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LESERANWALT
Leseranwalt: Warum die Redaktion zur Online-Meinungsforschung des Instituts Civey steht
Immer wieder wird an der Methodik von Civey gezweifelt. Doch es gibt Gründe, an den Umfragen festzuhalten. Leseranwalt Anton Sahlender fordert, damit transparent umzugehen.
Das Ergebnis einer Online-Meinungsumfrage des Institutes Civey wird angezeigt.  Das Institut kooperiert auch mit der Redaktion der Augsburger Allgemeinen. Umfrage-Ergebnisse erscheinen folglich auch in der Main-Post..
Foto: Civey | Das Ergebnis einer Online-Meinungsumfrage des Institutes Civey wird angezeigt.  Das Institut kooperiert auch mit der Redaktion der Augsburger Allgemeinen.
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 31.07.2024 13:42 Uhr

Etwas Skepsis schadet auch bei Meinungsumfragen der weithin bekannten seriösen Institute nicht. Das Ergebnis der "Sonntagsfrage" darf nie mit der Stimmung am Wahltag gleichgesetzt werden. Dennoch kann meist darauf vertraut werden, dass die erfassten Antworten mindestens die aktuellen Tendenzen deutlich aufzeigen, manchmal auch mehr.

Das gilt alles gleichermaßen für das recht junge Institut Civey, mit dem die Augsburger Allgemeine zusammenarbeitet, somit auch diese Redaktion. Doch wurde die Civey-Methodik vor allem vom Wettbewerber Forsa infrage gestellt. Dass es darüber schon zu etlichen Prozessen gekommen ist, fasste das Handelsblatt 2023 zusammen.

Berichte über Umfragen: Die Kooperation der Redaktion mit Civey

Es gibt eine ganze Reihe von bekannten Instituten (u.a. Forsa, Forschungsgruppe. Wahlen, Infas, Institit für Demoskopie Allensbach, TMS Emnid, Infratest Dimap) am Markt der Demoskopen. Sie treten mit Stimmungsbildern, gerade vor Wahlen, regelmäßig in Nachrichten auf. Die Augsburger Allgemeine kooperiert seit 2017 mit Civey (gegründet 2015), dessen Umfrage-Ergebnisse folglich auch in dieser Zeitung erscheinen.

Zuletzt beispielsweise wieder in einem Artikel über die Landespolitik in Bayern: "CSU im Umfragehoch, SPD rutscht Richtung Fünf-Prozent-Hürde".

Civey: FAZ diskreditiert die umfassende Methodik

Weil in der Frankfurter Allgemeinen (FAZ) mehrfach Skepsis an der Online-Methodik von Civey verbreitet wurde, halte ich es für notwendig, dass die Redaktion der Main-Post ihrer Leserschaft eine Erklärung liefert. Ein Gericht, so hatte die FAZ 2023 berichtet, habe Civey-Ergebnisse infrage gestellt. Grund: Es sei schwer vorstellbar, dass in ei­nem so unverbindlichen Rahmen in kurzer Zeit repräsentative Umfra­ge­er­gebnisse zu konkret umrissenen Themen zu liefern sind.

Das sei tendenziös, heißt es dazu wiederum bei Civey, denn es sei alleine über eine einzelne Werbeaussage verhandelt worden. Gegen das nicht rechtskräftige Urteil einer Einzelrichterin, so bestätigt es Civey auch auf seiner Website, gehe man in Berufung. Und: Die FAZ diskreditiere in ihren Darstellungen die umfassende Methodik und technischen Möglichkeiten, die es heutzutage gibt.

Das anerkannte Branchenforum marktforschung.de zeichnet im Zusammenhang mit der juristischen Auseinandersetzung mit Forsa aktuell auch eine Rufmordkampagne auf, eben durch die Wiederholung der immer gleichen Vorwürfe gegen Civey. Das wurde aktuell auf den Newsletter "The Pioneer Briefing" von Ex-Handelsblatt Chefredakteur Gabor Steingart bezogen. Gegen den hat Civey eine einstweilige Verfügung erwirkt. Und im Branchenmedium "Planung & Analyse" ist dazu die Civey-Geschäftsführerin Janina Mütze, mit dem Vorwurf der "Schmutzkampagne" zitiert.

