zurück
LESERANWALT
Leseranwalt: Ein Warnsignal auf den Prostata-Text hat gefehlt
Zweimal dieselbe redaktionelle Entscheidung und eine Doublette in der Zeitung. Wie es dazu kommen konnte.
Ein Foto aus dem Jahr 2019 zeigt den Würzburger Urologen Dr. Frank Schiefelbein, der bei einem Infotag zu Vorsorge und Behandlung von Prostatakrebs den sogenannten Da-Vinci-Operationsroboter begutachtet. Das Bild soll auch an den Europäischen Prostatatag am 15. September erinnern.  
Foto: Daniel Peter | Ein Foto aus dem Jahr 2019 zeigt den Würzburger Urologen Dr. Frank Schiefelbein, der bei einem Infotag zu Vorsorge und Behandlung von Prostatakrebs den sogenannten Da-Vinci-Operationsroboter begutachtet.
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:10 Uhr

Rückblickend sehe ich mich veranlasst, an den Europäischen Prostatatag, Mittwoch, 15. September, zu erinnern. Genauer noch an die Zeitung dieses Tages. Das, obwohl ihre Redaktion schon mehr als hinreichend tagesaktuell darauf eingegangen ist.

Da ist was schief gelaufen

Warum also nun noch einmal? Weil da etwas schief gelaufen ist. Auf Seite 20 las man in einem umfangreichen redaktionellen Beitrag, namentlich gezeichnet von einer Autorin der Deutschen Presseagentur (dpa), unter der Überschrift "Bei Prostatakrebs gibt es meist keine Warnsignale" viel über die häufigste Tumorerkrankung bei Männern. Ein Warnsignal hat dann aber auch beim journalistischen Umgang der Redaktion dieser Zeitung mit dem Text gefehlt.

Von einer Leserin vermittelt

Wer, so wie ich, die ziemlich grün gestaltete Anzeigenthemenseite 19 mit dem Titel "Prostatakrebs – Tag der Prostata-Gesundheit" überblätterte, erkannte beim Lesen der Seite 20 nicht, was mir erst später eine Leserin vermittelte: Schon auf der 19 war, umgeben von bezahlten Anzeigen, genau derselbe Text ebenfalls zu lesen gewesen, aber ohne Nennung einer Autorin oder Erkennbarkeit der  Agentur. Da gab es stattdessen nur das Kürzel "tmn". Das steht, wie ich mir erst erklären lassen musste, für Themendienst.

Wie das passiert ist

Grundsätzlich fragt man sich nun zunächst, wie kann ein so prägnanter Beitrag zweimal am gleichen Tag vorne und hinten auf derselben Zeitungsseite gedruckt werden? Weil das die Redaktion bis dato für ihre Leserschaft nicht aufgeklärt hat, hole ich das für den vorliegenden Fall nach. Dazu muss man wissen: Tageswidmungen, wie den europäischen Prostatatag, nimmt gerne und gezielt auch der Anzeigenverkauf der Zeitung wahr. Er bietet rechtzeitig entsprechenden Kunden dazu passende Insertionen an, und das in – wohlgemerkt davon unabhängig entstandenen – aber darauf zugeschnittenen journalistischem Umfeld.

Der sichtbare Erfolg

Der sichtbare Erfolg mit diesem Gesundheitsthema war für den "Tag der Demokratie" (ebenfalls 15.9.) offenbar bei Kunden nicht zu erwarten. Jedenfalls bewarb man den Prostata-Tag. So entnahm in der Folge die Redaktion für Sonderpublikationen einen Prostata-Gesundheitstext dem dpa-Themendienst. Er wurde, wie es das Anzeigengeschäft vorgab, in das Umfeld der Insertionen platziert.

Unabhängig davon, hatte die Redaktion, die für tagesaktuelle Ereignisse steht, dieselbe Idee. Sie bediente sich in Sachen "Prostata" gleichermaßen beim dpa-Themendienst. Das Ergebnis ist bereits genannt.

Bislang einmaliger Fall

Weil es für Zugriffe wie diese digital keine Warnsignale gibt, war die Prostata-Doppelung technisch nicht zu vermeiden. Der eherne Trennungsgrundsatz (Pressekodex Ziffer 7) zwischen verkauften Anzeigen und unabhängigen Journalismus, sorgt überdies dafür, dass für die Redaktion bei der Entstehung oder Platzierung ihrer eigenen Texte unsichtbar bleibt, welche Anzeigen es sind, die bereits auf den Seiten der Zeitung stehen. Das heißt, die notwendige interne Absprache und Kontrolle muss nachgebessert werden, wenn technische Warnsignale weiterhin ausbleiben. Daran, so ist angekündigt, werde man arbeiten. Dieser Fall solle nicht mehr vorkommen können. Er sei in diesem Zusammenhang bislang einmalig. Das gelte, obwohl die Zahl der europäischen und internationalen Gedenktage hoch ist.

Fotograf genannt, Autorin nicht

Am Rande sei bemerkt, dass die Quellen-Kennzeichnung eines Beitrages mit "tmn" allemal unzureichend ist, auch wenn er auf einer Anzeigenseite steht. Schließlich hat der Text offenkundig eine Autorin. Das Fehlen ihres Namens auf der Anzeigenseite ist erstaunlich, zumal der des Fotografen, der das Prostatabild für den Themendienst geliefert hat, auf der gleichen Anzeigenseite genannt wird.  

Unterm Strich

Die Bedeutung seiner Worte nicht ahnend, hatte der Autor sein "Unterm Strich" auf Zeitungsseite 1, ebenfalls für 15.9., mit "An Tagen wie diesem" betitelt. Er wies schmunzelnd darauf hin, dass die Tage der Bildungsfreiheit, der Demokratie, der Prostata, des Punktes, des Apfelessens und des iberischen Pferdes alle auf dieses eine Datum fallen. Wie auch immer: Doppelte Zugriffe auf Texte wie diesen, die soll es nicht mehr geben.

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute.

Ausschnitt aus Seite 19 der Main-Post vom 15.9.2021
Foto: Repro Sahlender | Ausschnitt aus Seite 19 der Main-Post vom 15.9.2021

Frühere ähnliche Leseranwalt-Kolumnen:

2016: "Verschämtes Bekenntnis zu einem acht Jahre alten Nahles-Interview"

2017: "Der doppelte Olympiasieger  blieb unbemerkt"

2021: "Was ein doppelt erschienener Leitartikel zeigt"

Artikel von S. 20 der Main-Post vom 15.9.2021 mit demselben Text wie auf S. 19.
Foto: Repro Sahlender | Artikel von S. 20 der Main-Post vom 15.9.2021 mit demselben Text wie auf S. 19.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Anton Sahlender
Deutsche Presseagentur
Digitaltechnik
Journalismus
Leseranwalt
Prostata
Prostatakrebs
Zeitungen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top