Selten ist die Spitze der AfD so ins Stottern geraten wie in diesen Tagen. Eine obskure Truppe rechter Spinnerinnen und Spinner hat den Staatsstreich geprobt – und Parteifreunde waren dabei. Eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete wollte im neuen Reichsbürger-Staat sogar Justizministerin werden. Das klingt nach wie vor lachhaft und hat trotzdem einen bitterernsten Hintergrund. Wie der Gang der Ermittlungen zeigt, radikalisiert sich die rechte Szene in Deutschland zusehends. Und, genauso beunruhigend: Die Grenzen zwischen Demokratiefeinden und einer im Bundestag vertretenen Partei sind fließend.
Eilige Distanzierungsversuche der AfD-Führung
Daran ändern auch die eiligen Distanzierungsversuche der AfD-Führung nichts. Wie die Partei wirklich tickt, zeigt sich in den Äußerungen und Diskussionsforen der unteren Etagen. Dort herrscht eine ganz andere Meinung vor: Das alles sei ein abgekartetes Spiel der Sicherheitsbehörden, eine Vertuschungsaktion, um nach dem Mord vor einer Asylunterkunft in Illerkirchberg von den wirklichen Problemen dieser Republik abzulenken. Der Berliner AfD-Politiker Georg Pazderski sagt es unverblümt: „Die Razzia gegen die Greise der Reichsbürger war toll inszeniert und großes Kino.“
Daher nützt alles Abstreiten, Verharmlosen oder Verdrängen nichts: Die Verbindungen zwischen AfD und Reichsbürgern sind offensichtlich. Die Partei hat ein Problem, und es lässt sich nicht lösen, wenn die Vorsitzende Alice Weidel das Ganze als „Rollator-Putsch“ bagatellisiert. Selbstverständlich hat die Bundesrepublik Deutschland nicht ernsthaft zu befürchten, von einigen älteren Herrschaften überrannt und einem adeligen Wirrkopf regiert zu werden.
Aber es ist der Weg, nicht das Ziel, der Extremisten aller Schattierungen so gefährlich macht. Der deutsche Rechtsstaat bekämpfte in den 70er Jahren die RAF in aller Härte – nicht, weil er ernsthaft eine kommunistische Machtübernahme durch Baader und Meinhof befürchtete, sondern weil die Terroristen über Leichen gingen. Ähnlich die Fanatiker des Islamischen Staates, die glauben, in Europa lasse sich der Gottesstaat herbeibomben. Die Attentäter haben keine Chance, ihre Vorstellung jemals in die Tat umzusetzen. Aber sie sind fanatisch genug, um es zu versuchen.
Nicht als Fehltritt verirrter Senioren abtun
Und die Reichsbürgerinnen und Reichsbürger? Auch Deutschlands rechte Szene lebt vom Hass auf unsere Grundordnung. Wie man sieht, kann er jederzeit in Gewalt umschlagen. Stand der Ermittlungen ist: Eine mutmaßliche rechtsextreme Gruppierung hat an Waffen trainiert und den Sturz der Bundesregierung herbeifantasiert. Sogar Ministerposten waren schon vergeben. Laut Generalbundesanwalt haben sich die Verdächtigen seit einem Jahr auf ihren Tag X vorbereitet. Sie beschafften sich Ausrüstung, übten scharfes Schießen und bestellten schon mal Uniformen. Verrückter kann ein Vorhaben kaum klingen.
Als Fehltritt einiger verwirrter Seniorinnen und Senioren abtun lässt es sich trotzdem nicht. Ein Rechtsstaat muss, wenn er einer bleiben will, Umtriebe wie diese ernst nehmen und entschlossen unterbinden. Schaut er weg, schickt er an das Milieu ein fatales Signal. Dort klingt es wie ein Freifahrtschein, so weiterzumachen wie bisher. Die Antwort an die Reichsbürgerinnen und Reichsbürger kann deshalb nicht klar genug sein. Aber was machen mit einer Partei, die mit 78 Abgeordneten im Bundestag sitzt und zugleich mit einer Szene verbandelt ist, die die Demokratie abschaffen will? Verbieten? SPD-Mann Georg Maier, Innenminister im Freistaat Thüringen, wo die AfD viel Zulauf hat, fordert genau dies. Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang kann es sich vorstellen. Klug wäre es jedoch nicht.