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LESERANWALT
Versuchte Einschüchterung
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:43 Uhr

Aufklären soll der folgende Beitrag, keinesfalls soll er abschrecken. Wieder betrifft er Leserbriefschreiber in der Zeitung, wie in der vergangenen Woche.  Da ging es um einen Absender, der kurzerhand seine Adresse gefälscht hatte , weil er nach kritischen Briefen Nachstellungen befürchtet. Erklärt hatte ich deshalb, dass Übergriffe auf kritische Briefschreiber bisher nicht bekannt sind. Das veranlasste nun aber Leser S. aus Schweinfurt mir zu schildern, was er vor Jahren erlebt hat.

 

Paket und Anruf

Damit ist Herr S. der erste, der einen Einschüchterungsversuch als Folge eines veröffentlichten Leserbriefes mitteilt. Weil es Lesern vielleicht helfen kann, falls ihnen vergleichbares begegnet, gebe ich die länger zurückliegende Geschichte weiter:

Nach einem veröffentlichten Leserbrief von S., er hatte wohl „pro Ausländer“ argumentiert, bekam er ein Paket von einem fingierten Absender. Den ekelerregenden Inhalt beschreibe ich nicht näher. Wenige Tage danach wurde S. noch von einem Herrn mit Nürnberger Akzent (womit nichts gegen Nürnberger gesagt ist) angerufen, der höflich nachfragte, ob sein Paket denn angekommen sei. Sinngemäß, so erinnert sich S., habe der Anrufer hinzugefügt "vielleicht seh mer uns amal". Kurzerhand legte S. auf, war aber darauf gefasst, dass irgendwann jemand mit einem Baseball-Schläger vor seiner Türe stünde. Dazu kam es nicht.

 

Rückschlüsse auf den Charakter

Was folgte war ein zweiter Anruf, nun mit der Frage, was S. zu dem „Geschenk“ sage. Der entgegnete jetzt schlagfertig, dass er daraus Rückschlüsse auf den Charakter des Absenders ziehe. Diesmal legte der unbekannte Anrufer auf. Herr S. erstattete nach den Vorfällen keine Anzeige, auch weil er die ekligen „Beweismittel“ schnell entsorgt hatte. Außerdem denkt er, dass die Staatsanwaltschaft nicht ermittelt hätte, weil das ohne Erfolg bleiben müsse.

 

Anzeige empfohlen

Es mag sein, dass die Staatsanwaltschaft nicht aktiv geworden wäre, auch deshalb, weil der vorliegende Vorgang im Sinne des Strafgesetzbuches kaum als Straftat einzuordnen ist, obwohl Nachstellungen oder Bedrohungen auch geschrieben oder per Anruf auftreten können. Dennoch erscheint der geschilderte Vorgang von den Paragraphen des Strafgesetzbuches noch nicht erfasst. In jedem Fall empfehle ich, falls sich jemand durch harsche Reaktionen auf Leserbriefe an seiner Privatsphäre bedroht oder in seinem täglichen Leben beeinträchtigt fühlt, eine Anzeige. Die könnte mindestens dazu beitragen, im Abgleich mit anderen Ermittlungen unverbesserlichen Tätern allmählich auf die Spur zu kommen.

 

Schutz durch verdeckte Namen

Ein Unterschied wird zum Kommentarforum dieser Zeitung bei den einzelnen Beiträgen im Internet deutlich. Dort gibt es keine Klarnamen und keine Ortsangaben, sondern nur Phantasienamen. Und die Redaktion achtet darauf, dass Diskussionen dabei nicht aus dem Ruder laufen. Außerhalb von mainpost.de gibt es folglich keine Zugriffsmöglichkeit auf die Kommentatoren. Die Anschriften, die zu den Phantasienahmen der Nutzer gehören, unterliegen strengster Geheimhaltung der Redaktion. Die gelangen nicht nach außen. So haben die oft kritisierten verdeckten Namen zu Meinungsäußerungen auch schützende Funktion. Das ist freilich in Leserforum der Zeitung nicht möglich.  Siehe auch Richtlinie 2.6 zu Leserbriefen im Kodex des Presserates.       

Was die journalistischen Leitlinien der Main-Post zu Leserbriefen sagen, finden Sie am Ende dieses Beitrages.

 

Bei der Redaktion melden

Wie auch immer: Wenn Sie nach einem Meinungsbeitrag durch eine Belästigung verunsichert sind, dann melden Sie sich auch bei der Redaktion. Niemand sollte sich durch versuchte Einschüchterungen an der Ausübung seines Grundrechts der freien Meinungsäußerung hindern lassen. Und bei Nachstellungen, Nötigungen oder Bedrohungen (StGB Paragraphen 238-241) tritt nach einer Anzeige ohnehin die Staatsanwaltschaft in Aktion.

