Es ist unerlässlich geworden, den Begriff "Litigation" zu erklären, vor allem den aktuellen Gebrauch. Denn Anwälte kommunizieren die Litigation, also Entscheidung, des Hamburger Landgerichts über Passagen des Correctiv-Berichtes "Geheimplan gegen Deutschland" über ein Treffen in Potsdam öffentlich im Sinne ihrer Klienten - und dies besonders gerne in Online-Netzwerken.
Strategische Absicht, das heißt Public Relations (PR) zur Litigation kann vorliegen, wenn sich dabei ein falscher Eindruck verbreitet. Diese Gefahr besteht nach einer Artikel-Überschrift in der Zeitung vom 8. März. Sie lautete: "Die Correctiv-Recherche hält vor Gericht stand".
Verhandlung vor Gericht: Überschrift kann zu falscher Ansicht führen
Wer alleine die Überschrift liest, kann zu der falschen Ansicht gelangen, die berichteten wirkmächtigen Informationen vom Treffen in einer Potsdamer Villa, die Grund für Hunderttausende gewesen sind, gegen rechtsextreme Planungen und für Demokratie auf die Straßen zu gehen, seien vor dem Landgericht Hamburg generell verhandelt worden. Das wäre wohl im Sinne der Kläger-Anwälte und des Juristen Ulrich Vosgerau.
Der CDU-Politiker war selbst in Potsdam dabei. Und er hat geklagt. Die Hamburger CDU hat sich von ihm distanziert. Und auch Leser sollten sich nicht ablenken lassen.
Ablenkung vom Eigentlichen: Es geht um Deutungshoheit
In einem Experten-Beitrag des Fachverlages Beck vom 26. Februar erkannte der Würzburger Anwalt Chan-Jo Jun eine "Litigations-PR". Er sieht es wie Correctivs Prozessvertreter, Thorsten Feldmann, dass Vosgeraus Anwalt Carsten Brennecke ein gerichtliches Verfahren verfremde, um die Öffentlichkeit auf einen anderen Punkt zu lenken. Die Leute sollen sich nur noch mit seiner Deutung auseinandersetzen und nicht mehr mit dem Correctiv-Artikel. Es geht um Deutungshoheit. Juns PR-Einordnung, so heißt es, habe Brenneckes Zustimmung gefunden.
Geklagt wurde gegen drei Randaspekte im Correctiv-Bericht
Tatsächlich geklagt wurde von Vosgerau in Hamburg nur gegen drei eher belanglose Randaspekte im Correctiv-Text. In nur einem Fall musste nach der Verhandlung ein Satz gekürzt werden. Nämlich: Vosgerau befürworte einen Vorschlag, wonach die Rechtmäßigkeit von Wahlen durch eine Masse an vorher erstellten Musterschreiben in Zweifel gezogen werden kann. Der Kern des Correctiv-Berichtes aber, der war überhaupt nicht angegriffen worden. So stand es richtig und ausführlich auch im Artikel vom 8. März.
Kernaussagen des Berichts wurden nicht angegriffen
Wohl nicht ganz zu Unrecht wertet auch das Recherche-Netzwerk Correctiv das Verfahren für sich als Erfolg. Wobei eine Bestätigung für die Korrektheit der eigenen Recherchen vorwiegend darin gesehen werden darf, dass die berichteten zentralen Planungen und Vorschläge als Kernaussagen aus dem Potsdamer Treffen, wie die massenhafte Abschiebung, aus gutem Gründen von beteiligten Rechten und Rechtsextremisten nicht angegriffen worden sind. Und die liegen wohl nicht allein darin, dass sie als nicht angreifbare Meinungsäußerungen gewertet werden können.
Worum es im Verfahren wirklich gehen sollte, hat Felix W. Zimmermann im medienkritischen Dienst "Übermedien" am 23. Februar festgehalten. Der erkannte auch die Fakten im Correctiv-Bericht. Aber schon am 15. Februar hatte dort Stefan Niggemeier auch einen Widerspruch in der Recherche-Methode herausgearbeitet. Empfohlen wird eine kritische journalistische Auseinandersetzung mit dem Bericht.
Am Ende können auch diverse Betrachtungen nichts daran ändern, dass die zitierte Überschrift dieser Zeitung nicht vom Text gedeckt ist. Deren Formulierung sollte nicht auf die Litigations-PR von Brennecke zurückgeführt werden können. Denn schließlich ist im Text unter der Überschrift auch noch der Correctiv-Chefredakteur Justus von Daniels mit dem Eindruck zitiert, dass die Klagen dem Zweck dienten, öffentlich "ein Bild aufzubauen, dass unsere ganze Recherche vor Gericht infrage gestellt worden sei. Das hat nicht funktioniert."
Litigations-PR darf bei Journalisten nicht funktionieren
Litigations-PR darf bei Journalisten nicht funktionieren. Wichtig bleibt das auch für die folgenden Titel dieser Zeitung. Denn Vosgerau will, obwohl er schon die Entscheidung des Landgerichts als Sieg für sich gedeutet hat, nun noch vor das Oberlandesgericht Hamburg ziehen. Das heißt, dass auch der Kampf um die Deutungshoheit des Rechtsstreits weitergehen wird - so wie es Felix W. Zimmermann, Chefredakteur von "Legal Tribune Online", vorhersagt hat.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.
Was war denn der Grund der Klage durch Herrn Vosgerau?
War das nicht so, daß der Ausdruck "Deportation", der hier die großen Demonstrationen ausgelöst hatte, auf diesem Treffen in Potsdam, lt Vosgerau, niemals gefallen sei und durch diesen heftigst bestritten wurde?
Soweit ich mich erinnere, wird in den Medien dieser Ausdruck auch nicht mehr behauptet.
Über Ihre Antwort würde ich mich freuen