Befragungen nur online: Zweifel eines Sozialforschers

2018 hat in einem Interview im Medium "Planung & Analyse" ("Wenn der Scharfschütze sein Ziel selber malt") auch Sozialforscher Rainer Schnell von der Uni Duisburg-Essen, der in dem Beitrag dazu als "echter Hardliner" bezeichnet wird, daran gezweifelt, dass ausschließlich online durchgeführte Befragungen repräsentativ sein können. Es fehle die Grundgesamtheit, da es kein Verzeichnis aller Menschen gibt, die das Internet nutzen. So würden eher die herausfallen, die isoliert sind, wenig Bildung haben oder krank sind. Es sei auch nicht abzuschätzen, wie viele Menschen das Internet nicht nutzen. Und die, die es nutzen, würden sich systematisch von den anderen unterscheiden.

Demgegenüber sagt die ARD/ZDF-Online-Studie, dass die Internetabdeckung in Deutschland auf die 100 Prozent zugeht. Und 95 Prozent der Deutschen hätten 2023 das Internet genutzt.

Warum die Redaktion der Augsburger Allgemeinen zu Civey steht

Die Augsburger Allgemeine und eine Reihe weiterer Medien stehen zu Civey, anders als der "Spiegel". Der hat die Kooperation mit dem Institut beendet. Alle Befragungen, so begründet die Augsburger Chefredaktion ihre Haltung, führe Civey fortlaufend in Echtzeit auf tausenden reichweitenstarken Webseiten durch. Teilnehmende würden verifiziert und ihre Antworten technisch, statistisch und inhaltlich auf Plausibilität gecheckt. Das System lasse Mehrfachabstimmungen nicht zu. Civey arbeite in aller Regel mit Befragungszeiträumen von nicht unter 24 Stunden. Ein Research-Team achte auf neutrale Fragestellungen.  Die Verantwortlichen der Augsburger Allgemeinen fragen auch in eigener Sache User und Leser: "Wir möchten wissen, was Sie denken: Fragen und Antworten zu unserer Zusammenarbeit mit Civey".

Umfragen vor Wahlen: Ergebnisse, die für den Erfolg der Methode stehen

Ergebnisse, mit denen Civey denen der Wahlen sehr nahe gekommen ist, stehen für den Erfolg der Kooperation mit dem Institut. Denn es gehe darum, Leserinnen und Lesern eine gute Einschätzung zu geben, wie die politische Stimmung in unserem Land ist, sagt man in der Redaktion in Augsburg.

Und: Seit 2016 hat Civey für mehr als 20 Wahlen zuverlässige Daten veröffentlicht. Bei der Bundestagswahl 2021 hat es die zweitbeste Wahlumfrage von zehn Instituten erhoben – knapp hinter Allensbach. Das bestätigt die Branchenplattform marktforschung.de. Bei den Landtagswahlen 2023 in Bayern sei Civey unter vier Instituten, die kurz zuvor Umfragen verbreiteten, mit 0,68 Prozentpunkten Abweichung, dem vorläufigen amtlichen Endergebnis am nächsten gekommen.

Wichtig: Transparenz für die Entstehung demoskopischer Ergebnisse

Gefragt ist vor allem  demoskopische Kompetenz auch in der Berichterstattung. "Über die Qualität der Berichte über Umfragen wissen wir, dass sie besser sein könnten", erklärt der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Björn Klein. Wählerinnen und Wähler müssen aus Umfragen die richtigen Schlüsse ziehen zu können. So kommt es darauf an, dass den Umfragen auch von Journalisten genug Transparenz über deren Entstehung mitgegeben wird.

Das bleibt wichtig, selbst wenn der Deutsche Presserat 2018 zu einer Beschwerde festgestellt hat, man dürfe der Aussagekraft der Ergebnisse vertrauen. Eine eigene wissenschaftliche Prüfung der Umfragemethodik von Civey sei der Redaktion nicht abzuverlangen.

Anton Sahlender, Leseranwalt

Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Frühere Leseranwalt-Kolumnen zu Umfragen:

März 2020: "Mit Wahlprognosen wird nichts suggeriert"

Aug. 2016: "Wird der Zustand der Welt zu schlecht eingeschätzt"

 
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