Eine ganze Reihe von Journalisten im Lande scheut sich offenkundig, fremde Kostenübernahme bzw. Finanzierung ihrer Dienstreisen durch Dritte ganz klar einzugestehen. Das betrifft vorwiegend Reise-, Urlaubs- oder Touristikbeiträge aus aller Welt. Zumindest formuliert es der Deutsche Presserat in seiner verpflichtenden Forderung in Richtline 15 des Pressekodex zu "Vergünstigungen" klarer, als es in der Praxis gebräuchlich ist. Er fordert: "Wenn Journalisten über Pressereisen berichten, zu denen sie eingeladen wurden, machen sie Finanzierung kenntlich."
Hinter der Initiative steht ein Touristikunternehmen
Der folgende Text betrifft zwar viele Blätter. Doch kommen wir beispielhaft besser zu den Reiseberichten der eigenen Zeitung, die wie fast immer aus der Augsburger Allgemeine entnommen sind: Zwei Reiseseiten vom 28. Juli - mit den Beiträge "Die Adria: Viel mehr als Meer" und "Im grünen Glück" tragen jeweils den Hinweis: "Die Autorin recherchierte auf Einladung von X-Tourismus" bzw. von "X-Reisen". Ganz klar gestellt wird damit zumindest, dass nicht auf eigene Initiative des Mediums recherchiert und berichtet worden ist. Die Einladung eines Touristik-Unternehmens, die man angenommen hat, war der Auslöser.
Touristik-Unternehmen, die einladen, bezahlen
Um aber mehr Klartext auch für künftige Reiseberichte in dieser Zeitung zu hinterlassen, decodiere ich diese meist gebräuchlichen Hinweise zu Reiseberichten vorsorglich weiter: Von "Einladung" ist oft die Rede. Das heißt dann, das Touristik-Unternehmen, das genannt wird (hier nur X), hat den Autoren Reise und Aufenthalt bezahlt. Gewiss hat es ihnen dazu ein Programm angeboten und wichtige Informationen für sie bereitgestellt. Und: Diese Angebote sind meist einer ganzen Journalistengruppe (Kodex: "Pressereise") zugute gekommen, die auf Einladung von X gemeinsam verreist war.
"Medienvertreter fürchten Blickverengung"
Der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv) hat zu Pressereisen eine aufschlussreiche Anleitung herausgegeben, in der es heißt: "Medienvertreter fürchten die 'Blickverengung': Selbst wenn sie kritisch über eine Reise zu einer Bibliothek oder zu einem Projekt berichten, so haben sie doch eben diese Bibliothek oder dieses Projekt ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt."
Was der Begriff "Einladung" erschließen soll
In der für die Reiseberichte der Main-Post-Titel zuständigen Redaktion der Augsburger Allgemeinen geht man davon aus, dass eine fremde Kostenübernahme alleine über den Begriff "Einladung" auch der Leserschaft kenntlich gemacht wird, selbst wenn der Knigge da einige Unsicherheiten kennt. Doch der landläufigen Deutung und Erwartung an Kostenübernahme durch eine Einladung habe auch mich in einem Gespräch mit der Redaktion in Augsburg schließlich nicht mehr verwehrt.
Es folgt ja ein Schritt nach vorne. Denn noch weniger konkrete bis nichtssagende bisher gebräuchliche Hinweise wurden dabei endlich vom Tisch genommen. Etwa dieser: Die Reise wurde "unterstützt" von X. Besorgnis konnte erregen, wenn die eingestandene Unterstützung alleine den Recherchen des Autors galt: Durfte etwa Touristik-X mit seinen Interessen in eine ureigene journalistische Aufgabe eingreifen?
Hoffentlich nie. Doch mit dieser Formulierung, soll es nun vorbei sein.
Entscheidungen des Deutschen Presserates
Wie der Deutsche Presserat über den Begriff "Einladung" in den Hinweisen zu Reiseberichten entscheiden würde, läge ihm eine Beschwerde dazu vor, lässt sich absehen. Er würde ihn wohl hinnehmen. Ich stütze diese Vermutung darauf, dass er selbst dieses Wort in der Bewertung eines Falles von 2017 in seinem Archiv gebraucht hat (Aktenzeichen: 1119/16/3). Damals fehlte ihm nach dem Bericht über eine Schiffsreise die Angabe der Redaktion dazu, ob die Reise auf "Einladung" zustande gekommen ist.
