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Der Ansturm auf die Angehörigen des Co-Piloten hat schon begonnen
Redaktion
 |  aktualisiert: 26.03.2015 23:53 Uhr
Aktuell gab es eine Zerreißprobe für verantwortungsbewusste Journalisten. Sollen sie den Namen des Co-Piloten der an einem Berg in Frankreich zerschellten Germanwings-Maschine verbreiten oder nicht? Immerhin haben die bislang bekannten Auswertungen der Katastrophe ergeben, dass er die Maschine zum Unglückszeitpunkt und zuvor wohl alleine geflogen hat. Noch mehr, dass er den Piloten aus dem Cockpit ausgesperrt haben soll?
Ansturm auf die Angehörigen
Die Antwort auf die Rechtsfrage scheint unzweifelhaft. Der Name des toten Co-Piloten darf genannt werden.
Es gibt aber nicht nur eine Rechtsfrage, sondern wie so oft auch die nach der journalistischen Verantwortung. Es geht um die Folgen der Namensnennung. Den Namen - und wie bereits vielmal geschehen - dazu den Wohnort des Co-Piloten nennen, bedeutet, Angehörige und Verwandte einem unübersehbaren Ansturm von Neugierigen auszusetzen. Die gesellen sich zu den ohnehin dort recherchierenden Journalisten hinzu. Wer das mit der Veröffentlichung des Namens in Kauf nimmt, nimmt in Kauf, dass sich darunter Leute mischen, die keine lauteren Absichten haben.
Man muss sich fortan vor allem vor den wenigen Journalisten fürchten, die vorwiegend menschliche Hintergründe emotional ausschlachten. Sie sind bereit, Wirklichkeit im Sinne ihrer Geschichte zu interpretieren. Das ist nicht die Masse. Aber das gibt es leider. Und die die Masse ist auch schon vor Ort unterwegs.
Unter solchen Umständen dürfte es zudem für jene ermittelnden Personen schwer werden ihr Ziel zu erreichen, die bei Angehörigen offiziell den Dingen auf den Grund gehen müssen. Wenn die Öffentlichkeit und Journalisten vor Ort meinen, ebenfalls aufklären zu müssen, kann es zu Spekulationen und Informationen kommen, die die Wirklichkeit nur noch schwer erkennen lassen.
Der Name ist weltweit unterwegs
Aber, was will eine einzelne Tageszeitung schon noch verhindern, wenn der Name weltweit bereits kursiert, einfach deshalb, weil man es anderswo so gewohnt ist. Weil man es in den Vereinigen Staaten immer tut. Wenn CNN schon andere Medien weltweit mit dem Namen an Schnelligkeit übertroffen hat, ist wohl alles zu spät. Das private Rückzugsgebiet der Angehörigen ist schon aufgelöst. Eine einzelne regionale Zeitung setzt sich dann möglicherweise sogar dem Vorwurf ihrer Leser aus, sie unterschlage Nachrichten, wenn sie meint, den Namen verschweigen zu müssen. Umso mehr, weil die Staatsanwaltschaft den Namen des Co-Piloten an die Medien weiter gegeben hat. Und das musste sie wohl, wenn Medien danach gefragt haben.
Die Abwägung
Allerdings sollte auch klar sein, dass nicht alles was Journalisten erfahren dürfen und was sie von Rechts wegen veröffentlichen dürfen, dann auch veröffentlicht werden muss. Da sollte stets eine verantwortungsbewusste Abwägung voraus gehen. Es gilt das Interesse der Öffentlichkeit am Namen des toten Co-Piloten abzuwägen gegen den Schutz der Privatsphäre seiner Angehörigen und den Fortgang der Ermittlungen über die Unglücksursache. Ich komme danach zu dem Ergebnis, dass die Namensnennung unterbleiben sollte. Öffentliches Interesse muss in diesem Falle zurückstehen. Auch zum Verständnis der Nachricht ist der Name nicht notwendig.
Nun ist aber das Kind längst in den Brunnen gefallen. Auch die Main-Post Redaktion konnte das nicht verhindern. Der Name des Co-Piloten ist auf dem Markt. Man kann sich nur noch wünschen, dass trotzdem nichts von dem eintritt, was man befürchten muss. Dass vor allem die Vertreter der Medien Verantwortung zeigen und die Privatsphäre von Angehörigen nicht komplett in Luft auflösen.
 Keine voreiligen Einblicke
Erst dann, wenn die Ermittlungen zweifelsfrei ergeben sollten, dass der Blick auf die Privatsphäre im Zusammenhang mit der Flugzeugkatastrophe wichtig ist, erst dann übertrifft das Interesse der Öffentlichkeit die Notwendigkeit, die Privatsphäre Angehöriger zu schützen. Aber wirklich erst dann. Es darf kein Platz sein, für unbegründete voreilige Einblicke in deren Leben. Es sei denn, sie selbst tragen es in die Öffentlichkeit.
Und ich wünsche mir, dass die Journalisten Zeichen setzen. Auch ein weltweit nicht besonders bedeutendes Medium kann das.

Ich gebe erfreut diese Mitteilung aus der Main-Post Redaktion weiter:
Keine Namensnennung:
Nach längerer, auch kontroverser Diskussion hat die Redaktion entschieden, weder den Namen noch Bilder des Co-Piloten zu veröffentlichen, der den Germanwings-Flug 4U9525 am Dienstag in den Alpen mutmaßlich zum Absturz gebracht hat. Der Verdacht der französischen Staatsanwaltschaft, dass Vorsatz vorliegt, wiegt schwer, er ist aber bis dato nicht bewiesen. Niemand weiß, was den 27-jährigen zu seinem Tun bewegt hat. Insofern verbieten sich Vorverurteilungen, wie sie in Boulevardmedien und den sozialen Netzwerken die Runde machen. Die Angehörigen und das persönliche Umfeld des Mannes verdienen erst recht Schutz. (Text: Micz)


Anton Sahlender, Leseranwalt
 
 
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