Covid-19 hat dazu geführt, dass Hinweise auf richtige Hygiene Konjunktur haben. Deren Beachtung trägt zweifellos dazu bei, Infektionsgefahren zu verringern. Zu vermeiden sind aber Berichterstattungen, die zu weit reichende Hoffnungen wecken können. Beiträge über Medizin und Gesundheit erfordern hohe journalistische Sorgfalt.
Das gilt derzeit besonders. Hat sich doch in den Wochen der Pandemie die Aufmerksamkeit für alle die Beiträge stark erhöht, in denen es über Hygiene hinaus um Medikamente oder Impfstoffe geht. Dabei darf man durchaus über Behauptungen informieren, die dazu US-Präsident Donald Trump schon aufgestellt hat. Doch heißt es dabei: journalistisch auf Distanz bleiben! Kein seriöses Medium hat sie sich zu eigen gemacht. So sind daraus schwerlich ernsthafte Hoffnungen abzuleiten.
Überraschung im Lokalteil
Überrascht hat mich in den letzten Apriltagen aber ein Beitrag, der nur in einem Lokalteil erschienen ist. „Hilft Zähne putzen gegen Corona?“ fragt nur die Überschrift. Danach liest man in der Zeitung von der Überzeugung eines Zahnarztes, dass konsequente Mundhygiene eine wirksame Hürde gegen Corona darstellen könnte. Erste wissenschaftliche Analysen würden seine Thesen unterstützen.
Haben sich da Redaktion und Zahnarzt etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt? Letzterer beruft sich auf die Deutsche Mundgesundheitsstiftung, diese wiederum auf chinesische Untersuchungen. Die Redaktion hat es vermieden, diesen Beitrag in der gesamten Zeitung zu verbreiten. Lässt es sich doch nicht ausschließen, dass die Überzeugung des Zahnmediziners zu weit gehende Hoffnungen weckt.
Diese Überzeugung hat nach der lokalen Veröffentlichung zumindest ein anderer Zahnmediziner als kontraproduktiv bezeichnet: Effektive Mundhygiene sei für die Gesundheit zwar wichtig und unverzichtbar. Das Infektionsrisiko, an Covid-19 zu erkranken, werde dadurch aber kaum vermindert. Das Virus niste sich in der Rachenschleimhaut außerhalb der Reichweite einer Zahnbürste oder einer Zahnreinigung ein und vermehre sich dort.
Weitere Quellen fehlen
Fazit: Besser wäre es gewesen, die Redaktion hätte schon vor der Veröffentlichung jenes Medizin-Beitrages über die Wirkung von Mundhygiene im Zusammenhang mit Covid-19 weitere Quellen für eine solide Einordnung genutzt. Das war leider nicht der Fall. Auf diesen Mangel an Sorgfalt weise ich ausdrücklich hin.
Aber den Kodex des Deutschen Presserates sehe ich aber dadurch noch nicht verletzt. Ihrer derzeitigen Bedeutung wegen, sei aber an die entscheidende Richtlinie 14 erinnert: „Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte. Forschungsergebnisse, die sich in einem frühen Stadium befinden, sollten nicht als abgeschlossen oder nahezu abgeschlossen dargestellt werden.“
Frühere Leseranwalt-Kolumnen zu Medizin-Themen:
2009: "Über Schweinegrippe und schädliche sprachliche Nebenwirkungen"
2017: "Ein Verzicht - auch für das Medien-Vertrauen"
2019: "Unbegründete Hoffnungen aus der Forschung und Panik-Gefahr"
2020: "Corona erfordert sensiblen Sprachgebrauch"
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de