Schwierig ist es, den Wahlkampf und die in der Zeitung angestrebte Gleichbehandlung der Parteien und Kandidaten, von denen es überdies inzwischen sehr viele gibt, nachzuvollziehen. Mindestens so schwierig, wie das bayerische Wahlsystem selbst. Immer wieder bedarf es für beides einer Erklärung. Dabei sollten redaktionelle Konzepte durchschaubar sein.
Kritik an der Auswahl
Die kritische Anfrage des Lesers H.B. aus dem Kreis Schweinfurt, gibt mir Gelegenheit zu ein wenig mehr Transparenz für das redaktionelle Konzept beizutragen. H.B. stört, dass auf der Seite „Das Thema“ vom 4. Oktober, nur die von der Main-Post ausgewählten "Spitzenkandidaten“ abgebildet und beschrieben seien: Barbara Stamm (CSU), mit sehr umfangreichem Artikel, deutlich kleiner Volkmar Halbleib (SPD), Kerstin Celina (Grüne), Gerald Pittner (Freie Wähler), Christian Klingen (AfD), Helmut Kaltenhauser (FDP) und Robert Striesow (Linke). Siehe auch Seitenfoto.
Viel Raum für die Landtagspräsidentin
Warum gibt man der "Unermüdlichen" (so die Überschrift), der in die Jahre gekommenen Frau Stamm, achtfach größeren Raum zur Darstellung als sechs anderen Kandidaten? Das fragt wenig charmant H.B, aus dessen Zuschrift ich aus Gründen der Fairness einige Passagen weggelassen habe. Grundsätzlich will er wissen, ob die anderen Kandidaten weniger wert sind oder ob es Vorlieben der Redaktion gibt? Denn die AfD sei auf der Seite berücksichtigt, die ÖDP, die Herr H.B. lobt, aber nicht? Er wünscht Antwort.
Umfragen als Maßstab
Die Antwort aus der Redaktion fällt nüchtern und formal aus. Denn für Vorlieben darf es dort keinen Platz geben. Veröffentlicht waren auf jener Seite nämlich die Spitzenkandidaten der Parteien, die nach derzeitigen Umfrage-Werten Aussicht haben, in den Landtag zu kommen. Für den tragenden Beitrag wurde Barbara Stamm ausgewählt, weil sie seit 42 Jahren Abgeordnete ist und als Landtagspräsidentin in herausragender Position. Außerdem, weil im Gegensatz zu Stamm alle anderen Spitzenkandidaten in Stimmkreisen als Direktkandidaten antreten.
Große Porträts in den Lokalteilen
Den Direktkandidaten in den Stimmkreisen, denen hat die Redaktion in den einzelnen Lokalteilen große Porträts gewidmet: Volkmar Halbleib und Kerstin Celina in Würzburg, Gerald Pittner in Rhön-Grabfeld, Robert Striesow in Schweinfurt und Christian Klingen in Kitzingen und Gerolzhofen. Frau Stamm hat in diesen Lokalteilen nicht stattgefunden.
Eine Seite für die Kleinen
Die kleinen Parteien, die wenig Aussicht auf den Einzug in den Landtag haben (siehe Umfragewerte), sind nicht außen vor geblieben. Sie wurden bereits am 24. September auf einer Themenseite (Überschrift: „Bayern, Franken, Piraten und Veganer“) vorgestellt: Bayernpartei; Partei: Mensch, Umwelt, Tierschutz; Partei für Franken; ödp; Piraten-Partei; Mut; Die Partei und V-Partei. Siehe auch Seitenfoto.
Darüber kann man streiten
Konzeptionelles Bemühen um gerechte Darstellungen, vorbereitet in langen redaktionellen Diskussionen, ist nie an nur einer Ausgabe zu ermessen. Aber man kann immer lange darüber streiten, ob Umfrage-Ergebnisse zur Grundlage einer Auswahl in der Berichterstattung gemacht werden können. Wenn der Platz nicht mehr ausreicht, dann ist aber irgendein Maßstab ist für die Zeitung notwendig, das schon angesichts der großen Zahl an Parteien und Kandidaten. Verständlich ist dann natürlich auch, dass man nicht den Interessen aller Wahlberechtigten gerecht werden kann.
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"Parteigänger und ihre Vorstellungen" (2018)
Anton Sahlender, Leseranwalt; Siehe auch www.vdmo.de