Einiges an Verzweiflung stecke hinter seinen Worten, schreibt mir ein Würzburger in einem recht ausführlichen Brief. Er gehöre zu den Menschen, deren Leben schon öfter an einem seidenen Faden gehangen habe. Er habe Beispiele erfahren müssen, in denen die Medizin weniger Segen denn Fluch gewesen sei. Er hofft, in mir den richtigen Zuhörer zu finden.
Nicht selten, so schreibt der Mann mir wörtlich, "gehen Ärzte und Verfechter unserer medizinischen Wissenschaft überaus autoritär gegen ihre 'Opfer' vor". Patienten seien davon so eingeschüchtert gewesen, dass sie sich einer weiteren Behandlung nicht zu widersetzen wagten. Das, so meine ich, wäre hart. Der Mann wird aber hierzu nicht konkret.
Die Statistik der Impfrate
Weiter lese ich: Sein Leben mit dem ungewollten Fokus auf Erfahrungen von Kranken und Hilfsbedürftigen habe ihn vor Augen geführt, jedem sein Recht auf körperliche Unversehrtheit in unserem medizinischen Räderwerk zukommen zu lassen. Denn wenn es stimme, steige die Zahl der Verzweifelten, die dem zu entfliehen suchten, schreibt der Mann, der nicht genannt werden will, am Ende seiner längeren Schilderung. Dabei spricht er sogar Suizide an. Viele hätten das Vertrauen in die Medizin verloren. Dann erreicht er mit den Worten, "das helfe der Statistik der Impfrate", seinen aktuellen Kummer. Darin meint er anscheinend ein System zu erkennen, das er anprangert.
Das werde ich alleine nicht können
Der Würzburger erwartet nun von mir, dass ich "den stillen und deshalb schwer zu findenden verzweifelten Menschen das Gefühl gebe, nicht alleine zu sein". Beim besten Willen: Das werde ich alleine nicht können. Ich verstehe aber, dass es hier gilt, Vertrauen in Mediziner wieder herzustellen. Das können dafür ausgebildete Personen, wie Therapeuten, die aus Ängsten oder Verzweiflung heraushelfen. Man muss sich ihnen nur anvertrauen.
Gesprächspartner und Perspektiven wechseln
Gut ist es zuweilen, nicht nur auf vertraute Gesprächspartner zu hören und von anderen auch andere Perspektiven zu erfahren. Viele werden bestätigen, dass Ärzte allemal weitaus mehr geholfen als geschadet haben. Offenbar aber fürchtet sich der Würzburger ob seiner schlechten Erfahrungen selbst vor der Corona-Schutz-Impfung. Er hat sich an mich gewandt, wohl weil er sich darin auch von dieser Zeitung nicht verstanden fühlt. Vielleicht ist er da nicht der Einzige.
Warum die Impfung gebraucht wird
Aber weder die Redaktion noch ich vermögen Zweiflern die auch in dieser Zeitung schon hinreichend kommunizierte Erkenntnis zu ersparen, dass die Impfung nachweislich vor dem Corona-Virus und die bekannten Mutanten schützt, und dass wir die Impfung zur vollen Rückgewinnung aller Freiheiten in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur dringend brauchen. Das stellt nicht nur das Robert Koch-Institut fest. Folglich müssen sich gerade vor Beginn der kalten Jahreszeit bekanntlich noch mehr Leute impfen lassen als das bisher getan haben. Und weil genau das trotz Aufklärung und unzähliger angebotener Möglichkeiten nicht ausreichend geschieht, kommt umgekehrt bei geimpften Menschen auch einiges an Verzweiflung auf. Aufklärung bleibt auch aktuell wichtig.
So vermögen letztlich auch die Impfungen Wirkung gegen Verzweiflung zu erzielen. Dem Würzburger habe ich genau das geschrieben und von meinen guten Erfahrungen mit Medizinern berichtet und außerdem, dass ich sehr froh bin, geimpft zu sein.
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute.