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LESERANWALT
Treffende Argumente statt zuspitzender Worte
Worte sollen nicht vernichten       -  Worte mit Bedacht wählen
| Worte mit Bedacht wählen
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:04 Uhr

Sprache sensibel einzusetzen ist dringend notwendig. Wird die beklagte Verrohung des Umgangs miteinander doch auch im Gebrauch von Worten sichtbar. Das gilt derzeit besonders für gesellschaftliche Spannungsfelder wie die Asylpolitik.

 

Ritt auf der Rasierklinge

Asylpolitik und andere gesellschaftliche Spannungsfelder fordern Journalisten. Für sie gilt es, Worte mit viel Bedacht zu wählen. Das Problem dabei: Zuweilen widerspricht das dem wichtigen Streben danach, möglichst viele Menschen zu erreichen. Denn letzteres gelingt meist besser, wenn man Themen und Ereignisse zuspitzt oder gar skandalisiert. Und es muss ja noch nicht einmal so ganz falsch sein, wenn in einer Nachricht etwas verschärft verbreitet wird. Das freilich kann aber zum Ritt auf der Rasierklinge werden. Zu bedenken ist nämlich, dass man damit wohl selbst vor einem wesentlichen Ziel scheitern kann: einer respektvollen Diskussion um die Sache.

 

Beispiele

Zum Scheitern passt ein noch recht harmlos anmutendes Wortpaar: Es ist beliebt, Personen mit Konzepten nicht mehr nur „scheitern“ zu lassen, sondern das gleich „krachend“, leider auch in ernsthaften Beiträgen – diese Zeitung nicht ausgenommen. In einem Kommentar auf dem Titel vom 19. Juli sind Markus Söder und Horst Seehofer mit ihrer Asylpolitik „krachend gescheitert“. Oder „derwesten.de“, das digitale Angebot der Funke-Mediengruppe, überschrieb die Kritik an einer TV-Sendung: „‘Dunja Hayali‘: Am Thema Flüchtlinge krachend gescheitert.“ Diese Ansagen wirken geradezu vernichtend. Ist das wirklich so gemeint?

 

Warnung vor dem Gebrauch

Es gibt Gründe, im Journalismus vor dem Gebrauch von Verstärkungen wie „krachend“ beim „Scheitern“ zu warnen. Sie ...

- lenken ab von Sachargumenten,

- sind wie Nachtreten gegen jemand, der gestürzt ist,

- treffen nicht nur Betroffene, sondern auch jene Leser und Medien-Nutzer, die hinter ihnen stehen. Es ist leicht möglich, bei ihnen mehr als Glaubwürdigkeit zu verlieren, wenn sie sich gleich ganz vom Medium abwenden. Das zeigen Reaktionen, die mich erreicht haben. Eine Leser hat mir geschrieben, dass er schon nach wenigen Worten erkenne, wo der Autor stehe.

- verschärfen eine ohnehin heftige Auseinandersetzung, vertiefen Gräben.

- sie kommen einer Krawall-Sprache nahe, wie sie Journalisten häufig bei Politikern kritisieren.

 

Kritik mit Argumenten

Kein Wunder, wenn Leser nicht sachlich bleiben, wenn schon Medien mit scharfen Tönen vorangehen. Dabei sollten Journalisten doch wissen: Selbst eine notwendige harte Kritik überzeugt vor allem mit treffenden Argumenten. Und dazu kann man nur animieren.

 

Entschuldigung für einen "Skandal"

Zugegeben, es gibt härtere und schlimmere Einordnungen als „krachend“. Doch wehret den Anfängen. Die Redaktion dieser Zeitung ist sich, abgesehen von Ausrutschern (Siehe Leseranwalt zur  „schallenden Ohrfeige“  und zu „Wenn Söder plötzlich ätzt“) dessen wohl bewusst. Bestätigung kann dafür kann eine Klarstellung vom 23.7., in der Zeitung auf Seite 3 sein: Die Entschuldigung dafür, den vorverurteilenden Begriff  „Bestatterskandal“  verwendet zu haben. Siehe Kopien.

Bestatterskandal       -  Die Skandalisierung
| Die Skandalisierung
So ist's richtig vom 23.7.18       -  Die Entschuldigung für den Skandal
| Die Entschuldigung für den Skandal

Leseranwalt-Kolumnen zu diesem Thema:

"Wenn Söder im Bericht plötzlich ätzt"

"Die überflüssige Ohrfeige"

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auchwww.vdmo.de

 
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  • glaubt-nicht-alles
    Sehr geehrter Herr Leseranwalt,
    da hätten Sie besser mal früher interveniert, als Sie noch starkem in Amt und Würden waren. Heute aus dem wie manche sagen Austragsjob heraus können Sie - so recht Sie damit haben mögen - leicht gegen derartige "Verstärkungen" anzugehen versuchen; Wirkung wird dies wie ich befürchte keine haben, da Ihnen m.W. die "Zugriffs"werkzeuge dafür fehlen.
    Im übrigen scheint sich der Beruf bzw. die Berufung des Journalisten immer mehr vom neutralen Berichterstatter (natürlich sind damit auch die -innen gemeint) zum quasi Kommentator zu wandeln, der mit seinem Bericht auch gleich eine Botschaft unter die Leute zu bringen versucht. Das Fass der Parteineigung will ich da heute aber nicht erneut aufmachen.
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