Eine Missbilligung gab es danach auch deshalb, weil durch die Hervorhebung eines Hotels auch die Kodex-Richtlinie 7.2 zur Schleichwerbung verletzt war. Letztere gilt es bei Reiseberichten ebenfalls besonders zu beachten. Schon 2020 habe ich hier empfohlen: "Auch an der Leserschaft liegt es in der Folge, ein Auge darauf zu haben, ob im Artikel genug Unabhängigkeit vom Reisefinanzier vorliegt."
Ein Hinweis, der dem Presserat nicht genügt hat
Fremdfinanzierungen sind natürlich nicht nur für Reisen zu touristischen Zielen anzugeben. Das musste 2019 eine Regionalzeitung erfahren, für die ein Journalist mit einer Delegation in die brasilianische Partnerstadt gereist war. Sie wurde vom Presserat darauf hingewiesen, dass es ungenügend gewesen ist, nur allgemein berichtet zu haben, es sei "eine Delegation unterwegs gewesen, deren Mission auch Bund und Land so bedeutsam erschien, dass sie die Reise voll finanzierten" (0169/19/2).
Eine Versicherung der Unabhängigkeit
Selbstverständlich ist natürlich auch für die Redaktionen in Augsburg und Würzburg, was beispielsweise der Kölner Stadtanzeiger versichert. Der meldet zwar zu einem seiner Reiseberichte nur eine Unterstützung der Reise, verspricht aber dazu: "Über Auswahl und Ausrichtung der Berichte entscheidet alleine die Redaktion." Obwohl die Auswahl wohl auch von den vorliegenden Einladungen und dem gebotenen Programm abhängt, darf man durchaus glauben, dass die Autoren ihre Beiträge sonst ganz unabhängig geschrieben haben.
Schon der Anschein, die Entscheidungsfreiheit könne beeinträchtig werden, ist zu vermeiden
Aber muss man diese journalistische Selbstverständlichkeit, eigenständig und unabhängig gearbeitet zu haben, eigens mitteilen? Ich denke, angesichts der geschilderten speziellen Umstände der Berichterstattung, wäre es gut. Deshalb sind deutlich konkretere Erklärungen zu Reisefinanzierungen als die von den Redaktionen häufig gebotenen wünschenswert, gerade solche, die über den Begriff "auf Einladung" noch hinausgehen und schlimmere Verschleierungen ganz vermeiden.
Solche Klarheit würde von Journalisten in vergleichbaren Fällen wohl mit scharfen Worten von Politikern gefordert. Hier gilt es nun aber selbst Ehrlichkeit und Bereitschaft zur Transparenz zu zeigen, auch wenn das kein Kodex so fordert und keine Sanktionen drohen.
Hier wird in diesem Kontext aber leider ein weit verbreiteter Mangel sichtbar. Dabei heißt es doch noch so schön Kodex-Richtlinie 15: "Schon der Anschein, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion könne beeinträchtigt werden, ist zu vermeiden." Erfreulich, wenn sich freie Reisejournalisten wie in Travellers Archive selbst verpflichten,"einen ehrlichen Eindruck von der Welt zu vermitteln" wollen und hinzufügen, "Reisetrends interessieren uns nicht".
Reiseberichte: Unverzichtbares Werbe-Umfeld für Medien
Bevor ich missverstanden werde: Berichte von Urlaubszielen sind meist gut gemacht, nutzwertig und unterhaltsam, also durchaus lesenswert. Sie finden deshalb ihre Leserinnen und Leser. Das macht sie zudem wichtig als unabhängiges Umfeld für bezahlte Touristik-Werbung, auf das kein Medium verzichten will und kann. Folglich werden die Einladungen der Touristik-Verbände und -Unternehmen von ohnehin stark kostenbewussten Medienhäusern gerne angenommen. Und das geschieht so seit Jahrzehnten. Deshalb wäre zu empfehlen, auch darauf hinzuweisen, wenn ein Touristik-Autor auf eigene Initiative oder auf Kosten des eigenen Medienhauses unterwegs gewesen sein sollte.
Anton Sahlender, Leseranwalt
Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.
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2020: "Wenn Journalisten verreisen"