Weitere Leseranwalt-Kolumne zu Leserbriefen:

"Wo die Begegnung von Klarnamen mit Online-Pseudonymen für Ärger sorgt" (2015)

Aus den journalistischen Leitlinien der Main-Post

4.) Leserbriefe

Es dient der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit, im Leserbriefteil auch Meinungen zu Wort kommen zu lassen, die die Redaktion nicht teilt.

Zuschriften an Verlage oder Redaktionen können als Leserbriefe veröffentlicht werden, wenn aus Form und Inhalt erkennbar auf einen solchen Willen des Einsenders geschlossen werden kann.
Eine Einwilligung kann unterstellt werden, wenn sich die Zuschrift zu Veröffentlichungen des Blattes oder zu allgemein interessierenden Themen äußert.

Der Verfasser hat keinen Rechtsanspruch auf Abdruck seiner Zuschrift.

Bevorzugt veröffentlicht werden Zuschriften, die sich direkt auf aktuelle Beiträge der Zeitung und aktuelle Themen beziehen. Zeitlose, allgemeine und deutlich über die Themen hinaus reichende Betrachtungen, müssen dahinter zurückstehen.

Es entspricht einer allgemeinen Übung, dass der Abdruck mit dem Namen des Verfassers erfolgt.
Nur in Ausnahmefällen kann auf Wunsch des Verfassers eine andere Zeichnung erfolgen. Die Tageszeitungen der Mediengruppe Main-Post verzichten beim Abdruck auf die Veröffentlichung von Adressangaben, es sei denn, die Veröffentlichung der Adresse dient der Wahrung berechtigter Interessen.

Bestehen Zweifel an der Identität des Absenders, soll auf den Abdruck verzichtet werden. Die Veröffentlichung fingierter Leserbriefe ist mit den ethischen Grundlagen der Tageszeitungen der Mediengruppe Main-Post ebenso unvereinbar wie der Abdruck von Leserbriefen, die gegen geltendes Recht verstoßen.

Unmittelbar an Nachrichten, am Geschehen, an Ereignissen, Themen oder Vorgängen beteiligte Personen und Institutionen (etwa Parteien), kommen im Leserforum nicht zu Wort. Sie haben die Möglichkeit, sich in Stellungnahmen an die Redaktion zu wenden. Das gilt in der Regel gleichermaßen für alle Vereine, Verbände, Firmen und sonstige Organisationen.

Änderungen oder Kürzungen von Zuschriften ohne Einverständnis des Verfassers sind grundsätzlich unzulässig. Kürzungen sind jedoch möglich, wenn die Rubrik Leserzuschriften einen regelmäßigen Hinweis enthält, dass sich die Redaktion bei Zuschriften, die für diese Rubrik bestimmt sind, das Recht der sinnwahrenden Kürzung vorbehält.

Verbietet der Einsender ausdrücklich Änderungen oder Kürzungen, so hat sich die Redaktion, auch wenn sie sich das Recht der Kürzung vorbehalten hat, daran zu halten oder auf den Abdruck zu verzichten.

Um möglichst viele Leser zu Wort kommen zu lassen, sind Kürzungen von umfassenden Zuschriften fast immer unvermeidlich

Wer Leserbriefe an die Zeitungsredaktion schickt, muss damit rechnen, dass sie auch oder ausschließlich im Online-Angebot von mainpost.de verbreitet werden. Schließt der Einsender dies aus, muss sich die Redaktion daran halten.

Alle einer Redaktion zugehenden Leserbriefe unterliegen dem Redaktionsgeheimnis. Sie dürfen in keinem Fall an Dritte weitergegeben werden.

Wir veröffentlichen Leserbriefe grundsätzlich zeitnah.

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de

 

 
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  • Plecherbub
    Sehr geehrter Herr Sahlender,
    meiner Meinung nach sollte die Main Post die Kommentarfunktion dahingehend ändern, dass nur noch unter Klarnamen Beiträge veröffentlicht werden, die Adresse muss ja nicht mit angegeben werden. Ich selbst setze meinen Namen unter Kommentare, in denen ich jemand mit Namen anspreche. Wo ist das Problem?
    Mit freundlichen Grüßen,
    Hans-Georg Heim.
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  • antonsah
    @meisterix Sehr geehrter Herr Heim, ich teile Ihre Meinung. Die für die Online-Veröffentlichungen verantwortlichen Mitarbeiter/innen - zu denen ich als freier Leseranwalt nicht zähle - teilen sie allerdings nicht. Für beide Ansichten (Klarnamen oder nicht) gibt es gute Gründe, die schon häufig gegeneinander abgewogen worden sind.
    Grüße, Anton Sahlender, Leseranwalt
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  • antonsah
    Leserzuschrift Teil 4:
    ".... Samstag zeigt, dass wir uns in fast dreißig Jahren kaum nach vorne bewegt haben, sondern eher noch weiter zurück ins Mittelalter. Das ist wirklich erschütternd. Würde man diese Mail als Leserbrief drucken, würde exakt das Gleiche passieren. Aber dieses Mal würde ich diese Manschen tatsächlich anzeigen, wie von Ihnen empfohlen!
    An dieser Stelle vielen Dank für Ihren Artikel. Bei Interesse kann ich Ihnen gerne Einsicht in die genannten Pamphlete geben.
    MfG," ENDE
    Der Absender ist mir bekannt.
    Anton Sahlender, Leseranwalt, in der Hoffnung, dass wir uns bei allen Gegenmeinungen und weiteren Kommentaren an die Netiquette halten...
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  • antonsah
    Leserzuschrift Teil 3:
    ".... Ich habe diese Pamphlete aufbewahrt und erhalte sie als mahnendes Beispiel dafür, wie hasserfüllt ganz offenbar verblendete Menschen sein können. Heute nennt man so etwas neudeutsch „shitstorm“ und ich schreibe Ihnen dies, um zu dokumentieren, dass wir schon vor fast 30 Jahren, auch ohne AfD und Pegida, einmal so weit waren. Es war sozusagen ein anlaloger shitstorm in Prä-Internet-Zeiten.
    Damals hat in der Hauptrolle die CSU derartige Gedanken der Leute befeuert. Ich sah Menschen in der Domstraße, die sich fast darum prügelten, nach dem Kirchgang auf einem CSU-„Infostand“ gegen die damals diskutierte doppelte Staatsbürgerschaft zu unterschreiben, weil „…ma dageche endli was unternemm muss“, wie mir ein vor Wut bebender Mitbürger versicherte. Heute hat die AfD diese Rolle im Schwerpunkt übernommen und die CSU versucht ganz offenbar, den Anschluss nicht zu verlieren.
    Der genannte Artikel vom Samstag zeigt, ....... Fortsetzung nächster Kommentar, Leseranwalt
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  • antonsah
    Leserzuschrift Teil 2:
    " ....Ich wohnte damals bei meiner Tante in Würzburg und der Brief wurde unter Angabe der kompletten Adresse abgedruckt. Mit dem Echo hatte ich nicht gerechnet.
    Es kamen ca. 20 Briefe, in welchem mir u.a. der Tod gewünscht wurde, mein Kopf sollte mit einem Hammer zertrümmert werden etc. pp und ich wurde aufs übelste beschimpft. Einer machte sich die Mühe, mit Buntstiften und im kindlichen Stil ein Bild eines nackten Mannes zu malen, welcher in einem Teller schwamm. Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, dass die Geschlechtsteile klar zu erkennen waren. Das Bild sollte ganz offenbar mich darstellen. Unterschrieben war das Machwerk mit vollem Namen und Adresse und dem Zusatz „CSU-Mitglied“. Viele der Zuschriften trugen Namen und Adresse, andere waren anonym.
    Meine Tante bat mich inständig darum, keine weiteren Briefe mehr zu schicken, da sie angesichts der Zuschriften um die Sicherheit Ihres Hauses fürchtete.
    .... Fortsetzung nächster Kommentar - Leseranwalt
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  • antonsah
    Dieses Schreiben eines Lesers (Name mir bekannt) hat mich zu diesem Beitrag erreicht:
    1.Teil
    "Sehr geehrter Herr Sahlender,
    mit großem Interesse las ich den o.g. Artikel und möchte einen eigenen Erfahrungsbericht beisteuern, welcher fast 30 Jahre zurückliegt:
    Anfang der 90er Jahre hatten wir im Lande schon einmal eine Sogenannte „Asylanten“-Diskussion. Es brannten Unterkünfte in Solingen und Hoyerswerda und in der Main Post echauffierten sich Leser darüber, dass es „den Asylanten“ ganz offenbar viel zu gut gehe. Das könne man schon daran erkennen, dass diese - in den Augen der Briefeschreiber - offenbar zu hochwertig eingekleidet seien.
    Ich war damals Student und schrieb einen Leserbrief an die Main Post in welchem ich dafür plädierte, dass die Verfasser solcher Briefe auch einmal über den eigenen Tellerrand (so auch die Überschrift des Briefes) hinaussehen mögen anstatt mit derart kruden Argumenten über diese Menschen zu richten.
    ... Fortsetzung nächster Kommentar.. Leseranwalt
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