In den vergangenen Tagen ist ein Cartoon in den Sozialen Netzwerken aufgetaucht, der eine Familie in einem zerbombten Haus zeigt. Der Vater ruft seinen Kindern sinngemäß zu: „Packt eure iPhones ein, wir machen Asylurlaub in Deutschland.“ „Asylurlaub“, angelehnt an „Asyltouristen“. Markus Söder hat den Begriff jüngst verwendet – erfunden hat er ihn nicht. Schon in den 80er Jahren ist der Begriff „Asyltourismus“ im politischen Diskurs gefallen und seitdem immer wieder aufgetaucht. Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hat schon von „Asyltourismus“ gesprochen.
Dabei ist „Asyltourismus“ an Zynismus kaum zu überbieten. Mit Tourismus und Urlaub verbinden wir Bilder von Palmen und Meer, Bergen oder Sehenswürdigkeiten, in jedem Fall Erholung und Entspannung. Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Elend sind, als „Touristen“ zu bezeichnen, verharmlost das Leid, das sie erfahren mussten und die Gefahr, vor der sie fliehen. Das Wort verzerrt die Realität. Denn wir haben ein bestimmtes Wissen, dieses Wissen denken wir automatisch mit, dadurch entstehen Assoziationen.
In den 90er Jahren weitgehend Kampfbegriff rechter Parteien
Dieses Spiel mit den Worten ist ein gefährliches: Grenzüberschreitungen wie „Asyltourismus“ verschieben im öffentlichen Diskurs die Grenzen dessen, was noch akzeptabel ist. Nach dem Motto: Wenn der Söder das sagt, wird man das ja wohl auch sagen dürfen. Interessant hier: In den 90er Jahren ist „Asyltourismus“ weitgehend als Kampfbegriff rechter Parteien aufgefasst worden, heute nimmt ihn ohne weiteres ein Politiker der CSU in den Mund. Söder geht sogar darüber hinaus und verteidigt dessen Verwendung mit dem Argument, er würde verantwortungsbewusst mit der Bezeichnung umgehen. Hierin zeigt sich, wie schwierig die Debatte ist: Wie möchte Söder verantwortungsvoll mit einem Begriff umgehen, der das Leid vieler Menschen verharmlost? Er, der als Politiker Vorbildfunktion hat, spielt Rechtsextremen in die Hände. „Im Jargon ähneln Sie der AfD“, sagte Journalistin Dunja Hayali jüngst in einem Interview zu Söder. Sie sprach damit die gegenseitige Annäherung der Diskurse von CSU und AfD an. Genau wie Söder verschiebt die AfD die Grenzen dessen, was öffentlich gesagt werden kann. Da werden Menschen, die ihr Grundrecht auf Asyl in Anspruch nehmen, gar zu „Invasoren“. Politikberater Johannes Hillje, der sich mit der Sprache der AfD beschäftigt, hat festgestellt, dass sich der gesamte Diskurs nach rechts außen verschoben hat. Ein extremes Beispiel: Alexander Gaulands geschichtsrevisionistischer „Vogelschiss“ für die Zeit des Nationalsozialismus.
Unsere Sprache droht zu verrohen
Im Zusammenhang mit Flucht und Asyl wird häufig Metaphorik angewandt, Beispiele sind die „Flut“, die „Welle“ oder die „Masse“, die uns „überrollt“. Die Begriffe entmenschlichen, sie lassen das Individuum verschwinden und sind daher gefährlich. Ebenfalls aufgetaucht ist die „Anti-Abschiebe-Industrie“ oder „Abschiebeverhinderungsindustrie“ für Einrichtungen, die daran mitarbeiten, nicht rechtmäßige Abschiebungen zu verhindern. Den Begriff hat der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verwendet. Oder aber der „Gutmensch“ für Menschen, die Flüchtlingen helfen. Hier reiht sich auch Söders Vorwurf der „Belehrungsdemokratie“ ein. Dies impliziert das Bild von Politikern, welche Bürger als Schüler ansehen. All diese Bezeichnungen beeinflussen unsere Wahrnehmung. Gleiches gilt für den „Asyltourismus“, der verzerrt und verharmlost. Unsere Gedanken beeinflussen unsere Sprache, unsere Sprache beeinflusst unser Handeln. Das ist an sich nichts Neues, wir sollten es uns trotzdem in Erinnerung rufen. Gerade jetzt, wenn unsere Sprache zu verrohen droht. Und Menschen wie Markus Söder, die Schutzsuchende als „Asyltouristen“ bezeichnen, entschieden entgegentreten. Denn „Asyltouristen“ gibt es nicht.
Aus welchem Grund kommen diese Leute nach Deutschland? Die übliche Antwort wäre, weil sie vor Krieg und Verfolgung flüchten. Aber das ist falsch! Denn das ist (bei einigen) der Grund, weshalb sie ihre Heimat verließen. Wenn man seine Heimat verlässt, ist man aber noch nicht in Deutschland. Dass der Weg dann nach Deutschland führt, hat IMMER wirtschaftliche Gründe. Dabei versuchen einige, bestehende Regeln auszutricksen. Durchaus verständlich (weil es leicht gemacht wird), aber dass dafür dann "Asyltourismus" und andere "böse" Worte genutzt werden, ist neines Erachtens nicht unangemessen.