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DEUTSCHLAND
Telekom: Daten zählen, sonst droht die Internetbremse
Ralf Thees, Redakteur, Main-Post, Redaktion Marktheidenfeld.
Ralf Thees
 |  aktualisiert: 26.04.2023 19:45 Uhr

Sie wollen sich einen schönen Filmabend machen, die Nüsschen stehen bereit, sie klappen das Notebook auf und schauen sich – ganz legal – über das Internet einen Film an. Doch plötzlich, kurz vor dem Showdown, ruckelt der Film und wird unerträglich langsam. Und nicht nur der Film – ihr gesamter Datenverkehr über das Festnetz vollzieht sich nur noch im Schneckentempo, für den Rest des Monats. Was ist passiert? Sie haben ihre maximale Datenmenge für diesen Monat überschritten, ihr Anschluss wird gedrosselt!

Dieses Szenario kann Telekom-Kunden in Zukunft blühen. Denn ab dem 2. Mai wird die Telekom die Übertragungsgeschwindigkeit bei Internet über das Festnetz (DSL) ab einem bestimmten Datenvolumen drastisch begrenzen. Die Tarifänderung betrifft vorerst nur Neukunden und laut Telekom wird diese Drosselung voraussichtlich erst ab 2016 technisch umgesetzt werden. Trotzdem sorgte diese Ankündigung der Telekom für große Aufregung.

Die Geschwindigkeit im Internet wird meist mit Bit pro Sekunde angeben, die Datengröße in Byte. Das geringste Datenvolumen in den neuen DSL-Tarifen der Telekom beträgt 75 Gigabyte pro Monat bei einer maximalen Geschwindigkeit von 16 Megabit pro Sekunde (DSL 16 000). Bei schnelleren Anschlüssen liegen die Obergrenzen je nach Geschwindigkeit bei 200, 300 oder 400 Gigabyte. Wird das jeweilige Datenvolumen überschritten, wird der Anschluss für den Rest des Monats auf eine Geschwindigkeit von 384 Kilobit pro Sekunde gedrosselt – das ist ein Bruchteil der Höchstgeschwindigkeit, an eine zeitgemäße Internetnutzung ist dann nicht mehr zu denken.

Und nun zeigt sich die Krux der neuen Tarifstruktur – der Kunde muss sich bei einem neuen Vertrag bei der Telekom nicht nur für eine Internetgeschwindigkeit entscheiden, sondern auch abschätzen, welche Datenmenge er im Monat brauchen wird. Viele Internetnutzer wissen zurzeit gar nicht, wie viel Mega- oder Gigabyte durch ihre Leitung geht. Warum auch – fast jeder nutzt eine Flatrate ohne Begrenzung der Datenmenge.

Wie viel ist ein Gigabyte?

Sicher gibt es viele Internetnutzer, die das Netz ausschließlich für das Surfen im World Wide Web und für den E-Mail-Verkehr nutzen. Doch immer mehr nutzen die komplette Bandbreite der multimedialen Kommunikations- und Unterhaltungsmöglichkeiten; Musik oder Videos werden immer häufiger direkt über das Internet konsumiert.

Sie schauen gerne Filme und Serien über das Internet an? Apple gibt auf der Seite seines Multimedia-Angebots iTunes die durchschnittliche Größe eines Films in guter Qualität (HD) mit vier Gigabyte an, bei der Amazon-Tochter Lovefilm ist der Durchschnitts-HD-Film nach eigenen Angaben sogar zehn Gigabyte groß.

Sie hören gerne Radio über das Internet? Bei acht Stunden am Tag kommen bei normaler Qualität im Monat gut 13 Gigabyte zusammen.

Die Tochter verbringt ein Auslandssemester in Australien und möchte sich täglich eine Stunde lang mit den Eltern über den Videotelefonie-Dienst Skype unterhalten? Wieder sind etwa sechs Gigabyte pro Monat verbraucht.

Datenfresser können auch Onlinespiele sein, Updates von Betriebssystemen oder Sicherheitskopien über das Internet.

Der Datenverbrauch steigt

Laut Telekom verbrauchen ihre Kunden im Durchschnitt 15 bis 20 Gigabyte pro Monat. Das Telekommunikationsunternehmen Cisco rechnet bis zum Jahr 2016 mit einer Verdopplung des weltweiten Datenverkehrs durch die Endkunden, die Telekom spricht in ihrer Ankündigung zur Änderung der Tarifstruktur sogar von einer Vervierfachung.

Und so können vielleicht im Jahr 2016 die 75 Gigabyte des kleinsten Telekom-Pakets auch für den Durchschnittskunden des Bonner Unternehmens relativ wenig sein.

Das eigene Fernsehangebot der Telekom namens Entertain wird nicht auf das integrierte Datenvolumen angerechnet, genauso wie Sprachtelefonie über den Telekom-Anschluss. Seine Datenmengen muss der Telekomkunde also nur argwöhnisch im Auge behalten, wenn er die Inhalte nicht von der Telekom bezieht.

Telekom-Angebote zum Nulltarif

Kritiker werfen der Telekom nun einen Verstoß gegen die sogenannte Netzneutralität vor, dem Anspruch, dass von einem Internetdienstanbieter alle Daten unverändert und in gleicher Qualität übertragen werden.

Der Verein Digitale Gesellschaft kritisierte, eine solche Drosselung mache „die Verbindung unter heutigen Ansprüchen nicht mehr nutzbar“. Die Geschwindigkeit werde damit auf ein Niveau der 90er Jahre reduziert. „De facto ist das eine Sperre“, erklärte Markus Beckedahl, Vorstand des Vereins Digitale Gesellschaft. Er sieht auch das Prinzip der Netzneutralität in Gefahr.

Die Würzburger Informatikerin und netzpolitische Sprecherin der SPD in Bayern, Doris Aschenbrenner, schrieb am Dienstag in ihrem Blog: „Es stellt sich die Frage, ob die privatwirtschaftliche Umsetzung des Netzausbaus eine gute Entscheidung war, wenn der Branchenführer jetzt Nutzungsart und Nutzungspreise diktieren will.“ In Deutschland gibt es noch keine gesetzliche Regelung der Netzneutralität, in anderen europäischen Ländern wie der Niederlande, der Schweiz und Norwegen ist schon teilweise vorgeschrieben oder in Kürze vorgesehen.

Noch gibt es genug Alternativen zur Telekom als Internetanbieter mit einer unbegrenzten Flatrate. Ob das Model „Telekom“ in Zukunft Schule machen wird, wird letztlich der Kunde entscheiden – durch Vertragsabschlüsse oder -kündigungen.

Bremsen auch andere Anbieter?

Vodafone will im Gegensatz zur Deutschen Telekom keine Obergrenzen für das Daten-Volumen im Festnetz einführen. „Wir haben keine Pläne, die DSL-Geschwindigkeit unserer Kunden zu drosseln“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Vodafone ist vor allem als Mobilfunk-Anbieter bekannt, hat aber auch die volle Palette an Festnetz-Diensten.

Kabel Deutschland hat in seinem Kleingedruckten auch eine Volumenklausel. „Lädt ein Kunde an einem Kalendertag ein Gesamtdatenvolumen von mehr als 10 GB herunter, ist Kabel Deutschland berechtigt, die ihm zur Verfügung stehende Übertragungsgeschwindigkeit ausschließlich für Filesharing-Anwendungen bis zum Ablauf desselben Tages auf 100 Kbit/s zu begrenzen“, heißt es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Allerdings sind Anwendungen wie Internetsurfen, Video-Streaming oder Video-on-Demand-Angebote davon bisher ausdrücklich ausgenommen.

 
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