Weltweite Vernetzung egalisiert im Internet den Pressekodex
Den Namen des Copiloten der Maschine von Germanwings haben Sie in dieser Zeitung nicht gelesen und kein Bild von ihm gesehen, obwohl vieles dafür spricht, dass das Flugzeug seinetwegen an einem Berg zerschellt ist und mit ihm 149 Menschen in den Tod gerissen hat. Es war eine schwierige Entscheidung, zu verzichten, auch weil die ganze Welt den Namen längst aus dem Internet erfahren konnte.
Juristisch steht der Identifizierung des toten Copiloten kaum etwas im Wege. Auf tragische Weise wurde er zur Zeitgeschichte. Aber hierzulande gibt es an dieser Stelle erhöhte journalistische Verantwortung. Der Pressekodex, Richtlinie 12.3, gebietet Berichterstattern Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die sollen nicht ein zweites Mal zu Opfern werden. Das ist im vorliegenden Fall wohl öfter passiert. Vor Ort recherchieren Journalisten, darunter solche, die Privates rücksichtslos ausschlachten. Wenn dort alle den Bekannten und Verwandten des Copiloten nachspüren, drohen Spekulationen, die die Wirklichkeit nur noch schwer erkennen lassen. Gründe genug auf seine Identifizierung zu verzichten. Aus meiner Sicht sollte das Interesse der Öffentlichkeit – auch an seinem Namen – noch hinter dem Schutz der Privatsphäre Angehöriger und dem unbeeinflussten Fortgang der laufenden Ermittlungen zurückstehen. Für das Verständnis der Nachrichten bedarf es keines Namens.
Man soll sich das nicht wünschen: Doch nie zuvor wurde den Menschen hierzulande eine Flugzeugkatastrophe so nahe gebracht. Sie hat auch medialen Ehrgeiz herausgefordert. Alle digitalen Kommunikationswege werden optimal genutzt – aber nicht nur von Journalisten. Viele beteiligen sich. Die Tragödie kommt ständig überall an. Den Schutz Trauernder, den egalisiert die weltweite digitale Vernetzung. Eine Reihe von deutschen Medien hat nun ebenfalls ihre Zurückhaltung aufgegeben und den Namen des Copiloten genannt. Sie meinen, dass die Faktenlage zur Absturzursache mittlerweile so ausreichend sei, dass sein Name genannt werden müsse. Dabei befinden wir uns noch immer im Bereich der Verdachtsberichterstattung. Nichts ist wirklich erwiesen. www.presserat.de .
Wie diese Zeitung wahren viele Medien bislang die Privatsphäre. Sie berichten keinen Namen. Aber dass sich deswegen deutsche Ethik-Vorstellungen in aller Welt durchsetzen, ist unwahrscheinlich. Stellenweise (so in Spanien) wurden mittels Passagierliste Opfer in Text und Bild samt Reisezweck und Ziel vorgestellt.
So ist zu befürchten, dass es fortan zum allgemeinen Lebensrisiko Trauernder gehört, in vergleichbaren Fällen mit dem Verlust eines geliebten Menschen noch die Wucht eines umfassenden medialen Zugriffs auf das eigene Leben zu ertragen. Egal, ob sie das wollen oder nicht.
Zu finden unter www.mainpost.de/8645514
Anton Sahlender, Leseranwalt
Juristisch steht der Identifizierung des toten Copiloten kaum etwas im Wege. Auf tragische Weise wurde er zur Zeitgeschichte. Aber hierzulande gibt es an dieser Stelle erhöhte journalistische Verantwortung. Der Pressekodex, Richtlinie 12.3, gebietet Berichterstattern Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die sollen nicht ein zweites Mal zu Opfern werden. Das ist im vorliegenden Fall wohl öfter passiert. Vor Ort recherchieren Journalisten, darunter solche, die Privates rücksichtslos ausschlachten. Wenn dort alle den Bekannten und Verwandten des Copiloten nachspüren, drohen Spekulationen, die die Wirklichkeit nur noch schwer erkennen lassen. Gründe genug auf seine Identifizierung zu verzichten. Aus meiner Sicht sollte das Interesse der Öffentlichkeit – auch an seinem Namen – noch hinter dem Schutz der Privatsphäre Angehöriger und dem unbeeinflussten Fortgang der laufenden Ermittlungen zurückstehen. Für das Verständnis der Nachrichten bedarf es keines Namens.
