbelastungen, für viele andere Leser-Zuschriften, die beantwortet werden müssen, für Urlaub oder Krankheit. Jemand sollte den Überblick und die Zeit haben, um auf Anfragen Erklärungen liefern zu können. Ich meine, mindestens nach einer Woche. Auch dadurch sollte redaktionelle Arbeit für Leser durchschaubar bleiben. Sie sollte keinen Raum für Unterstellungen bieten, wie die, manche Artikel würden mit Rücksicht auf Anzeigenkunden nicht veröffentlicht.

 

Lesern und Nutzern gerecht werden

Verstehen kann ich Herrn F.. Nach dem langen Telefongespräch, das ich inzwischen mit ihm geführt habe, hoffe ich, dass er sein Abo nicht kündigt, wie er es „mit großem Bedauern“ in seiner Beschwerde erkennen  ließ. Für meine Hoffnung könnte auch stehen, dass Herr F. auf eine erklärende, transparente Redaktion trifft.

Und das sollte kein Problem sein. Redaktionen wissen aus Erfahrung schließlich selbst recht gut, dass Kommunikation mit Lesern der Zeitung etwas anders aussieht, als der schnelle zeitnahe Dialog mit digitalen Nutzern ihrer Angebote. Beides ist nicht einfach. Doch es bleibt noch lange unverzichtbar, beidem gerecht zu werden.

Ähnliche Leseranwalt-Kolumnen:

"Transparenz, Baustein für Glaubwürdigkeit" (2017)

"Was Auszeichnungen und Fehler verbindet" (2017)

  

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de

 
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