Man soll sich das nicht wünschen: Doch nie zuvor wurde den Menschen hierzulande eine Flugzeugkatastrophe so nahe gebracht. Sie hat auch medialen Ehrgeiz herausgefordert. Alle digitalen Kommunikationswege werden optimal genutzt – aber nicht nur von Journalisten. Viele beteiligen sich. Die Tragödie kommt ständig überall an. Den Schutz Trauernder, den egalisiert die weltweite digitale Vernetzung. Eine Reihe von deutschen Medien hat nun ebenfalls ihre Zurückhaltung aufgegeben und den Namen des Copiloten genannt. Sie meinen, dass die Faktenlage zur Absturzursache mittlerweile so ausreichend sei, dass sein Name genannt werden müsse. Dabei befinden wir uns noch immer im Bereich der Verdachtsberichterstattung. Nichts ist wirklich erwiesen. www.presserat.de .
Wie diese Zeitung wahren viele Medien bislang die Privatsphäre. Sie berichten keinen Namen. Aber dass sich deswegen deutsche Ethik-Vorstellungen in aller Welt durchsetzen, ist unwahrscheinlich. Stellenweise (so in Spanien) wurden mittels Passagierliste Opfer in Text und Bild samt Reisezweck und Ziel vorgestellt.
So ist zu befürchten, dass es fortan zum allgemeinen Lebensrisiko Trauernder gehört, in vergleichbaren Fällen mit dem Verlust eines geliebten Menschen noch die Wucht eines umfassenden medialen Zugriffs auf das eigene Leben zu ertragen. Egal, ob sie das wollen oder nicht.
Zu finden unter www.mainpost.de/8645514
Anton Sahlender, Leseranwalt
Themen & Autoren / Autorinnen
In der Leseranwalt-Kolumne, Montag, 29.3. ("Der Schutz trauernder Hinterbliebener durch den Pressekodex löst sich im Internet auf") habe ich geschrieben, der Deutsche Presserat habe wissen lassen, dass der Name des Copiloten der abgestürzten Maschine nun genannt werden dürfe. Das ist nicht richtig. Der Presserat hat das nicht wissen lassen. Er verweist nach wie vor auf seine Richtlinien, vor allem auf den Opferschutz (www.presserat.de) Der Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Presserat, Oliver Schlappat, erklärte auf meine Rückfrage, dass im Zweifelsfall eher auf die Namensnennung verzichtet werden solle. Über Beschwerden zur Germanwings-Berichterstattung, also auch über die Namensnennung des Copiloten, werde erst im Juni im jeweiligen Einzelfall entschieden. Die Entscheidung über die aktuelle Berichterstattung müsse bei den Journalisten bleiben. Ich entschuldige mich, für meinen Fehler. Anton Sahlender
die Mainpost hat bereits selbst den vollen Namen des Copiloten veröffentlicht. Geben Sie einfach dessen Namen in die Suchfunktion und sie finden die entsprechenden Artikel der Mainpost vom 26. und 27. März 2015.
Anton Sahlender, Leseranwalt
"Der Co-Pilot, der die Unglücksmaschine zum Absturz brachte, war krank"
Schade um Ihre hehren Ansprüche.
Zitat aus dem Leitartikel:
Tatsächlich kann man nur den Kopf darüber schütteln, wie oft nach der Katastrophe in den französischen Alpen ethische Grundprinzipien eines seriösen Journalismus verletzt worden sind. Weil Sensationsgier und Voyeurismus eine sachliche Informationsvermittlung in den Hintergrund drängten. Weil vor allem in TV-Sondersendungen und Talkshows viel zu viele Sendeminuten mit viel zu wenig substanziellen Inhalten gefüllt werden mussten.
Dabei handelt es sich weiterhin nur um einen Verdacht, so nachvollziehbar begründet er ist, dass der Co-Pilot die Maschine mutwillig zum Absturz gebracht hat. Die Ermittler schließen aber weiterhin einen technischen Fehler nicht aus. Das wäre auch fahrlässig, solange der zweite Flugschreiber nicht gefunden ist. Medien, die dennoch Vermutungen als vermeintliche Tatsachen darstellen, handeln unverantwortlich und riskieren einen erheblichen Vertrauensverlust bei ihren Lesern."
Anton Sahlender, Leseranwalt